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Rund 80 Teilnehmer folgten der hitzigen Diskussion zum Thema Massentourismus, von links: Vanessa Bay (STC-Vorstandsmitglied), André Lüthi (CEO Globetrotter Group), Dieter Zümpel (CEO DER Touristik Suisse), Pascal Wieser (Geschäftsleiter Vögele Reisen) und Martin Hoch (STC-Vorstandsmitglied). Bild: TN

Overtourism: Die Reiseveranstalter sind gefordert

Nadine Billeter

André Lüthi (Globetrotter Group), Pascal Wieser (Vögele Reisen) und Dieter Zümpel (DER Touristik Suisse) standen an der gestrigen STC-Podiumsdiskussion zum Thema «Overtourism» Rede und Antwort. Die Augen vor dem Problem des Massentourismus verschliessen? Dies können sich die grossen Schweizer Reiseveranstalter nicht erlauben.

«Wir sind drauf und dran das zu zerstören, was unsere Leidenschaft ist», mit diesen Worten eröffnete Vanessay Bay, Vorstandsmitglied des Swiss Travelwriters Clubs (STC), die gestrige Podiumsdiskussion zum Thema «Overtourism». Rund 80 STC-Mitglieder versammelten sich im Swissôtel am Bahnhof Oerlikon, um der Diskussion zwischen drei grossen Reiseveranstaltern gespannt zu folgen. Die Expertenrunde war mit André Lüthi, CEO Globetrotter Group, Pascal Wieser, Geschäftsleiter Vögele Reisen, und Dieter Zümpel, CEO DER Touristik Suisse, gut aufgestellt. Moderiert wurde die Veranstaltung von den STC-Vorstandsmitgliedern Vanessa Bay und Martin Hoch.

Massentourismus – Wir alle leisten unseren Beitrag

Als im Jahr 1950 der Boom des Reisens losging, wird von rund 25 Millionen Auslandsreisen geredet. Ganz andere Dimensionen zeigen sich im Jahr 2018: Stolze 1,4 Milliarden Auslandsreisen hat die Weltbevölkerung hingelegt. Dass die Schweizer Meister im Reisen sind, zeigt sich deutlich: 16 Millionen Mal reisten die Schweizer 2018 ins Ausland.

Wie weit reicht die Verantwortung der Reiseveranstalter?

Zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit – Die Reiseveranstalter haben kein einfaches Los gezogen. Die Augen vor dem Problem des Massentourismus zu verschliessen, kommt nicht in Frage. Da sind sich die drei Experten einig. Doch der Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie wird in dieser Podiumsdiskussion klar ersichtlich. Schlussendlich bildet das Verkaufen von Reisen das tägliche Geschäft eines Reiseveranstalters und sorgt dafür, dass am Ende des Monats die Löhne bezahlt werden können. Dennoch muss ein Touroperator seine Verantwortung ebenso wahrnehmen und handeln.

André Lüthi ist davon überzeugt, dass mit der Steuerung der Beratung bereits sehr viel erreicht werden kann: «Ich glaube an die Vernunft der Menschen. Wir hier sind Influencer und können ihnen neue Möglichkeiten eröffnen.» Ein Reiseberater kann den Kunden beispielsweise auf die Touristenmassen auf dem Machu Picchu und die langen Wartezeiten aufmerksam machen. Oder während der Beratung den Vorschlag einer längeren Reise statt fünf Kurzreisen bringen. Aber schlussendlich entscheidet der Kunde selbst – dessen ist sich André Lüthi bewusst.

Pascal Wieser sieht durchaus auch positive Aspekte der touristischen Hotspots: «Vielleicht sollten wir die Massen an den Hotspots lassen – sonst haben wir sie auf den guten Routen.» Jeder Reisende unterscheidet sich in seinen Präferenzen: Einige reisen nur abseits der Touristenpfade und andere wollen die Attraktionen sehen, die die gesamte Menschheit sehen will. «Attraktionen sind nicht umsonst Attraktionen», fügte Pascal Wieser hinzu. Deshalb ist es schier ein Ding der Unmöglichkeit als grosser Veranstalter auf das Angebot von touristischen Highlights zu verzichten. Hier wird ein weiterer Konflikt deutlich sichtbar: Die Erfüllung der Kundenwünsche muss die Priorität eines Reiseveranstalters bleiben.

Dieser Meinung ist auch Dieter Zümpel: Schlussendlich muss ein Unternehmen Gewinn erzielen und dies tut ein Reiseveranstalter mit dem Verkauf von Reisen. «Ich verkaufe gerne einem Kunden drei Tage Rom – ich bin froh, wenn wieder einmal so einer ins Reisebüro kommt», antwortete Dieter Zümpel auf die Frage, ob im Reisebüro von einer 3-tägigen Reise nach Rom abgeraten werden sollte. Er vergleicht das Reisegeschäft mit der Fleischindustrie, die bekanntlich schädlicher für die Umwelt ist als die Tourismusbranche: Ein Metzger rät seinen Kunden auch nicht vom Fleischkauf ab oder empfiehlt eine Hähnchenbrust, die weniger CO2 verursacht als ein Rindsfilet. Nichtsdestotrotz verliess Dieter Zümpel die Runde mit angeregten Gedanken und fühlt sich im Entscheid, das Thema Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie von DER Touristik Suisse aufgenommen zu haben, bestärkt.