Reiseanbieter

Dank besserer Technologie werden Buchungsprozesse und Reiseerlebnisse verbessert: Hierbei sind Startups an vorderster Front dabei, weil grosse Reiseunternehmen länger brauchen, um ihre Prozesse und Strukturen anzupassen und neue Ideen zu integrieren. Bild: AdobeStock

Diese 5 Startups revolutionieren mit Technologie das Reiseerlebnis

Jean-Claude Raemy

Wie werden in Zukunft Reisen gebucht? Wer arbeitet schon jetzt an dieser Zukunft und hat Lösungen parat? Zahllose Startups widmen sich dieser Frage, und nicht alle überleben. Folgende fünf Unternehmen konnten jüngst Investmentgelder sichern oder einen Hype auslösen. Wir sagen warum.

Die Start-Up-Welt hat etwas Casino-haftes: Investoren setzen Geld auf Unternehmen, im Wissen, dass es einige nicht schaffen werden, aber stets mit der Hoffnung, dass man bei jenen, die es schaffen, den grossen Reibach machen kann. In der Reisewelt mangelt es nicht an guten Ideen: Online-Riesen wie Booking oder Expedia haben traditionelle Anbieter umsatzmässig längst überflügelt, und immer neue disruptive, Technologie-basierte Firmen wie Uber oder Airbnb schaffen in kurzer Zeit neue erfolgreiche Geschäftsformen. Das Problem für junge Startups liegt nicht nur darin, eine gute Idee zu haben, sondern diese auch erfolgreich zu vermarkten und überlebensfähig zu Machen – und vielleicht auch darin, nicht zu früh von einem der etablierten Riesen geschluckt zu werden. Dafür braucht es Kapital.

Wer schafft es, wer nicht? Wir haben fünf Unternehmen eruiert, die jüngst mit erfolgreichen Finanzierungsrunden und/oder mit überzeugenden Geschäftsmodellen von sich reden gemacht haben, und die mittlerweile nicht mehr nur in StartUp- und TechNerd-Kreisen, sondern immer mehr auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Journera

Der frühere Swissair-CEO Jeff Katz diskutierte schon letztes Jahr mit Travelnews.ch über sein neues Amt als CEO bei Journera. Das in Chicago beheimatete Reisesoftware-Unternehmen, im Jahr 2016 gegründet, vereint auf seiner Plattform die Daten zahlreicher Tourismusunternehmen und Airlines -  zum Beispiel American Airlines, Hilton Worldwide, Hyatt Hotels, InterContinental Hotels, Marriott oder United Airlines – mit dem Ziel, ein besseres und «nahtloses» Reise-Erlebnis bieten zu können. Oder anders ausgedrückt: Es geht darum, die Fragmentierung der Reiseindustrie zu überwinden und Kunden eine «seamless experience» zu ermöglichen: Bei einer Reise hat ja jedes involvierte Unternehmen nur einen Teil der Gesamtdaten des Reisenden zur Verfügung, aufgrund eben der Fragmentierung, aber auch aus Konkurrenz- oder Datensicherheits- Gründen.

Im Juli erhielt Journera 9 Millionen Dollar Investment-Geld (unter anderem von B Capital Group und Boston Consulting). Vor wenigen Tagen wurde überdies das Kernprodukt «Journey Flow» lanciert. Dies ermöglicht den freien Austausch von Informationen unter jenen Reiseunternehmen, welche bei der Reise einer bestimmten Person involviert sind. Wenn also zum Beispiel ein Flug gestrichen wird, muss der Reisende sich nicht mehr um die Annullierung der Hotelübernachtung am Zielort kümmern; das Hotel kann direkt aufgrund der neuen Reisedaten eine neue Reservierung vornehmen. Der Transfer kann sich ebenfalls auf die Real-Time-Flugdaten einstellen. Journera versichert, dass der Datenaustausch über diverse APIs modernsten Datensicherheits-Standards entspricht. Und Jeff Katz sieht in dieser Reiseform schlicht «die Zukunft des Reisens».

GoEuro

Vor wenigen Wochen erhielt GoEuro eine Finanzspritze in Höhe von 150 Millionen Euro. Cristina Steinbeck, Hauptaktionärin des schwedischen Investors Kinnevik AB, frühere Präsidentin von Zalando und VR-Mitglied bei Spotify, nimmt seitdem Einsitz im Board von GoEuro.

Das vor fünf Jahren in Berlin gegründete Unternehmen, ursprünglich ein Metasearcher, bietet auf der eigenen Plattform unterschiedlichsten Transportunternehmen Direktverkaufsmöglichkeiten an. Auf Goeuro können Reisende das Angebot von Bahnunternehmen, Fernbusbetreibern und Fluggesellschaften vergleichen und nach den besten Verbindungen suchen, und dies in 36 Ländern bei inzwischen 800 angebundenen Reiseunternehmen. Monatlich benutzen bereits über 27 Millionen Personen die GoEuro-Plattform, drei Viertel davon über ihr Mobile. Vor Kurzem hat GoEuro zudem den ersten Firmenkauf getätigt und den deutschen Transport-Aggregator BusRadar übernommen.

Hopper

Das Montrealer Unternehmen Hopper.com bezeichnet sich selber als die «am schnellsten wachsende Flugbuchungs-App». Warum? Weil Hopper nicht darauf ausgerichtet ist, eine Flugbuchung sofort zu realisieren, sondern den potenziellen Käufern in 70 Prozent der Fälle empfiehlt, den Flug noch nicht zu buchen. Hopper nutzt nämlich einen eigens entwickelten Algorithmus sowie Künstliche Intelligenz, um den bestmöglichen – sprich: günstigsten – Zeitpunkt für eine Flugbuchung vorherzusagen. Nutzer erhalten gar Push-Mitteilungen dazu, wann sie eine bestimmte Route am ehesten buchen sollen. Hopper soll in 95 Prozent der Fälle richtig liegen und somit pro Flugticket Ersparnisse von 50 Dollar und mehr ermöglichen – verdienen tut Hopper lediglich mit einer 5-Dollar-Gebühr pro vermitteltem Flug. Damit wurden 2017 bereits 15 Millionen Dollar Umsatz garniert.

Die 2015 gegründete Plattform hat bislang sehr erfolgreich zum Kampf gegen Expedia (den früheren Arbeitgeber von Hopper-Gründer Fred Lalonde) und Booking Holdings angesetzt. Die App gehört 2018 zu den Top-5-Downloads im Reisebereich in Nordamerika und wird inzwischen von 30 Millionen Personen genutzt – und während viele Reise-Apps innert einem Monat wieder gelöscht werden, kommen 50 Prozent des Hopper-Umsatzes von Repeatern. Im Oktober 2018 erhielt Hopper nun von Omers Ventures und bereits bestehenden Investoren (CitiGroup, Brightspark etc.) neu satte 100 Millionen US-Dollar frisches Kapital erhalten.

Evaneos

Das französische Unternehmen wurde vor neun Jahren gegründet und kann kaum mehr als Startup bezeichnet werden. Und doch setzt Evaneos erst jetzt zum richtigen Quantensprung an – im September wurden 70 Millionen Euro in einer Finanzierungsrunde hereingeholt. Was bietet Evaneos? Es appliziert als «Individualreise-Vermittler» das Airbnb-Prinzip auf die Reisewelt. Sprich, es nimmt die Wünsche von Kunden auf und vermittelt diese über die eigene Plattform an 1600 Agenten in 160 Ländern. Oder anders gesagt: Der Reisende wird direkt mit lokalen Agenten in Verbindung gesetzt und erhält von diesen massgeschneiderte Angebote. Die Gebühr, welche dafür Evaneos von den lokalen DMCs verlangt, liege deutlich unter jenen, welche klassische Reiseveranstalter einstreichen. Evaneos ist in neun Märkten in Europa present; in der Schweiz gibt es zumindest eine lokale Webpräsenz. Das aktuell vorrangige Ziel ist eine Expansion nach Nordamerika und damit verbunden natürlich der Anspruch, zu einem «global digital brand» zu avancieren.

In Frankreich ist Evaneos bereits profitabel, und seit 2009 sind bereits über 300’000 Kunden vermittelt worden. Insgesamt 5000 Aktivitäten und Touren sind verfügbar. Spannend ist, dass Evaneos auch bei Miles&More, dem Vielfliegerprogramm der Lufthansa Gruppe, angeschlossen ist. Und besonders erfreulich: Evaneos setzt stark auf Nachhaltigkeit. Fast drei Viertel des Reisepreises fliessen in die lokale Wirtschaft, weil auf teure Mittler verzichtet wird. Und bei der Auswahl der lokalen Reiseexperten achtet das Unternehmen auf deren ökologische und sozialverträgliche Ausrichtung. Nicht zuletzt kann die Vermittlung von Reisenden an Anbieter, welche etwas «off the beaten track» liegen, zum generellen Overtourism-Problem beitragen.

Kiwi

Das Startup Kiwi.com aus dem tschechischen Brünn wurde mit lediglich 1,5 Millionen Euro Startgeld im Jahr 2012 aus der Taufe gehoben – und hat seither über 6 Millionen Flugtickets verkauft und inzwischen über 2000 Angestellte. 2017 wurde bereits ein Brutto-Umsatz von 700 Millionen Euro erzielt, im aktuellen Jahr soll wiederum ein Wachstum von 25 Prozent erzielt werden, wodurch der Netto-Umsatz auf rund 175 Millionen Euro zu stehen käme. Kiwi.com ist eine Online Travel Agency, die sich auf Flugticketverkäufe spezialisiert hat. Ihr USP: Es werden Routen von 500 Airlines miteinander kombiniert, unabhängig davon, ob diese Partner sind. Es wird also ein «Virtual Interlining» angeboten (z.B. ein erster Flug mit Ryanair und dann ein weiterer mit Swiss), wobei laut Kiwi.com über 70 Prozent der bislang rund 1,5 Millionen Kunden ohne Gepäck fliegt, was die Sache natürlich einfacher macht. Die OTA-Giganten Expedia oder Booking bieten solches virtuelles Interlining nicht an. Darüber hinaus profitierte Kiwi.com davon, dass Ryanair in ihrem Kampf gegen Expedia & Co. stark auf das kleine Unternehmen setzte und dort gar exklusive Raten anbot.

Kiwi.com hat soeben an der aktuell noch stattfindenden Phocuswright-Konferenz in Los Angeles eine neue Plattform für Geschäftsreisen namens «Tequila» vorgestellt. Mitglieder, die sich für Tequila anmelden , haben vollen Zugriff auf alle Kiwi.com-Produkte , die sie als White-Label-Angebote für ihre Kunden verpacken können. Darüber hinaus bietet die neue Plattform Unternehmen weitere Funktionen, wie beispielsweise Zahlungsabwicklung, Betrugsprävention oder Kundenunterstützung. Was Kiwi.com noch nicht präsentieren konnte, sind grosse Geldgeber - weshalb nun die Stelle eines «Mergers & Acquisitions» Manager ausgeschrieben wurde.