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Meersicht-Gründer Marco Wipfli zu den Besonderheiten der östlichen Adria: «Kroatien bietet eine einzigartige Inselwelt und traumhafte Küstenstädte, Albanien und Kosovo ein unberührtes Hinterland, Montenegro etabliert sich gerade als Luxusdestination.» Bild: TN

Marco Wipfli, ist der Balkan das neue Mallorca?

Silvia Schaub

Vor zweieinhalb Jahren hat Marco Wipfli mit Meersicht eine boomende Nische besetzt. Im Interview äussert er sich zur Entwicklung der östlichen Adria und nennt seine Geheimtipps.

Herr Wipfli, lange hatten Schweizer Reisende die Länder in der östlichen Adria nicht auf dem Radar. Nun wollen plötzlich alle hin. Wie erklären Sie sich diesen Wandel?

Marco Wipfli: Die Ex-jugoslawischen Länder litten in der Schweiz lange unter einem Imageproblem, vermutlich eine Folge der starken Einwanderung aus dem Balkan. Andere Europäer, Amerikaner und Australier sahen das Reiseziel Ex-Jugoslawien entspannter. Kroatien zum Beispiel boomt schon seit mehr als 10 Jahren. Doch die Schweizer wussten lange nicht mal genau, wo Kroatien liegt. Für sie war es einfach Jugo-Land. Nun aber entdecken sie, dass diese Länder überaus viel zu bieten haben.

Kroatien gilt heute bereits als übersättigt und kämpft teilweise mit dem Massentourismus.

Das sind lediglich ein paar Hotspots wie Dubrovnik oder Split, die tagsüber von den Passagieren von Kreuzfahrtschiffen überschwemmt werden. Morgens und abends ist es aber kein Problem, diese Städte zu besuchen. Daneben hat es der ganzen Küste entlang wunderbare Städtchen und Hunderte von Inseln, wo man immer ein ruhiges Plätzchen findet. Und zurzeit noch völlig unbekannt und kaum besucht sind die beiden Naturparks Lonjske Polje und Kopacki Rit im Hinterland von Kroatien. Spanien besteht auch nicht nur aus Barcelona und Mallorca!

Wo liegen die Reize der östlichen Adria?

Jedes Land hat seine Besonderheiten: Kroatien bietet eine einzigartige Inselwelt, traumhafte Küstenstädte und eine einzigartige intakte Natur, Albanien und Kosovo ein unberührtes Hinterland, Montenegro etabliert sich gerade als Luxusdestination und eröffnet reihenweise Fünfsterne-Hotels. Die Strassen sind gut, teilweise sogar besser als vielerorts in Europa. Die Länder sind sauber und sehr sicher. Dazu kommt das gute Essen mit zahlreichen Einflüssen: im Norden aus der K&K-Zeit und von Italien, im Inland mit slawischem Einfluss und im Süden aus dem Osmanischen Reich und Griechenland.

Albanien wird direkt aus der Schweiz angeflogen und ist gut gebucht. Kann die Infrastruktur mit dieser Nachfrage mithalten?

Die Hotels, welche wir anbieten, sind meistens top. Aber die Dienstleistung steckt oft noch in den Kinderschuhen. Der Albanienreisende benötigt noch einen grossen Koffer gepackt mit Toleranz, Offenheit für Neues und einer Portion Pioniergeist. Doch die Menschen machen das mit ihrer Freundlichkeit wieder wett. Auch dank dem günstigen Preis-Niveau ist Albanien bei uns mit einem 20 Prozent-Anteil hinter Kroatien bereits die Nummer 2.

Welche Balkanländer gilt es touristisch noch zu entdecken?

Es gibt in jedem Land noch Regionen, die unentdeckt sind. Was in der Schweiz viel zu wenig Anerkennung bekommt, ist Slowenien – das einzige Land Europas, das die Alpen, das Mittelmeer und die Pannonische Ebene umfasst. Meine grösste Überraschung in den letzten Jahren ist der Kosovo. Das Land hat immer noch ein schlechtes Image in der Schweiz. Auch wenn es keinen Meeresanschluss hat, lohnt es sich dorthin zu reisen. Ich fühle mich in der grünen Hügellandschaft manchmal wie im Appenzell. Im nächsten Jahr werden wir die Destination im Katalog mit Mietwagenrundreisen und für Aktivferien aufnehmen.

«Ab nächstem Jahr werden wir acht Länder anbieten»

Welche Art von Gästen zieht es in die östliche Adria?

Die Länder bieten für jeden Gusto etwas. Je nach Land sind es eher Familien wie etwa in Kroatien oder Albanien. Die Naturliebhaber bevorzugen Montenegro, Bosnien-Herzegowina oder Kosovo. Aber auch Partygäste zieht es zum Beispiel nach Kroatien. Die Insel Pag etabliert sich zum Partymekka Europas.

Muss der Balkan damit rechnen, bald zum neuen Mallorca zu werden?

Nein, definitiv nicht. Es hat dort erstens viel weniger Hotelbetten und zweitens eine andere Hotelinfrastruktur. Zum Beispiel dürfen in Kroatien am Meer keine neuen Hotels gebaut werden. Zudem werden vor allem kleinere Boutique-Hotels eröffnet und die alten Hotels aus der Zeit des Sozialismus auf hohem Niveau umgebaut.

Wieso sind Sie eigentlich nach einem Abstecher ins Brauerei-Business wieder in die Reisebranche zurückgekehrt?

Obwohl mich die Aufgabe als Geschäftsführer der LägereBräu AG in Wettingen sehr fasziniert hat, habe ich das Reisen vermisst. Der Hauptgrund jedoch war, weil Kuoni die Tätigkeit von adria365 einstellte. Ich sehe in der östlichen Adria nach wie vor viel Potenzial, was sich jetzt auch mit dem Boom bestätigt. Also übernahm ich einen Teil der Mitarbeiter und stieg mit «Meersicht» wieder ein. Wir sind der einzige Spezialist für die ganze Region. Besonders wenn man länderübergreifend unterwegs sein will, ist das ein Vorteil. Ab nächstem Jahr werden wir 8 Länder anbieten. Und: Wir kennen diese alle in- und auswendig und sind vor Ort bestens vernetzt.