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Thomas Cook hatte bereits 2017 ihre Airline vom restlichen Geschäft getrennt, hinsichtlich eines möglichen Verkaufs. Daraus wurde nichts, die Gesellschaft ging Pleite - doch einige Flugzeuge sind noch in der Luft, wie dieses, aufgenommen am 5. Oktober in Bergen (Norwegen). Bild: JCR

Thomas Cook: Das grosse Spiel der Schuldzuweisung

CEO Peter Fankhauser wurde von britischen Parlamentariern hart in die Mangel genommen - doch auch die britische Regierung macht beim Kollaps keine gute Figur. Derweil hofft Thomas Cook Deutschland weiter auf Auferstehung, während die Vital Touristik GmbH das Handtuch definitiv wirft.

Anhörung des Thomas-Cook-Managements

Es sind harte Zeiten für sämtliche Angestellten von Thomas Cook, aber auch der Schweizer CEO des touristischen Grosskonzerns, Peter Fankhauser, ist derzeit nicht zu beneiden: Gestern musste Fankhauser gemeinsam mit Chairman Frank Meysman und CFO Sten Daugaard vor einem britischen Parlaments-Ausschuss (dem «Business, Energy and Industrial Strategy Committee») antraben und über die Mega-Pleite aussagen sowie Fragen zur Vergütung beantworten. Die gesamte Befragung kann man unter diesem Link im Video einsehen.

Fankhauser wehrte sich dagegen, dass der Niedergang des Unternehmens nur einseitige (sprich: selbstverschuldete) Gründe habe und erinnerte daran, dass er mit dem ganzen Topmanagement ununterbrochen für die Rettung von Thomas Cook gekämpft habe. Das mag stimmen, doch was in britischen Medien vor allem hängen blieb, war seine Antwort auf die Frage der Aussschuss-Vorsitzenden Rachel Reeves, ob er denn gewillt sei, seinen Bonus an die Steuerzahler zurückzugeben: Er werde es erwägen, aber nicht sofort entscheiden, so Fankhauser. Das wurde ihm als Arroganz und Gier ausgelegt und Parlamentarierin Reeves selber erklärte, dass seine öffentlichen Entschuldigungen «rather hollow», also unglaubwürdig klingen.

Um wie viel Geld geht es überhaupt? Fankhauser erklärte, er habe 2018 keinen Bonus erhalten, 2017 jedoch 750‘000 Pfund, wovon zwei Drittel in Cash und ein Drittel in nunmehr wertlosen Aktien waren. Eigentlich ist es perfid, im Rahmen einer Anhörung von einem Manager ein Sofortgeständnis für eine Rückzahlung einer halben Million Pfund «an den Steuerzahler» zu verlangen, weshalb man Fankhausers Reaktion auch als durchaus angemessen ansehen kann. Andere sehen darin aber ein Symptom für das ganze Unternehmen: Nicht vorbereitet zu sein auf offensichtliche Fragen und dann auch nicht die angemessene Antwort zu haben... Konkret wird vorgeworfen, dass Thomas Cook keinen «Plan B» gehabt habe und dass das Unternehmen nicht imstande war, angesichts der hohen Verschuldung genügend Cash - etwa mittels Verkäufen - zu generieren. Das Unternehmen war vor einem Jahr noch 2 Milliarden Pfund wert, nun nichts mehr.

Rachel Reeves fragte darüber hinaus, weshalb Thomas Cook so lange an einem Finanzierungsdeal festgehalten habe, «welcher ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hatte». Fankhauser entgegnete, dass der Deal durchaus Chancen hatte und am 28. August eigentlich in trockenen Tüchern war. Als dann zusätzliche Sicherheiten verlangt wurden, traf sich Fankhauser am 9. September mit dem britischen Transportminiter Grant Shapps und ersuchte um staatliche Hilfe, welche jedoch nicht gewährt wurde – wäre diese gewährt worden, hätte Thomas Cook nach Ansicht von Fankhauser überlebt. Doch kritisierte dieser nicht direkt die britische Regierung. Es wurde aber doch klar, dass man sich Unterstützung erhofft hätte.

Wie dem auch sei: Die Kritik richtet sich in Grossbritannien längst nicht mehr nur an die Adresse Fankhausers, sondern auch an die Regierung, welche «aus ideologischen Gründen» jegliche Hilfe untersagt habe – obwohl Thomas Cook klargestellt habe, dass es sich nicht um einen «Bailout» handle, sondern um eine Hilfe zur Schuldenbefreiung, wonach das Unternehmen das Geld wieder zurückbezahlt hätte. Die in der Folge für den Steuerzahler entstandenen Kosten seien wohl höher als es das Darlehen gewesen wäre, so der Konsens. Allerdings treffen auch in dieser Debatte vor allem politische Einstellungen aufeinander.

Etwas entlastend für Fankhauser ist der Umstand, dass Thomas Cook schon seit Jahren mit Problemen und einer extrem hohen Verschuldung kämpfte. Sprich, die Probleme hat er nicht aus der Welt geschaffen, sie sind aber auch nicht zwingend auf seinem Mist gewachsen. Immerhin dies scheint man erkannt zu haben: In Kürze werden auch die Vorgänger von Peter Fankhauser - Harriet Green und Manny Fontenla-Novoa – vor demselben Ausschuss aussagen müssen.

Nicht zuletzt ist es etwas zu einfach, jetzt allein den CEO auszupfeifen. Zur Erinnerung: Nach einer Gewinnwarnung im September 2018 begann Thomas Cook eine «Investor Roadshow». Das Feedback der Analysten und Investoren sei dabei gewesen, dass die Strategie von Thomas Cook richtig sei, hält «The Independent» fest. Genau jene Strategie, welche als einer der Gründe für das Scheitern von Thomas Cook angegeben wird.

Schafft Thomas Cook Deutschland den Neustart?

Auch die insolvente Thomas Cook Deutschland hat, wie die Fluggesellschaft Condor, einen Überbrückungskredit bei der deutschen Regierung beantragt. Dies, um einen Neustart – voraussichtlich unter der Marke Neckermann – zu ermöglichen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat gegenüber «Reisevor9» erklärt, dass man hierzu «im Austausch» sei und dass kein zeitlicher Rahmen für den Abschluss sämtlicher Prüfungen durch das Ministerium vorliege. Also heisst es weiter zittern und hoffen für Thomas Cook Deutschland. Bis Ende Jahr sind jedenfalls alle Reisen abgesagt.

Tour Vital wirft das Handtuch

Bereits Ende September musste die Thomas-Cook-Tochter Tour Vital Insolvenzantrag stellen. Es gab aber noch Hoffnung, das Geschäft wieder aufnehmen zu können; die Reisen waren «nur» bis Ende Jahr abgesagt. Inzwischen hat sich diese Hoffnung zerschlagen: Wie der Website von Tour Vital zu entnehmen ist, sind nun «in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und der Zurich Insurance plc alle Abreisen» abgesagt.

Vor Insolvenz geleistete Zahlungen auf nicht mehr durchgeführte Reisen führen in der Regel zu Insolvenzforderungen, diese können jedoch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldet werden. Der Kundengeldversicherer ist die Zurich Insurance. Und auch in diesem Fall heisst es wieder: «Wir gehen zur Zeit davon aus, dass die - im vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen - versicherte Haftungssumme von 110'000'000 Euro möglicherweise nicht ausreichen wird, um alle Ansprüche zu befriedigen.» Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren der Tour Vital Touristik GmbH sind rechtlich erst nach Eröffnung des Verfahrens möglich. Die Eröffnung erfolgt voraussichtlich am 01. Januar 2020.

(JCR)