Rail & Road

Nach Stopps am Lago die Garda, Lago d'Iseo und Lago di Como ein letzter Halt am Lago di Montespluga mit dem VW T6 California, kurz vor der Splügen-Passhöhe. Bilder: TN/CP

Tested «Bitte den Kreisverkehr an der 2. Ausfahrt verlassen»

Gregor Waser

Erstmals mit einem Camper unterwegs: Acht Erkenntnisse zu Ferien mit einem VW T6 California und Campingplätzen in Norditalien.

Camper und Campingplätze waren bisher nicht unser Ding – die Fahrzeuge scheinen zu gross, im Sommer herrscht doch überall Stau, auf den Campingplätzen gibts keine Privatsphäre, die Sanitäranlagen sind im Dunkeln kaum zu finden und schmutzig. Doch im Bestreben, jedes Jahr etwas Neues auszuprobieren, haben wir unsere Vorurteile beiseite geschoben, einen Camper gebucht und werden – so unser Fazit – diese Ferienformel auch künftig wieder in Betracht ziehen.

Neuerdings gibts beim Startup Citypeak moderne, mit jedem erdenklichen Feature ausgerüstete VW T6 California zu mieten und das Versprechen, mit einem solchen Gefährt Europa kostengünstig und wetterunabhängig zu entdecken. Eine Woche lang haben wir nun die norditalienischen Seen erkundet und das Fahrzeug ausgiebig getestet. Das sind unsere Erkenntnisse:

1. Wendigkeit

Ein Camper von Citypeak soll in der Stadt und in den Bergen agil sein. Können wir bestätigen. In Bergamo lässt sich locker in die Citta Alta hochfahren und in einen knapp bemessenen Parkplatz rückwärts einbiegen. Der grösste Test in Sachen Wendigkeit kommt zum Schluss der Ferienwoche: die Rückkehr vom Comersee via Splügenpass in die Deutschschweiz. Die Haarnadelkurven des Splügenpasses sind zahlreich und eng.

72 Spitzkehren hinauf auf den 2113 hohen Splügenpass.

Nur ein einziges Mal müssen wir den Camper mit einer rückwärts-vorwärts-rückwärts-Übung um die Kurve manövrieren. Und an Power bergauf fehlts dem 150 PS-starken T6 nicht. 

2. Platzverhältnisse

Im Gegensatz zum Modell «Budget» verfügt der T6 «Deluxe» über eine eingebaute Küche und einen Kühlschrank. Das verkleinert den Rücksitz beziehungsweise nachts das Bett. Doch zu Dritt kommt keine Enge auf. Einzig: wer zu grosszügig packt, muss öfters Taschen, Bettdecken und Spielzeug hin und her manövrieren, wenn die Sitze vom Fahr- in den Aufenthaltsmodus verstellt werden. So wenig Gepäck wie möglich mitnehmen, lohnt sich auch bei dieser Ferienformel – ein Drittel der Schuhe, Kleider, Bücher und Spielsachen wurde wie immer nicht angerührt.

3. Features

Im sanktgallischen Gebertingen unweit von Rapperswil löst die einstündige Einführung von Peter Creutzig, dem Mitinhaber von Citypeak, ein wiederholtes Ah und Oh aus. Fahrer und Beifahrer-Sitz können mit einigem Hantieren um 180 Grad gedreht werden, und zwischen hinterem Sitz und vorderen Sitzen kann ein Tischchen runterkgelappt werden, daneben sind Kühlschrank, zwei Kochstellen und Lavabo – angeschlossen an einen 30-Liter-Wassertank – in Griffnähe.

Fahrer- und Beifahrersitz lassen sich im VW T6 um 180 Grad drehen.

Das Wageninnere wird zum Frühstückraum, der bei schönem Wetter nach draussen unter das mit Kurbelstange ausfahrbare Sonnendach rückt. Wo war schon wieder das Aussentischchen zu finden? In der Schiebewand genial verstaut – wie auch die Klappstühle, die in der Hecktüre passgenau zu finden sind. Für Technikfans das Grösste: der Bordsystem und die Möglichkeit, das Wagendach per Knopfdruck elektrohydraulisch zu öffnen.

In handgestoppten 6 Minuten 30 ist der VW T6 umgebaut.

Weitere beindruckend integrierte Features: die clever verstaute Gasflasche, die die beiden Kochstellen speist, Strom- und Wasseranschluss, der Rücksitz, der in wenigen Handgriffen in ein Bett verstellt werden kann. Beeindruckend sind auch die verschiedenen Rollos, Schieber und Magnet-versehenen Tücher, mit denen das Wageninnere komplett abgedunkelt werden kann. Und auch noch am siebten Tag lassen sich neue Features entdecken – gleich beim Rückspiegel etwa gibts einen Knopf, der eine Brillenablage öffnet. Nicht zu vergessen, der Kühlschrank – kälter, als jede Brauerei erlaubt.

4. Wetterunabhängig

Na ja, als Campingfreund braucht man auch ein wenig Wetterglück. Die Nacht in der Schweiz auf dem TCS-Campingplatz Scuol ist nass. Bei Regen macht der Campingaufenthalt auch mit einem T6 wenig Spass. Nasse Schuhe sorgen für Schmutz im Wageninnern. Und der Gang ans Heck für den Griff in die Tasche und zur Zahnbürste ist kein Vergnügen. Doch schliesslich geht die Fahrt anderntags Richtung Italien, kaum über die Grenze scheint nämlich nun die nächsten sechs Tage die Sonne. Für schönes Wetter ist das Gefährt wie geschaffen. Den nächsten Regen gibts erst wieder bei der Rückfahrt – pünktlich beim Erreichen von Chur.

5. Sommerferien und Stau

Wegen dem Quatorze Juillet und dem zu erwartenden Grossverkehr wandelten wir unsere Frankreich- in Italien-Pläne um. Doch am Gotthard stauen sich die Autos am Freitag Abend, am ersten Sommerferien-Wochenende ebenso – auf 13 total Kilometern. Wir haben eine schöne Alternative ausgemacht: vom Zürichsee via Klosters und Vereinatunnel ins Engadin – Wartezeit beim Autozug 0 Minuten (Kosten: 34 Franken). Eine Nacht in Scuol und weiter durchs Unterengadin und Vinschgau nach Bozen.

Der versunkene Turm im Reschensee, das Wahrzeichen des Vinschgau.

Nun kommts doch zum Nadelöhr. Auf der Brennerautobahn ab Bozen Richtung Trient herrscht schleppender Verkehr. Doch mehr als eine zusätzliche Stunde bleibt nicht auf der Strecke (und nur vier Euro an Autobahngebühren). Torbole und der Gardasee öffnen sich unter uns.

Vor allem die Ostküste des Gardasees wird im Sommer von vielen Touristen besucht.

6. Navi und Elektronik

Das iPhone lässt sich mit dem Bordsystem koppeln, die Soundanlage ist top, das Navi sehr aufmerksam und genau. Mit den vielen Rondellen in Norditalien hat die Dame im Navigationszentrum aber zu kämpfen. «Bitte in 300 Metern den Kreisverkehr an der 2. Ausfahrt verlassen». Meint sie wirklich die 2. Ausfahrt, dieses nicht angeschriebene Seitensträsschen? Eine Landkarte und der regelmässige Blick auf die Strassentafeln ist in Italien trotz sonorer, aufmerksamer Navi-Stimme gleichwohl zu empfehlen.

Eng sind die Strassen rund um den Gardasee – und das Navi nicht immer auf der Höhe.

7. Campingplätze

Als wir in Scuol unsere Gardasee-Pläne schilderten, schüttelte der Camping-Chef den Kopf, «ui, ohne Buchung wird es schwierig, einen Platz zu finden». Doch dem ist nicht so. Am Lago die Garda, am Lago d’Iseo und am Lago die Como stoppen wir bei total 8 Campingplätzen, nur bei zweien heisst es «ausgebucht», zweimal finden wir, nein, gefällt uns nicht. Die vier getesteten Plätze, in Cassone, Iseo, Dervio und Colico sind aber einwandfrei, insbesondere was die Sauberkeit betrifft. Und mit 30 und 31 Euro für die Nacht sind die italienischen Plätze deutlich günstiger als jener in Scuol (55 Franken).

Einzig, dass auf dem Campingplatz Panorama in Cassone im TV-Raum der Wimbledon-Final auf keinem Kanal zu sehen ist, ist schwer zu ertragen. Das erste Mal seit 2003 muss ein Grand-Slam-Sieg Federers mit Kopfhörer über Wimbledon-Live-Radio erlebt werden. Der Matchball, ein As bei einem zweiten Aufschlag, wird vom Blick auf den Gardasee untermalt.

Wartet im Juli mit 23 Grad auf: der Gardasee.

Abzüge für den Campingplatz Panorama gibt das aber nicht – höchstens, dass man hier Gäste mit muskelbepackten Kampfhünden zulässt, was unsere Abreise beschleunigt. Zum besten Campingplatz Italiens küren wir (unter vier Teilnehmern) den Campingplatz Piona in Colico am Lago di Como: Idyllische Badebucht, hilfsbereite Leute, penibel saubere Toiletten und Duschen – und dass bei 30 Euro noch gratis drei Velos für die Fahrt ins Nachbardorf benutzt werden dürfen, ist sehr flott.

8. Preis

Klar, der VW T6 California hat seinen Preis, schliesslich fehlt es ja auch an keinem Luxus. In der Hochsaison kostet die Woche offiziell 1235 Franken (danke, Citypeak, für den Journalisten-Rabatt trotz begehrtem Juli-Datum). Mit dabei sind 1050 Kilometer, darüber hinaus kostet jeder weitere Kilometer 68 Rappen. Oder man bucht ein Kilometer-Paket hinzu für 290 Franken und weitere 500 Kilometer. Die Drei-Seen-Tour durch Norditalien schlug sich nur mit 800 Kilometern nieder – eine Diesel-Tankladung für 100 Franken reichte dazu. Hinzu kommen die bescheidenen Übernachtungskosten auf den italienischen Campingplätzen. Auf das Kochen im Fahrzeug haben wir mehrheitlich verzichtet. Vor allem am Gardasee sind die Restaurants sehr günstig und gut. Das Highlight: Die Pizza Pescatore im Ristoranta Al Vogaor in Cassone – ein Monster für 11 Euro und jeder Biss ist ein Traum. Ciao, Italia!

Cassone, ein verschlafenes, romantisches Dörfchen am Gardasee.