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Der Niedergang des Grossveranstalters zieht sehr grosse Kreise - und sorgt entsprechend für genervte Kunden und Branchenpartner. Bild: Thomas Cook

Thomas Cook: Der Unmut der Branche steigt

Wie so oft ist die Kommunikation im Krisenfall ein grosses Problem. Derweil wird in Grossbritannien debattiert, ob die Boni des Topmanagements beschlagnahmt werden sollen.

Inzwischen läuft Tag 4 seit Ankündigung der Pleite von Thomas Cook. Die bisher grösste Pleite eines Reiseunternehmens zieht immer weitere Kreise. Wir versuchen, die wesentlichen Entwicklungen, Probleme und Gerüchte hier nochmals gesammelt zu präsentieren:

Herbstferien definitiv auch betroffen

Die Thomas Cook GmbH hat heute informiert, dass Reisen von Thomas Cook (DE), Neckermann Reisen, Bucher, Öger Tours und Air Marin bis und mit 13. Oktober 2019 nicht garantiert werden können – sprich, nicht durchgeführt werden. Dies betrifft Pauschalreisen wie auch gebuchte Einzelleistungen. Damit sind aus Schweizer Sicht auch alle Herbstferienbuchungen futsch bzw. müssten allenfalls neu bezahlt werden. Für Reisen mit Reiseantrittsdatum ab dem 14. Oktober wird derzeit mit der Insolvenzversicherung die weitere Vorgehensweise entschieden. Und: «Buchungen können derzeit leider nicht geändert oder storniert werden.» Unter diesem Link gibt’s die ganze Info im Wortlaut.

Vertrieb und Kunden verärgert

Das Update des Veranstalters wurde in der Schweiz heute Morgen früh (in Deutschland gestern Abend nach Büroschluss) kommuniziert. Rita Murtezi, Direktorin Vertrieb bei der Thomas Cook Service AG in Pfäffikon SZ, liess aber schon gestern wissen, dass sie derzeit keine auftragsbezogenen Auskünfte erteilen darf bzw. kann.

In sozialen Medien wächst derweil der Unmut über die mangelhafte Information. Da wie oben beschrieben Thomas Cook selber noch nicht weiss, was nach dem 14. Oktober passiert, ist die Verunsicherung bei Kunden und damit auch im Vertrieb gross. In Facebook-Gruppen wird über alle möglichen Problemen und Themen heiss diskutiert. Werden bei gemischten Buchungen (Flug von Airline XY/Hotel von Thomas Cook) auch die Flüge annulliert oder nicht? Soll man abwarten oder bereits neu buchen? Klare Vorgaben fehlen - was allerdings nicht wirklich überraschend ist bei einer Pleite einer solchen Dimension.

Dann ist auch die Unsicherheit zu Condor noch nicht ganz verflogen. Die Zusicherung des Kredits von 380 Millionen Euro ist ja noch abhängig von der Zusage der EU-Kommisson. Erfreulich, dass Condor fliegt, aber falls das EU-Kartellamt die Zuschüsse aus öffentlicher Hand als illegal erklärt, also verbietet und Condor auch die Flüge einstellen muss, wird das Problem nochmals eine ganz andere Dimension annehmen. Dann könnte beispielsweise auch DER Touristik ins Schlingern kommen: Der Konzern ist einer der grössten Condor-Kunden und bei einer Condor-Pleite liesse sich kurzerhand nicht einfach eine Alternative finden.

Es wurde bei der Versicherung gespart…

An sich ist die Rechtslage klar: Wer eine Pauschalreise gebucht hat, kann mit dem Sicherungsschein (auf der Reisebestätigung/Rechnung) an den Insolvenzversicherer Zurich Versicherungen bzw. deren beauftragten Dienstleister KAERA wenden. Diese bietet unter diesem Link alle wesentlichen Infos.

Inzwischen häufen sich aber die Anfragen von Individualreisenden bei den Versicherungen. Wie man aus Versicherungskreisen hört, gibt es zahlreiche Anfragen bei der Zurich Versicherung hier in der Schweiz, und zwar von Personen, welche ihre Reise auf eigene Faust gebucht haben. Problematisch ist hier der Umstand, dass wer online bei Thomas Cook bucht, dies über deren deutsche Website tut. In wessen Zuständigkeit fällt dies nun? Obwohl die Zurich in der Schweiz nichts mit der Sache zu tun hat, sieht sie sich nun auch damit konfrontiert, Fragen beantworten und rechtliche Abklärungen vortreffen zu müssen. Und es stellt sich heraus, dass es eben immer noch sehr viele Reisende gibt, welche bei der Versicherung sparen und nun händeringend an unterschiedlichsten Orten ihr Geld wieder einzutreiben versuchen.

Noch was zu den Versicherungen: Die Versicherungssumme bei Zurich in Deutschland ist bei 110 Millionen Euro gedeckelt. Man muss kein Mathematikgenie sein um zu realisieren, dass die Rückführung von 140‘000 Kunden, Ausfallansprüche gebuchter Kunden und vieles mehr den genannten Betrag wohl deutlich übersteigen werden. Bleibt die Frage, wer letztlich in die Röhre gucken muss.

Die Topmanager sollen zur Kasse gebeten werden

Der britische Transportminister Grant Shapps hat sich öffentlich dafür geäussert, dass die Boni der Topmanager von Thomas Cook entweder beschlagnahmt werden oder diesen künftig ein Führungsjob verwehrt bleiben soll. Dies, nachdem bekannt wurde, dass in den letzten fünf Jahren über 10 Millionen Pfund an Boni ausbezahlt worden waren. Ob dies rechtlich praktikabel ist, sei mal dahingestellt: Der Grossteil der Boni, welche CEO Peter Fankhauser und weitere Topmanager ausbezahlt erhalten haben, wurde ohnehin in Aktien ausgeschüttet. Diese sind inzwischen nichts mehr wert.

Eines ist in diesem Zusammenhang noch interessant: Shapps hat angekündigt, dass die Regierung nun die Airline-Insolvenzfälle dezidierter angehen will. Bereits beim Kollaps von Monarch war darüber diskutiert worden, doch nur wenig geschah. Jetzt, wo der britische Steuerzahler wieder Millionen für Flugleistungen allein für die Rückführung gestrandeter Passagiere berappen muss, ist die Politik selber unter Druck geraten. Es geht darum zu wissen, ob und wie Airlines bei einem Bankrott zumindest temporär noch in der Luft gehalten werden können – und was Airlines hierzu selber beitragen könnten, im Sinne einer Versicherung oder Abgabe.

Und der Augenzwinker zum Abschluss. Thomas-Cook-CEO Peter Fankhauser referierte noch im Mai dieses Jahres an der HSG St. Gallen zum Thema «From Disrupted to Disruptor - Das Reisegeschäft neu erfinden». Die Vorlesung sollte aufzeigen, wie Thomas Cook sich repositioniert und die Pauschalreise «neu definiert» hat...

(JCR)