Rail & Road

Die grosse Freiheit in Europa mit Interrail entdecken: Bei Jugendlichen weiterhin stark gefragt - aber auch immer mehr bei Familien oder Senioren. Bild: © SBB/CFF/FFS

Interrail erlebt derzeit ein regelrechtes Revival

Schon seit 45 Jahren lässt sich Europa bequem und günstig mit dem Zug entdecken. Das kultige Ticketangebot trotzt der Konkurrenz von Billiglfliegern und Fernbussen und liegt voll im Trend - und das längst nicht nur bei Jugendlichen.

Das Bahnangebot «Interrail» gibt es seit 1972. Ursprünglich war dies nur als zeitlich begrenztes Jubiläumsangebot für europäische Jugendliche unter 21 Jahren gedacht, aus Anlass der 50 Jahre des Internationalen Eisenbahnverbands – doch das Angebot war ein derartiger Erfolg, dass man das Angebot nicht nur beibehielt, sondern sukzessive auf andere Länder ausweitete. Heute ist Interrail für alle Altersgruppen zugänglich und in 30 europäischen Ländern gültig.

Und aktuell boomt die Nachfrage gewaltig. Bahnintern spricht man von einem «Revival», wobei bereits seit 2014 wachsende Zahlen verzeichnet werden. 2017 erfolgte gar ein Quantensprung: Getrieben von neuen Angeboten, etwa im Gotthardverkehr, konnte ein Anstieg von 30 Prozent bei der Nachfrage aus der Schweiz verzeichnet werden. Damit haben sich die Verkäufe an Interrail-Pässen in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt. Die kleine Schweiz ist längst der zweitgrösste Absatzmarkt für Interrail und auch für internationale Reisende als Zielland beliebt; die Schweiz steht auf Rang 5 der beliebtesten Interrail-Länder.

Diese Entwicklung ist umso interessanter, als man in jüngerer Vergangenheit immer wieder gehört hatte, dass Interrail unter der Konkurrenz von Low-Cost-Airlines und billigen Fernbuslinien leidet. Oder dass das Angebot an Nachtzügen reduziert wurde und heute mehr geplant werden muss, also nicht mehr die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit früherer Jahre möglich ist. Das zahlungskräftige Jugendsegment hat heute mehr Reise-Alternativen. Bei der Bahn will man dies auch gar nicht schönreden – die günstigen Kosten sind nicht mehr das primäre Argument für eine Interrail-Reise. Doch die aktuelle Nachfrage spricht ja für sich und zeigt, dass Interrail als Alternative zu Pauschalreisen und Billigfliegern den Zeitgeist der Schweizer trifft: «Die Zugreise ist wieder hip; man kommt direkt in die Städte, ist viel flexibler und freier und vor allem bietet Interrail ganz andere Möglichkeiten, mit Mitreisenden in Kontakt zu kommen und sich zu vernetzen», urteilt Doro Engels, Senior Marketing Managerin der SBB. Zum Aufschwung beigetragen hätten aber auch verstärkte Marketingaktivitäten sowie günstige Wechselkurse.

Die Marke «Interrail» ist wieder cool

Für viele Schweizer (und Europäer), welche ihre Jugend in den 70er bis 90er Jahren durchlebten, war Interrail eine Art Institution – eine günstige Möglichkeit, in die weite Welt aufzubrechen, Freiheit und Spontanität zu geniessen und Abenteuer zu erleben. Es war für viele ein erstes längeres Loslösen vom Elternhaus und eine Reise, die sich von den damals üblichen Strandferien in Rimini oder an der Costa Brava unterschied. Man kam weit herum und nahm dafür auch in Kauf, mal aus Kostengründen nachts im Zug zu übernachten, oder in schäbigen Bahnhofshotels. Kurz: Interrail war ein Lebensgefühl.

Und das ist es immer noch, auch wenn viele Interrail-Nutzer heute ihre Übernachtungen besser und bereits im Voraus planen und durch Internet und Smartphones auch nie mehr komplett losgelöst von der heimischen Welt sind. Heute, wo man auch günstig per Flugzeug an entlegene europäische Orte kommt, spielt die «Erfahrung der Reise» wieder die zentrale Rolle. Interrail ist wieder eine Art «Community», ein grenzüberschreitendes Erlebnis, eine persönliche Erfahrung, weil man sich eben auch etwas mehr Zeit für die Reise nehmen muss und von den durchfahrenen Ländern auch mehr sieht als von über den Wolken aus. Die SBB hat diese spezielle Gefühlswelt mit ihrer Kampagne «Create your own story» optimal eingefangen. Wobei Engels noch anfügt: «Ertragsmässig ist Interrail für die SBB eher ein Nischenprodukt, es ist aber in der Wirkung als beliebtes ‚Youth Brand‘ ein wichtiges und gutes Produkt für unsere Kunden.» Mit anderen Worten: Es ist ein wesentliches Tool, um die oftmals (und nicht selten zu Unrecht) als etwas altbacken angesehenen Bahnreisen und Bahnunternehmen als jung und hip zu präsentieren.

Ein Produkt längst nicht nur für Junge

Wobei hier anzufügen ist, dass Interrail nicht nur für Junge Interessant ist. Gewiss, die Nachfrage ist bei Jungen noch am Höchsten; rund 50 Prozent der Interrail-Verkäufe gehen aufs Konto des Jugendsegments. In den letzten Jahren haben aber auch immer mehr Familien oder auch Senioren Interrail für sich entdeckt. «Von 2015 bis 2017 verzeichneten wir einen Anstieg von 38 Prozent im Erwachsensegment und von 74 Prozent im Familiensegment; die Zahl der Senioren hat sich in diesem Zeitraum sogar verachtfacht», gibt Engels zu Protokoll. Es findet demzufolge auch eine Verlagerung statt: War Interrail früher noch ein «Once-in-a-lifetime»-Erlebnis, gibt es heute deutlich mehr Repeater, welche Pässe mit kürzerer Reisedauer beziehen.

Das Interrail-Angebot ist denn auch deutlich flexibler als früher. Heute gibt es nicht mehr nur einen Global- oder Zonenpass; es gibt inzwischen verschiedene Pässe, welche individuellen Bedürfnissen entsprechen und spannende Kombinationen zulassen. Beispiel: 2015 wurde der «Greek Island Pass» eingeführt, ein One-Country-Pass für Fährreisen zu verschiedenen griechischen Inseln. Auch das ist Interrail.

«Alle Interrail-Kunden können von zusätzlichen Vorteilen wie Vergünstigungen auf Übernachtungsmöglichkeit, Fährüberfahrten, Sehenswürdigkeiten und Touren profitieren», gibt Engels zu bedenken, «zudem profitieren junge Reisende bis und mit 27 Jahren von Jugendrabatten. Bis zu zwei Kinder unter 12 Jahren reisen in Begleitung von mindestens eines Erwachsenen mit Interrail kostenlos mit.» So wird das Europa-Erlebnis im Zug dann doch auch wieder gegenüber Low-Costern interessant.

Auch bei Bahnreisen liegen Nord- und Osteuropa im Trend

Was die beliebtesten Interrail-Strecken angeht, so ist das Resultat ein Spiegelbild von generellen Trendumfragen bei Reiseveranstaltern. Nordeuropa liegt eindeutig im Trend, ebenso Osteuropa. «Nicht Europas Süden steht im Vordergrund, sondern vor allem Skandinavien und Osteuropa», analysiert Engels. Sehr beliebte Städteziele von Schweizer Interrail-Kunden sind demnach norddeutsche Städte wie Hamburg oder Berlin, aber auch nordische Hauptstädte wie Stockholm, Kopenhagen oder Oslo, darüber hinaus auch osteuropäische Metropolen wie Wien, Prag oder Budapest.

Die Möglichkeiten sind aber noch deutlich vielfältiger. Wie erwähnt gilt mit Interrail freie Fahrt durch 30 Länder; auf der Schiene erreicht man etwa das portugiesische Faro im äussersten Westen Europas, Tromsö im hohen Norden Norwegens oder Athen ganz im Südosten. 250‘000 Kilometer Streckennetz stehen offen! Wer Zeit hat, kann also extrem viel erleben. Oder aber man beschränkt sich auf ein Land und erforscht dieses mit Hilfe eines «One Country Pass».

Sämtliche Infos gibt es unter der SBB-Interrail-Website. Übrigens: Wer bis zum 31. März 2018 einen Interrail Global Pass kauft, erhält 15 Prozent Rabatt.

Blick auf vorbeiziehende Landschaften: Interrail entspricht laut SBB wieder dem Zeitgeist. Bild: Daniel Frese

(JCR)