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Individualreisen, bei denen nicht jeder Reiseabschnitt durchgeplant ist, sind zunehmend im Trend. Bild: Pixabay.

«Wir sehen keine Trend-Ziele, sondern einen Trend zu immer mehr Individualität»

Travelnews.ch wagt den Blick in die Kristallkugel und hat Reisebüros zu den Trend-Destinationen und den Herausforderungen im kommenden Jahr befragt.

Das Reisejahr 2019 steht in den Startlöchern. Welche Destinationen sind bei den Reisebüros und Veranstaltern aktuell am stärksten nachgefragt? Und welche Ziele halten die Touristiker persönlich für kommende Trend-Ziele und wo sehen sie die Herausforderungen für das eigene Unternehmen? Travelnews.ch hat bei einigen Reiseprofis nachgefragt.

Welche Destinationen sind bei Ihnen Stand heute für 2019 am stärksten nachgefragt?

Beat Künzler, Inhaber Reisebüro Arotur GmbH: Stark nachgefragt sind Kreuzfahrten im Mittelmeer und in der Karibik. Während der Sommermonate sind Badeferien beliebt und in den Herbstferien Ziele in Europa. Ausserdem laufen die Individualreisen in Nordamerika gut sowie Gruppenreisen von Vereinen für verlängerte Wochenenden in den Städten Europas.

Dominic Eckert, Managing Director von DreamTime Travel AG: Generell sehen die Vorausbuchungen für 2019 sehr gut aus. Besonders gut sieht es für Westaustralien aus. Ebenfalls gute Vorausbuchungszahlen haben wir für Namibia und Südafrika. In Südamerika vor allem für Patagonien.

Sylvie Müller, Mit-Inhaberin von All Ways Reisen: Der Trend zur kurzfristigen Ferienplanung bleibt. Naturgemäss sind dementsprechend momentan vor allem die klimatisch interessanten Destinationen in Südostasien, Indien und dem afrikanischen Kontinent gefragt. Thailand und Laos bleiben Spitzenreiter, gefolgt von Indien und Sri Lanka. Südamerika bleibt konstant, obwohl Kolumbien als starke Destination gilt, verzeichnen wir hier keine Steigerung.

Welche Reiseziele sehen Sie persönlich als Trend-Destinationen im kommenden Jahr?

Sylvie Müller von All Ways Reisen: Wir sehen keine Trend-Destinationen, sondern der Trend geht zu immer mehr Individualität. Da wir selber alle viel und oft reisen und diese Erfahrungen mit unserer Kundschaft teilen, wünscht auch diese viel Flexibilität mit zum Teil nicht geplanten Reiseabschnitten. Wir merken, dass sich die Kunden stark zunehmend mit den ökologischen Aspekten des Reisens auseinandersetzen und denken, dass hier kleine Veranstalter mit ausgewählten Produkten punkten können.

Beat Künzler vom Reisebüro Arotur: Der Trend geht zu Erlebnissen ohne Gruppenzwang. Wir spüren, dass die Kunden Abenteuer, Individualität und Selbstbestimmung suchen - dies jedoch kombiniert mit Komfort, so dass die wichtigsten Bausteine organisiert und kalkulierbar werden. Heisst: Keine fixen Tagesabläufe oder Gruppenreisen mit Reiseleitung, aber trotzdem sicher sein, dass die Kernleistungen bestätigt sind.

Im Trend bleiben sicher Kreuzfahrten - hier können kurzfristig bei Katastrophen oder Terror Routen angepasst werden, dies trägt dem stetig wachsenden Sicherheitsbedürfnis Rechnung. Aber auch Individualreisen durch Nordamerika und Australien/Neuseeland werden 2019 im Trend sein. Wie auch Badeferien in Griechenland: Bei unserer Kundschaft spüren wir das Bedürfnis nach «Kulturidentität». Die auswechselbaren und stark frequentierten Destinationen finden immer weniger Anklang. Auch bei Badeferien. Wir haben nach dem arabischen Frühling einen starken Trend Richtung Kanaren verzeichnet, dieser ist aber massiv zurückgegangen. Überrissene Preise für unmotivierte Leistungen und fehlendes Spanienfeeling sind die Ursache.

Dominic Eckert von DreamTime Travel: Kolumbien war in den letzten zwei bis drei Jahren besonders bei Jungen Reisenden und Backpackern sehr im Trend. Im 2019 wird das mittlere bis obere Segment nachziehen. Aber auch Zimbabwe wird nach langen Jahren mit vielen Problemen wieder erwachen und Afrika-Liebhaber und Liebhaberinnen anziehen. Generell im Trend liegt auch Australien, insbesondere Westaustralien. Das Northern Territory wird immer beliebter bei Familien. In den Sommerferien ist das eine sehr gute Alternative zu den vereinigten Staaten.

Wo sehen Sie allgemein die Herausforderungen für Ihr Reisebüro im neuen Jahr?

Reisebüro Arotur, Beat Künzler: Als Herausforderung sehen wir die nicht mehr vorhandene Partnerschaft mit Fluggesellschaften, man muss und darf alles gratis für die Airlines erledigen und dies weder für Entgelt noch für Wertschätzung. Ein weiterer Punkt ist der Preiszerfall: Um den selben Umsatz zu erwirtschaften, müssen massiv mehr Pax-Zahlen erreicht werden. Der Endpreis und somit die Marge pro Auftrag zerfallen förmlich. Und heute ist gutes und motiviertes Personal Mangelware. Die junge Generation sucht nach Lohn, Freitagen und Ferien. Doch das Bewusstsein des besten Jobs (wir perfektionieren die vier schönsten Wochen des Jahres) geht verloren. Die Kunden erleben teils eine richtige Reizüberflutung. Mailings, Flyers, Reisesendungen, Internet, Bewertungs- und Buchungsportale: Viele Reisende wissen gar nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht und worauf Verlass ist. Vor allem weil viel Widersprüchliches auf den Endkunden einprasselt.

Dominic Eckert von DreamTime Travel: Wir sind im Jahr 2018 stark gewachsen, für uns geht es im 2019 darum, das Wachstum zu konsolidieren und die Prozesse wo nötig anzupassen. Als Veranstalter ist die Fremdwährungsabsicherung eine stetige Herausforderung - auch im 2019. Mit den diversen europäischen und globalen Baustellen müssen wir davon ausgehen, dass es immer wieder zu starken Währungsschwankungen kommt. Auch das Thema Umweltbelastung durch den Flugverkehr wird sowohl auf der politischen Ebene als auch in der Gesellschaft generell verstärkt thematisiert – die Kritik wird grösser. Die Reisebranche generell – und wir als Fernreiseveranstalter insbesondere - sind gefordert, die Thematik offensiv anzugehen. Und 2019 schliessen wir ein grosses Digitalisierungsprojekt ab. Ab Anfang Jahr werden wir alle unsere Angebote, Reisedokumente etc. dem Kunden über eine digitale Plattform kommunizieren.

Sylvie Müller von All Ways Reisen: Die grösste Herausforderung bleibt, unsere Position zu stärken und den Kunden diesen Mehrwert zu kommunizieren. Zunehmend die jüngere Kundschaft findet es selbstverständlich, dass Wissen, Zeit und Beratung etwas kostet. Unsere grosse Stammkundschaft weiss unsere jahrzehntelange Reiseerfahrung, die Kundengeldabsicherung und die Unterstützung bei Notsituation vor Ort sehr zu schätzen. Für unser drei Personen umfassendes Retailer-Team bewährt sich die Mund-zu-Mund-Werbung am meisten. Ein online Vertrieb kommt für uns nicht in Frage, der persönliche Kontakt steht bei uns auch im 2019 im Vordergrund.

(LVE)