Reiseanbieter

Noch sind nicht alle Logos von Thomas Cook verschwunden - doch für Ehepaar Pope (r.) aus South Shields im Nordosten Englands gab es schon mal Blumen: Sie waren die ersten Kunden, welche in einer von Hays Travel wiedereröffneten früheren Thomas-Cook-Agentur eine Reise buchten. Bild: Hays Travel

Weniger als 14‘000 Franken: Schnäppchen für Thomas-Cook-Reisebüros

Hays Travel konnte die 555 Thomas-Cook-Reisebüros in Grossbritannien retten – zum absoluten Tiefpreis, wie inzwischen bekannt ist.

Seit 40 Jahren führen John und Irene Hays das britische Reiseunternehmen Hays Travel mit Sitz in Sunderland. Dieses verfügte bis vor Kurzem über 190 Reisebüros und 1900 Angestellte und erzielte damit im Jahr 2018 knapp über 1 Milliarde Pfund Umsatz (1,279 Milliarden Franken) und einem kolportierten Reingewinn von 10 Millionen Pfund (fast 13 Millionen Franken).

Vor etwas mehr als zwei Wochen wurde Hays Travel plötzlich auch über Grossbritannien hinaus berühmt. Die Firma konnte nämlich die 555 Filialen der insolventen Thomas Cook UK übernehmen. Damit konnte Hays Travel nicht nur die Anzahl Reisebüros verdreifachen und die Zahl der Angestellten verdoppeln – das Unternehmen wurde auch zu einer Art «Helden in der Misere», indem es die Jobs der meisten Thomas-Cook-Agenten in Grossbritannien rettete. Voraussichtlich werden nicht ganz alle Filialen – welche künftig unter der Marke Hays Travel laufen – beibehalten, gerade in gewissen Städten gibt es Doppelspurigkeiten, doch in Gebieten wie Schottland, Nordirland oder Wales, wo Hays bislang nicht vertreten war, sieht die Lage gut aus.

Über die Kaufsumme wurde ursprünglich Stillschweigen vereinbart. Wie inzwischen jedoch bei den Hearings rund um die Pleite bekannt wurde, betrug die Kaufsumme lediglich sechs Millionen Pfund, also rund 7,7 Millionen Franken. Das macht pro Thomas-Cook-Filiale gerade mal einen Preis von umgerechnet 13‘820 Franken.

Unter Wert verkauft?

Der Preis erstaunt schon etwas. Dean Beale, CEO des Insolvency Service, erklärte gegenüber britischen Medien, dass dieser Preis für die Kreditoren die bestmögliche Lösung war, weil viele Reisebüros «kaum Wert» gehabt hätten und diese 6 Millionen «das beste Angebot auf dem Tisch» gewesen sei. Echt? Bei diesem Preis hätten doch wohl noch ganz andere Reiseunternehmen darüber nachgedacht, 555 Reisebüros zu übernehmen. Hays Travel musste für die Verdreifachung der Firma lediglich die Hälfte des Gewinns aus dem Vorjahr reinvestieren. Allerdings ist das Investment auch zu diesem Preis noch riskant in einem Markt, der infolge des Kollapses des Reiseveranstalters leiden wird und kurz vor einem Brexit steht, dessen Auswirkungen auch noch nicht ersichtlich sind.

Besonders stossend ist der tiefe Kaufpreis jedoch vor dem Hintergrund, dass «Special Managers», welche sich mit dem Kollaps von Thomas Cook befasst haben, allein im ersten Monat seit der Pleite rund 11 Millionen Pfund für ihre Dienste erhielten.

Immerhin: Bereits sind über 350 der 555 früheren Thomas-Cook-Büros wieder geöffnet, teils erst mit behelfsmässiger Beschriftung als Filiale von Hays Travel. Über 2000 Angestellte haben bisher einen neuen Arbeitsvertrag erhalten. Den dortigen Mitarbeitenden wird der Verkaufspreis herzlich egal sein und es ändert eigentlich nichts am Jobrettungs-Heldenstatus des Ehepaars Hays. In der ganzen Diskussion um die Übernahme von Thomas-Cook-Agenturen in Deutschland, Frankreich und anderswo ist dieser «Panikverkauf» jedoch kaum Wasser auf die Mühlen der jeweiligen Insolvenzverwalter bzw. Kreditoren.

(JCR)