Reiseanbieter

Marcel Gsell von FAIR Reisegarant sieht keinen Sinn in der Forderung von André Lüthi nach einer einheitlichen Kundengeldabsicherungslösung. Bild: HO

Einwurf «Es gibt doch keine Monopolstellungen mehr!»

Jean-Claude Raemy/Marcel Gsell

Marcel Gsell, Mitglied der Verwaltung bei der Kundengeldabsicherungslösung FAIR Reisegarant, ist entsetzt über die Vision von Globetrotter-CEO André Lüthi hinsichtlich einer einheitlichen Kundengeldabsicherung für die Branche.

An der Generalversammlung des Schweizer Reise-Verbands (SRV) auf hoher See überraschte Globetrotter-CEO André Lüthi, Leiter der Fachgruppe Politik im SRV-Vorstand, die anwesenden Teilnehmer mit einem besonderen Votum: Demnach wünscht er sich eine einheitliche Kundengeldabsicherungslösung, da es aktuell in der Schweiz vier solche Lösungen gebe, was nicht im Sinne des Konsumenten sei. Travelnews-Leser konnten dies bereits Ende Oktober hier nachlesen. Lüthi provoziert bekanntlich gerne und seine Denkanstösse sind durchaus willkommene Diskussionsgrundlagen. In diesem Fall nun ist aber Marcel Gsell (Mitglied der Verwaltung bei FAIR Reisegarant) der Kragen geplatzt. Anbei sein Einwurf:


«André Lüthi hat vor einigen Wochen bereits für eine einheitliche Kundengeldabsicherung für die Reisebranche plädiert und diese Idee kürzlich nochmals öffentlich portiert. Ich halte diese «Vision» von André Lüthi für unüberlegt, um nicht zu sagen dramatisch. Wieso sollten wir für eine Versicherungslösung nur einen einzigen Anbieter haben? Wo gibt es denn noch derartige Monopolstellungen?

Ich sehe in einer solchen Einheits-Lösung nur Nachteile. Ein wesentliches Problem ist, dass nicht alle Reiseanbieter über einen Leisten geschlagen werden können. Es gibt grosse, mittlere, kleine und ganz kleine Reiseunternehmen, mit jeweils unterschiedlichen Bedürfnissen. Für diese Bedürfnisse muss es unterschiedliche Lösungen geben. FAIR Reisegarant kann keinen Kuoni in die Sicherung aufnehmen, dafür aber sehr wohl kleine Büros.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2016 gab es bereits drei Kundengeldabsicherungen – Garantiefonds, TPA und STS – und trotzdem waren zu jenem Zeitpunkt noch immer rund 650 Reiseunternehmen ohne Kundengeldabsicherung am Markt tätig, wie der SRV damals festhielt. Wir haben uns daran gemacht, auch für sehr kleine Reiseunternehmen eine Lösung zu bieten. Wir konnten einige Kunden gewinnen – zum Beispiel auch einen Fotografen, welcher 2-3 Mal pro Jahr eine Fotoreise mit Kunden unternimmt und deren Gelder absichern will. Das ist kein Reiseunternehmen und erzeugt einen Reiseumsatz von weit unter einer Million Franken, aber es ist ein seriöses Unternehmen, welches Kundengelder im Rahmen einer Reisedienstleistung absichern will. So einer käme bei einer anderen Lösung nicht unter. Und auch trotz FAIR Reisegarant gibt es immer noch an die 600 Reise-Unternehmen, welche keine Kundengeldabsicherung haben. Die Einführung einer Einheits-Versicherung würde dieses Problem nicht lösen, sondern tendenziell doch eher wieder verschärfen.

«Die Einführung einer Einheits-Versicherung würde die Probleme tendenziell verschärfen.»

1994, als das Pauschalreisegesetz kam, wollte die Reisebranche nicht einfach zusehen oder dem Staat das Feld überlassen, und hat den Garantiefonds gegründet. Dieser wurde mit Unterstützung der grossen Veranstalter/Reisebüros, unter anderem von Globetrotter, aus der Taufe gehoben, und muss deshalb bis heute etwas die Kompatibilität zwischen Reiseveranstalter und Reisebüro berücksichtigen – da haben viele Reiseunternehmen keinen Platz. Ich will das auch gar nicht kritisieren: Nach meinem Dafürhalten darf es aber einfach nicht sein, dass alle Reiseunternehmen in Sachen Kundengeldabsicherung unter ein monopolistisches Dach gestellt werden. Wie ist es denn etwa mit Tauchshops? Soll es für diese nicht auch gangbare Sicherungslösungen geben, wonach diese bei organisierten Reisen eine Lösung bieten und somit auch dem Pauschalreisegesetz entsprechen?

Ausserdem wäre wohl zu befürchten, dass die Wettbewerbskommission eingreift. Kürzlich gab es ja Diskussionen hinsichtlich der Einführung einer einheitlichen Krankenkasse, quasi als staatlicher Institution, doch da sagte die Politik ganz klar Nein. Wieso sollte die Reisebranche jetzt ohne Not eine Vereinheitlichung der Kundengeldabsicherungen anstreben und so ein de-facto-Monopol schaffen, welches gar niemand verlangt hat?

Ich glaube also nicht, dass Lüthis Vision auch eine «Vision der Konsumenten» ist – und auch nicht eine Vision der Reisebranche. Aktuell wird ja im Rahmen der «Motion Markwalder» überlegt, welche Sanktionen künftig gegen Reiseunternehmen ergriffen werden, welche ihre Kundengelder nicht absichern. Wenn man den Reiseunternehmen aber gar keine Wahl mehr lässt bei der Kundengeldabsicherung - und viele Reiseunternehmen können sich eine Garantiefonds-Lösung schlicht nicht leisten – dann wird man viele kleine Unternehmen, welche oft seriös arbeiten, zwangsläufig zur Geschäftsaufgabe treiben. Das kann doch nicht im Interesse der Reisebranche bzw. der Schweizer Wirtschaft sein.»