Reiseanbieter

Für junge Menschen ist das Reisen heute viel selbstverständlicher, als es noch früher war. Wie stehen Sie zu den grossen Herausforderungen in der Reisebranche? Wir haben bei einigen Branchen-Hoffnungsträgern nachgefragt. Bild: Tegan Mierle

Welche Gedanken machen sich junge Branchenprofis zu den Reise-Herausforderungen der Zukunft?

Jean-Claude Raemy

Wer morgen entscheidet, überlegt sich heute schon, was die Welt von morgen wesentlich beeinflusst. Wir bieten in unserer Jahresauftakt-Umfrage jungen Branchen-Hoffnungsträgern eine Plattform, um ihre Gedanken zu brisanten Branchenthemen zu äussern. Teil 1/2.

In den vergangenen Jahren haben wir zum Jahresauftakt jeweils CEOs oder gestandene Vertreter von Reisebüros, Reiseveranstaltern, Airlines und weiteren Berufsfeldern zu deren Meinung über aktuelle und zukünftige Herausforderungen befragt. Dieses Jahr gehen wir es anders an: Wir wollen wissen, was der Branchen-Nachwuchs denkt! Denn diese Personen sind es, welche die Schweizer Reisebranche in den kommenden Jahren lenken werden.

Wir haben deshalb mehrere junge Branchenprofis – entweder aktive oder vor kurzem diplomierte Studenten sowie junge, bereits berufstätige «Talente» bei den Top-3-Reiseveranstaltern – zu brisanten und zukunftsträchtigen aktuellen Herausforderungen wie Overtourism, neue Buchungslösungen und «Environment Social Governance» befragt. Dabei kamen interessante Antworten zurück, welche zeigen, wie intensiv und intelligent sich viele Junge heute mit diesen Problemstellungen befassen. Wir wollen Ihnen die Antworten in ganzer Länge bieten und haben deshalb die Umfrage zweigeteilt – heute lesen Sie die Antworten der «Hoffnungsträger» bei den Reiseveranstaltern, morgen kommen jene der Studenten.


«Ein Mix aus persönlicher Beratung und selbstständiger Erweiterung per Mobile wäre angemessen»

Jasmin Roth (23), Travel Consultant Kuoni Bärenplatz Bern, 2016 zum «SRV Young Talent» erkoren

Grosse IT-Unternehmen arbeiten an touristischen Buchungslösungen, welche Reise-Content aus der gesamten Wertschöpfungskette auf dem Mobile zugänglich, buchbar und individuell gestaltbar machen. Wie sollen sich Reiseveranstalter und Reisebüros mit dieser Problematik auseinandersetzen?

Jasmin Roth, Kuoni: Auf jeden Fall müssen die Reiseveranstalter sich der Modernisierung anpassen. Ein guter Mix aus persönlicher Beratung und selbstständiger Erweiterung per Mobile wäre angemessen: Die Kunden lassen sich bei uns im Reisebüro beraten, wir stellen die massgeschneiderte Reise zusammen und den Unterlagenversand sowie weitere Extras können die Kunden über unsere Reise-App vollziehen. Das Feedback holen wir mit einem Bewertungsbogen per Mobile ab und die Zusatzverkäufe wie Ausflüge und Mietwagen kann der Kunde bequem vor Ort über unser App buchen. Somit haben wir einen guten Mix, der Kunde fühlt sich wohl aufgehoben, kann jedoch auch vor Ort Zusatzleistungen buchen, welche von uns sicher überwacht werden.

Worin siehst Du die wesentlichen Gründe für das Phänomen des «Overtourism»?

Ein wesentlicher Grund sind sicher die Preise. Billigfluggesellschaften und Airbnb-Unterkünfte mit Tiefpreisen bieten allen die Möglichkeit, zu reisen. Ferien gehören heute zum Standard und gelten nicht mehr als Luxusgut. Ein weiterer Grund sind die vielen Social-Media-Posts. Dort werden die Destinationen gehyped und immer mehr Menschen möchten an diese Orte verreisen, weil die Bilder so toll aussehen.

Wie wird sich dieses Problem in den kommenden Jahren weiter entwickeln?

Ich denke, dass sich die Situation verschärfen wird und sich zuspitzt, wenn man jetzt nicht handelt. Durch den Overtourism gibt es mehr Menschen an den betroffenen Destinationen und durch diese werden nicht nur wichtige Beiträge zur lokalen Wertschöpfungskette, sondern auch mehr Lärm, Müll und Warteschlagen verursacht. Somit werden die Einwohner im äussersten Fall wütend und protestieren, gehen gegen die Touristen vor und sind nicht mehr freundlich zu ihnen.

Wie kann eine Destination das Overtourism-Problem denn loswerden oder zumindest entschärfen?

Es ist sicher schwierig, dafür Patentrezepte zu finden. Man kann die Situation jedoch Schritt für Schritt entschärfen, indem man eine maximale Touristenanzahl pro Tag festlegt, die Zufahrt von Kreuzfahrtschiffen in den Städten beschränkt oder kleinere Geheimtipps wie z.B. kleinere Städte/Dörfer anpreist, statt nur die Hauptsehenswürdigkeiten zu promoten. Eine weitere Variante wäre, dass man auf unbekannte Destinationen setzt und diese pusht. Somit gäbe es eine Umverteilung der Touristen und der Overtourism würde abnehmen.

ESG, also «Environment Social Governance», wird im Tourismus zunehmend wichtig. Ist aus Deiner Sicht ein Tourismus-Unternehmen primär seinen Aktionären verpflichtet, oder muss es sich auch der Natur und Nachhaltigkeit verpflichten?

Selbstverständlich ist man den Aktionären verpflichtet, ein gutes Ergebnis abzuliefern. Jedoch kann man aus diesem Zielkonflikt auch eine Zielharmonie machen. Wenn man als Unternehmung sich für Natur und Nachhaltigkeit einsetzt, stärkt dies das Image und das Gewissen. Die Kunden möchten bei einem Reiseveranstalter buchen, welcher sich für Nachhaltigkeit beim Reisen einsetzt, weil sie uns vertrauen und unsere Tätigkeiten gut finden. Wir haben dadurch eine Gewinnsteigerung, welche die Aktionäre zufrieden stellt. Somit haben wir eine Win-Win-Situation.


« Touristikunternehmen und Destinationen müssen gemeinsam einen Weg aus dem Overtourism finden»

Lara Brändli, Mitarbeiterin Retailer Sales, TUI Suisse (und 2018 ein «Young TUI Leader», also Mitglied einer Gruppe von 12 Nachwuchstalenten innerhalb der TUI Suisse, welche zusammen mit CEO Martin Wittwer aktuelle Themen des Unternehmens besprechen und erarbeiten).

Grosse IT-Unternehmen arbeiten an touristischen Buchungslösungen, welche Reise-Content aus der gesamten Wertschöpfungskette auf dem Mobile zugänglich, buchbar und individuell gestaltbar machen. Wie sollen sich Reiseveranstalter und Reisebüros mit dieser Problematik auseinandersetzen?

Lara Brändli, TUI Suisse: Einer der wichtigsten Punkte ist sicherlich, ein aktives CRM zu betreiben. Kunden müssen die individuelle Betreuung spüren und erkennen, was sie buchen wollen. Zudem sollten auch die Dienstleistungen digital gestaltet werden, beispielsweise mit WhatsApp Service, Chat-Service, wichtige Informationen via WhatsApp verschicken, App für Reiseunterlagen und so weiter. Ausserdem sind Reisebüros mit Katalogwänden und vollgestellten Schaufenstern in der heutigen Zeit nicht mehr attraktiv und wirken nicht modern – es muss ein Erlebnis geschaffen werden, so dass die Kunden weiterhin gerne ins Reisebüro kommen wollen.

Worin siehst Du die wesentlichen Gründe für das Phänomen des «Overtourism»?

Eine Kombination aus verschiedenen Faktoren: Zum einen das zu schnelle Wachstum und die Überforderung eines konzentrierten Tourismusortes. Wenn plötzlich sehr viele Menschen an diesem einen Ort sein wollen, wird viel gebaut, aber vielleicht nicht nachhaltig an die Zukunft gedacht. Ausserdem ist der Wohlstand unserer Weltbevölkerung und die günstigen Reisepreise ein weiterer Grund, warum viele Menschen an einem Ort Ferien machen, sowie natürlich die Digitalisierung. Ein Post von einem Influencer kann einen Ort weltberühmt machen, und der Tourismus konzentriert sich dann auf diesen einen Ort.

Wie wird sich dieses Problem in den kommenden Jahren weiter entwickeln?

Es ist wie ein Teufelskreis und schwierig da rauszukommen. Umso wichtiger finde ich, dass Tourismusunternehmen «Awareness» schaffen. Ich denke Touristikunternehmen möchten sich damit auseinandersetzen und eine Lösung für das Problem finden – jedoch glaube ich, dass es länger dauert, bis das Problem bei betroffenen Destinationen nachhaltig in den Griff bekommen wird. Man möchte ja auch nicht, dass es dann auf der anderen Seite wieder bergab geht. Meiner Meinung nach müssen Touristikunternehmen und Destinationen gemeinsam einen Weg finden, wie der Tourismus attraktiv und nachhaltig gestaltet werden kann.

Wie kann eine Destination das Overtourism-Problem loswerden oder zumindest entschärfen?

Durch die Verlagerung an andere Orte in der Umgebung, welche touristisch noch nicht so bekannt sind oder sogar eine Verlagerung hinsichtlich der Jahreszeiten – sofern das Klima es zulässt. Zudem könnte man auch in der Nebensaison attraktivere Angebote anbieten und richtig bewerben, damit Gäste zu einem anderen Zeitpunkt anreisen.

ESG, also «Environment Social Governance», wird im Tourismus zunehmend wichtig. Ist ein Tourismus-Unternehmen primär seinen Aktionären verpflichtet, oder muss es sich auch der Natur und Nachhaltigkeit verpflichten?

In der heutigen Zeit sehe ich die Nachhaltigkeit als wichtiger Faktor, über welchen auch die Aktionäre informiert werden sollen. Ein schönes Beispiel ist TUI, welche mit der Nachhaltigkeitsstrategie «better holidays, better world» und der eigenen TUI Care Foundation viel für die Nachhaltigkeit im Tourismus und in den Tourismusdestinationen selber macht und die Aktionäre auch darüber informiert und teilhaben lässt. So können alle TUI-Gäste die Projekte der TUI Care Foundation während den Ferien besuchen und selber sehen, was das Unternehmen für die Destination tut. Trotzdem ist die TUI attraktiv für die Shareholder und der Profit wird weiterhin in Aussicht gestellt. Ein Mittelmass, bei welchem der Profit nicht aus den Augen verloren wird und auch Tätigkeiten hinsichtlich der Nachhaltigkeit erfolgen, sehe ich als realistische Variante.


«Ich bin überzeugt, dass man als Unternehmen mit nachhaltigen Produkten ein neues Kundensegment dazugewinnen kann»

Claudia Gobeli, Hotelplan Suisse-Lernende im 3. Lehrjahr

Grosse IT-Unternehmen arbeiten an touristischen Buchungslösungen, welche Reise-Content aus der gesamten Wertschöpfungskette auf dem Mobile zugänglich, buchbar und individuell gestaltbar machen. Wie sollen sich Reiseveranstalter und Reisebüros mit dieser Problematik auseinandersetzen?

Claudia Gobeli, Hotelplan Suisse: Auch wenn die Digitalisierung weiter voranschreitet, bin ich überzeugt, dass die persönliche Beratung nach wie vor ein riesiger Pluspunkt ist. Zudem fühlen sich die Leute etwa in einer Krisensituation sicherlich wohler, wenn sie mit einer realen Person sprechen können. Trotzdem muss man als Unternehmen mit den neuen Entwicklungen Schritt halten. Klar ist, dass die Investitionen in die Digitalisierung sehr viel kosten. Hier muss man mutig sein. Aber wie Hotelplan Suisse in der Vergangenheit mehrmals bewiesen hat, sind wir in Sachen Digitalisierung vielen voraus.

Worin siehst Du die wesentlichen Gründe für das Phänomen des «Overtourism»?

Zum einen können sich immer mehr Leute das Reisen leisten. Meine Eltern zum Beispiel bezahlten in meinem Alter für Ferien ein Vermögen. Reisen war damals ein absolutes Luxusgut und ein Highlight – für uns ist es heute praktisch an der Tagesordnung. Zum anderen ist es so, dass Übernachtungsmöglichkeiten wie Airbnb ihren Teil dazu beitragen. Zudem erreichen viele Destinationen durch die Sozialen Medien eine riesige Bekanntheit und sind so omnipräsent. Es ist aber auch so, dass es heute dank der besseren Verbindungen sehr viel einfacher ist, irgendwo hinzukommen. Allgemein ist die Welt meiner Meinung nach viel internationaler geworden, was automatisch häufigere Aufenthalte im Ausland nach sich zieht.

Wie wird sich dieses Problem in den kommenden Jahren nach Deiner Einschätzung weiter entwickeln?

Ich denke, die Problematik wird in Zukunft nicht kleiner werden – eher das Gegenteil. Die Weltbevölkerung wird immer grösser und wie oben erwähnt, ist es heute eigentlich nichts mehr Aussergewöhnliches, in die Ferien zu gehen.

Wie kann eine Destination das Overtourism-Problem loswerden oder zumindest entschärfen?

Den Overtourism loswerden wird schwierig. Schliesslich haben alle das Recht, einen schönen Ort zu sehen. Entschärfen könnte man das Problem allenfalls durch höhere Reisepreise oder aber die Anzahl Unterkünfte reduzieren. Nur würde sich dann die Tourismusbranche ins eigene Fleisch schneiden.

ESG, also «Environment Social Governance», wird im Tourismus zunehmend wichtig. Ist ein Tourismus-Unternehmen primär seinen Aktionären verpflichtet, oder muss es sich auch der Natur und Nachhaltigkeit verpflichten?

Ich finde, es ist für ein Unternehmen aus der Tourismusbranche ein Muss, dass es sich nachhaltig engagiert – nur schon aus Imagegründen. Es ist aber auch klar, dass Reisen nun mal selten komplett nachhaltig sind. Hotelplan Suisse versucht hier mit verschiedenen Projekten zur Entschärfung beizutragen. Ich denke da zum Beispiel an die CO2-Kompensationen von Flugmeilen mit myclimate. Ich bin auch überzeugt, dass man als Unternehmen mit nachhaltigen Produkten ein neues Kundensegment dazu gewinnen kann. Gerade in meiner Generation und auch in meinem Umfeld ist Nachhaltigkeit ein grosses Thema. Personen, die nachhaltigkeitsaffin sind, sind auch bereit, etwas mehr zu bezahlen. Somit kann man einen höheren Gewinn erwirtschaften. Wobei man bemerken muss, dass ja zum Beispiel Travelife-zertifizierte Hotels keineswegs teurerer sind als andere. Das richtige Marketing spielt dabei auch eine grosse Rolle, weil man die Kunden natürlich auf die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen aufmerksam machen sollte. Mit Nachhaltigkeit kann man wohl oftmals nicht unbedingt direkt einen Gewinn erwirtschaften. Es geht aber darum, auch ein bisschen ein Vorbild zu sein. So gesehen ist es ziemlich schwierig, die Balance zu finden.


«In erster Linie braucht es die Dialogfähigkeit aller Tourismusplayer»

Béatrice Lehmann, Afrika Reisespezialistin & IST-Absolventin, Zingg Event Travel AG, Wettswil

Grosse IT-Unternehmen arbeiten an touristischen Buchungslösungen, welche Reise-Content aus der gesamten Wertschöpfungskette auf dem Mobile zugänglich, buchbar und individuell gestaltbar machen. Wie sollen sich Reiseveranstalter und Reisebüros mit dieser Problematik auseinandersetzen?

Béatrice Lehmann, Zingg Event Travel AG: Bereits heute und in Zukunft wird die sofortige Verfügbarkeit von Informationen eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Eine enge Verfolgung der Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung ist für Unternehmen in der heutigen Zeit unerlässlich. Unternehmen sollten sich selektiv für die für Sie relevanten Möglichkeiten unter Berücksichtigung ihrer möglichen Ressourcen entscheiden. In vielen Fällen ist man gut beraten, sich um seine Kernfähigkeiten zu kümmern und in anderen Bereichen mit Spezialisten zusammen zu arbeiten.

Worin siehst Du die wesentlichen Gründe für das Phänomen des «Overtourism»?

Aus Meiner Sicht ist dafür eine Mischung aus verschiedenen Bereichen verantwortlich. Auf der Nachfrageseite führen das allgemeine Bevölkerungswachstum, sowie der zunehmende Wohlstand generell zu mehr Reisenden und damit verbunden zu einem grösseren Anteil Erstreisenden. Letztere zieht es oftmals an die touristischen Hotspots. Auf der Angebotsseite hat in den letzten Jahren eine stetige Kapazitätsausweitung, im Bereich des Transports und der Beherbergung, Massen von zusätzlichen Reisenden in Bewegung gesetzt.

Wie wird sich dieses Problem in den kommenden Jahren nach Deiner Einschätzung weiter entwickeln?

Die UNWTO schätzt, dass die Anzahl Touristen Ankünfte bis ins Jahre 2030 auf 1,8 Milliarden steigen werden. Ohne Massnahmen wird sich das Phänomen «Overtourism» weiter verschärfen. Inwieweit sich das Problem durch verschiedene Massnahmen entschärfen lässt und welche Massnahmen-Kombinationen für die einzelnen Destinationen die erfolgreichsten sind, wird sich in der Zukunft zeigen. Ich hoffe, dass das Phänomen «Overtourism» für Destinationen, welche zum heutigen Zeitpunkt gefühlt noch nicht von «Overtourism» betroffen sind, eine gute Grundlage bildet, eine Nachhaltigkeitsoffensive zu starten und präventive Strategien auszuarbeiten.

Wie kann eine Destination das Overtourism-Problem loswerden oder zumindest entschärfen?

In erster Linie braucht es die Dialogfähigkeit aller Tourismusplayer. Ein politischer Dialog, um die individuellen Grenzwerte für die einzelnen Attraktionen und Bereiche, wie z.B. für die soziale und ökologische Tragfähigkeit etc., zu verhandeln und festzulegen, sollte idealerweise zwischen den Empfänger der negativen Effekten und den Profiteuren stattfinden. Spannend und überlegenswert finde ich die Möglichkeit, die Aufgaben des Marketings nicht nur auf die Begeisterung und Gewinnung der Kunden für eine Destination zu beschränken, sondern darüber hinaus mittels Werbebotschaften zu informieren und zu sensibilisieren. Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des Problems «Overtourism» besteht in der Kontingentierung der Besucher­eintritte. Hierfür spricht, dass sich diese Massnahme relativ schnell umsetzen lässt. Eine ebenfalls in Betracht zu ziehende Option ist eine Steuerung über den Preis, wodurch sich ein Teil des Problems möglicherweise von alleine lösen würde. Idealweise sollten die von den negativen Effekten Betroffenen durch einen Anteil des Gewinnes entschädigt werden, wodurch sich vermutlich die Akzeptanz der Gäste bei den Einheimischen verbessern lassen würde. Planerische Massnahmen, welche die Gäste auf weniger bekannte Attraktionen aufmerksam machen und umlenken, können eine weitere Lösungshilfe für das Problem sein.

ESG, also «Environment Social Governance», wird im Tourismus zunehmend wichtig. Ist ein Tourismus-Unternehmen primär seinen Aktionären verpflichtet, oder muss es sich auch der Natur und Nachhaltigkeit verpflichten?

Meiner Meinung nach sind Unternehmen nicht nur ihren Aktionären verpflichtet, sondern sollten auch für ökologische und sozial-gesellschaftliche Aspekte Verantwortung übernehmen. Eine intakte Natur und authentische Begegnungen sind sehr wichtige Ressourcen für einmalige Reiseerlebnisse und deshalb für eine nachhaltige Entwicklung der Unternehmen im Tourismus von zentraler Bedeutung. Wo Wert auf ökologische Aspekte und faire Arbeitsbedingungen gelegt wird, steigt in der Regel der Preis. In den letzten Jahren hat sich die Bereitschaft der Kunden etwas mehr für Produkte zu zahlen, die den Aspekten sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit in Bezug auf Natur und Umwelt, sowie Mitbestimmung der Mitarbeitenden, Rechnung tragen, positiv entwickelt. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung haben es jedoch freiwillige Massnahmen, meiner Meinung nach schwer, sich insbesondere in einem konkurrenzstarken Marktumfeld, in einer breiteren Masse durchzusetzen. In diesem Punkt spielen meines Erachtens auch die Regierungen eine wichtige Rolle, indem sie nicht nur einheitliche Rahmenbedingungen festlegen, sondern die Rechte und Pflichten auch durchsetzen. Wichtig ist zudem, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für dieses Thema weiter zu stärken und zu verankern, um auch das Potential der Nachfrageseite zu nutzen. Ich bin der Meinung, dass Erfolg im Markt und ökonomische und soziale Ethik nicht notwendigerweise Gegensätze bilden müssen, sondern dass sie insbesondere auf lange Sicht gesehen, wirtschaftliche Vorteile schaffen.