Reiseanbieter

Hinten: Deborah Scheller, Florence Zimmermann, Rachel Weber, Simon Schnellmann, Alain Zanolari, Claudia Züger, Elmar Huwiler, Thomas Bötschi, Alex Kuratle und Silvio Rimoldi; vorne: Angela Christen, Silvie Heiniger, Nadine Mayer, Selina Hänggi, Jenny Schnellmann, Nadja Kalt, Thomas Pesut und Tobias Schneider. Es fehlen: Tanja Meienberg, Carole Tschanz, Ursina Mühlematter, Astrid Huber, Nicole Glocker, Chantal Beeli, Livia Schiess, Tanja Rybin, Robin Rybin und Thomas Halvorsen. Bild: TWW

Die Paradiesvögel im Höhenflug

Gregor Waser

Während die führenden Schweizer Veranstalter in den letzten 10 Jahren einen Drittel ihres Umsatzes einbüssten, wächst das Zürcher Reisebüro Travel Worldwide munter weiter. Wie machen die das?

Späterer Nachmittag, es herrscht reger Betrieb in der Küche des Reisebüros Travel Worldwide im Zürcher Oberdorf. Einige Reiseberaterinnen und -berater gesellen sich zum Interview, plaudern mit, ein erstes kaltes Bier fliesst durch den Zapfhahn. Die lockere Atmosphäre ist die einer WG.

Eine Party bricht aber nicht aus, bald ist schon wieder emsiges Arbeiten angesagt. Wir sitzen nun zu dritt zusammen, Firmengründer Simon Schnellmann und Marketingchef Tobias Schneider blicken auf das aktuelle Geschehen der 11 Jahre alten Firma und auf die Entwicklungen in der Reisewelt.

«Wir sind Fernreise-Spezialisten, die die einzelnen Destinationen in und auswendig kennen», bringt Schnellmann die DNA der Firma auf den Punkt. Von 26 auf 31 Millionen ist der Jahresumsatz im Jahr 2018 angestiegen. Ebenfalls auf 31 gestiegen ist die Anzahl Mitarbeitende. 25 von ihnen sind ausschliesslich in der Reiseberatung tätig – und jede und jeder hat sein geografisches Fachgebiet. Firmenchef Schnellmann selber arbeitet in der Asien-Abteilung und sagt: «Wir können dem Kunden genau sagen, wann er in Koh Phangan die Fähre nehmen muss, um in Koh Samui den Bangkok-Flug nicht zu verpassen.»

Der Traveller, der nur den Billigflug sucht, findet man bei Travel Worldwide nicht; vielmehr die kaufkräftige Familie mit zwei Kindern, die sich drei Wochen Nordamerika oder Südthailand leistet mit allem Drumherum. 11'000 Franken beträgt der durchschnittliche Dossierwert einer Buchung bei Travel Worldwide, der Fluganteil liegt unter 25 Prozent. Im Vergleich dazu: bei einem Reiseveranstalter wie Hotelplan Suisse mit starkem Badeferien-Standbein beläuft sich der Durchschnittsumsatz pro Person über alle Marken hinweg auf rund 1400 Franken.

Reiseberatung auf Augenhöhe

Kundschaft aus dem wohlsituierten Zollikon bei dieser lockeren Bande im Zürcher Oberdorf? Passt das? «Klar dürften einige Kunden überrascht sein, wenn sie schon bald mal mit du angesprochen werden. Doch uns ist es wichtig, auf Augenhöhe zu beraten», sagt Tobias Schneider. Hier werde auch zwischen Kunde und Berater viel gelacht und kollegial geplaudert. Dies sei auch sein erster Eindruck gewesen, als er hier vor vier Jahren einstieg und die Marketingbelange übernahm.

Simon Schnellmann (Gründer von Travel Worldwide, links) und Tobias Schneider (Leiter Marketing und Kommunikation) im ersten des mittlerweile vierstöckigen Reisebüros an der Zürcher Kirchgasse 22.

Im März dieses Jahres hätten sie wie ein Grossteil der Schweizer Reisebranche auch eine Delle gespürt. «Klar fragen wir uns, ob sich die Klimadiskussion auf das Reiseverhalten auswirkt. Unsere Kunden sitzen ausschliesslich im Flugzeug», sagt Simon Schnellmann. «Ich persönlich finde die Diskussion aber gut. Ich würde es begrüssen, wenn Flugreisen wieder so viel kosten wie früher.» Vielleicht wäre dies beim Umsatz spürbar, räumt er aus Firmensicht ein, «doch unter dem Strich könnte es auch für uns gut sein, wenn die Leute weniger, dafür länger reisen.» Mittlerweile, mit einem guten Mai und Juni, liegt Travel Worldwide wieder auf Vorjahresniveau – «was uns bereits sehr zufriedenstellt», sagt Schnellmann mit dem Verweis auf den letztjährigen top Umsatz, den es zunächst mal zu halten gelte.

Das letztjährige Glanzergebnis bewog die Crew, auch noch den 4. Stock an der Kirchgasse 22 hinzuzumieten - mit der Option auf weitere Mitarbeiter. Vorerst ist dieser oberste Stock samt Terrassenblick über die Zürcher Altstadt noch leer. Die Suche nach Untermieter läuft. Die Option auf weiteren Ausbau ist on hold.

Gegenläufige Entwicklung

Dass Travel Worldwide innerhalb zehn Jahren so schnell auf 31 Millionen Franken Umsatz angewachsen ist, erstaunt zwar beim Blick auf die Zahlen des Flughafens Zürich nicht. Schliesslich verzeichnete der Flughafen Zürich im Jahr 2006 erst 19 Millionen Passagiere und im Jahr 2018 waren es bereits stolze 31 Millionen Passagiere. Doch während sich die Passagierzahl am Flughafen Zürich fast verdoppelte, ist der Umsatz der beiden führenden Schweizer Reiseveranstalter in den letzten 10 bis 12 Jahren um mehr als ein Drittel gesunken, von rund einer Milliarde Franken auf noch 653 Millionen (DER Touristik Suisse/Kuoni) respektive 601 Millionen Franken (Hotelplan Suisse).

Klar gilt es anzufügen: das Passagierwachstum am Flughafen Zürich ist stark geprägt von billigen Europa-Flügen und Umsteigepassagieren. Und klar: die top TOs haben vor allem im Badeferiengeschäft grosse Anteile verloren – nach Deutschland, ins Internet oder Richtung Schweizer Hitzesommer. Doch die Frage bleibt: wieso sind bei Fernreise-Zielen die Schweizer top TOs nicht gewachsen oder haben höchstens stagniert? Schliesslich grassiert das Fernreise-Fieber in der Schweiz anhaltend.

Beim Besuch bei Travel Worldwide, dem Paradiesvogel unter den Schweizer Reisebüros, fallen drei entscheidende Komponenten auf. Erstens die bereits erwähnte konsequente Spezialisierung der Mitarbeitenden; jeder hat sein Stammgebiet und bereist dieses immer wieder. Die Glaubwürdigkeit im Beratungsgespräch ist dank Detailkenntnissen sehr hoch. Hier muss der Reiseberater neben den Fährverbindungen in Costa Rica nicht auch noch die Badeferienhotels von Kreta kennen.

Total 23 Domains

Der zweite Aspekt: Travel Worldwide hat von der Geburtsstunde an konsequent auf Suchmaschinen-Marketing gesetzt. Mitgründer Christian Trachsel, der ehemalige Inhaber von Indi, Tropic und Soley Tours, hat sich in den Nuller-Jahren auf Google Adwords, die heissen heute GoogleAds, spezialisiert. Und dieses Know-how floss genauso in die DNA von Travel Worldwide ein.

Oder genauer gesagt, in die total 23 Domains der Firma. Denn travelworldwide.ch wird als Brand gar nicht wahrgenommen, sondern jeweils eine der URLs wie travelafrica.ch, travelkaribik.ch, travelsouthamerica.ch oder travelmaldives.ch. Wer nun auf Google zum Beispiel «Thailand Ferien» eingibt, stösst auf travelasia.ch als dritte Anzeige und als zweites organisches Ergebnis. Bei der Suche «Seychellen Reisen» taucht travelseychelles.ch zuoberst auf.

«Die GoogleAds-Kosten sind in den letzten Jahren massiv angestiegen», beschreibt Tobias Schneider die Schlacht um Keywords, die bei Google durch ein Auktionsverfahren festgelegt werden. Auf zwei bis drei Franken beläuft sich etwa der Klick auf «Thailand Ferien». Da läppert sich einiges an Kosten zusammen. Gleichwohl generiert Travel Worldwide so aber schweizweit einen enormen Traffic. Und um den Traffic einzufangen, ist dann eben auch die Seriosität der einzelnen Websites mit der prominenten Vorstellung des kompetenten Teams entscheidend. Weiter gilt es zu sagen: nach 11 Jahren im Markt stammt jede zweite Buchung von einem Kunden, der bereits einmal mit Travel Worldwide unterwegs war, was unter dem Strich die Marketingkosten entlastet.

Ein dritter Erfolgsaspekt: das Lohnniveau, der Arbeitsort und das Arbeitsklima. Die Reiseberater verdienen hier je nach Berufserfahrung zwischen 5500 und 7000 Franken, rund 1000 Franken mehr als im Branchenschnitt. Der Arbeitsort im Zürcher Oberdorf ist genauso ein Plus wie zahlreiche Goodies, etwa die Unterstützung bei Privatreisen oder das Benutzen der Sonnenterrasse bei Bedarf.

Top Kommissionen auf sicher

Interessant auch: Travel Worldwide ist ein reiner Retailer. Von irgendwelchem Gebastel als Micro-Touroperator und der Zusammenstellung von Einzelleistungen sieht die Firma ab. Es wird konsequent mit den Touroperators zusammengearbeitet, die TTS-Spezialisten spielen dabei eine grosse Rolle, die drei grossen TOs DER Touristik Suisse, Hotelplan Suisse und TUI Suisse folgen. Travel Worldwide verfügt bei allen über die top Kommissionsstufe.

Und wie sieht denn die Zukunft aus? Ist gar ein Verkauf ein Thema? Simon Schnellmann sagt dazu: «Wir haben schon Gespräche mit Interessenten geführt. Doch der Kaufpreis war zu niedrig. Denn wir stehen erst seit vier Jahren in der Gewinnzone und möchten diese in den nächsten Jahren noch deutlich steigern – entsprechend dürfte sich der Kaufpreis noch entwickeln.» Andererseits, räumt der 40-Prozent-Eigentümer ein: «Ich bin erst 46. Was sollte ich nach einem Verkauf tun? Neu anfangen? Nein. Hier fühlen wir uns wohl und im Element – und haben noch eine schöne Entwicklung vor uns.»

Auf der Terrasse des neu dazugemieteten 4. Stocks: Simon Schnellmann, Tobias Scheider und das Travel-Worldwide-Team haben noch viel vor.