Rail & Road

Platzmangel für Koffer und Mitnehmsel - in der Bahn leider allzu oft ein Normalzustand. Bild: Engin Akyurt

Einwurf Die Bahn-Manager müssen jetzt umdenken

Kaspar P. Woker

Die Koffer werden grösser, dazu muss allerhand Sonstiges auf Bahnreisen mitgenommen werden, vom Kinderwagen über Velos bis hin zu Sportgerät. Das kann so nicht weitergehen.

Man nannte mich «el baul». Gross genug, um die Habseligkeiten für ein Jahr in Südamerika zu verstauen. Bei 94 x 53 x 33 cm (180 cm Totalmass) hatte allerhand Platz in mir. Allerdings brauchte meine Besitzerin eine Begleitung bis zum Einschiffen in Neapel. Die «Rossini» der Italian Line brachte uns, Baul und Auswanderin, nach Callao. Sie in der Kabine, ich im Schiffsrumpf.  Gottlob gab’s Dienstmänner mit Gepäck-Rollis. Wir, «los baules», «les malles» oder «the trunks», waren allgegenwärtig, ohne «extra charge» bei Bahn und Steamer. Heute sind wir auf dem Estrich gelandet.

Oder doch nicht? Rosarote Samsonite (86 x 58 x 36 cm = ebenfalls 180 cm Totalmass) mit Rollen sind beim Fliegen ok, meist gegen Aufpreis. Nicht so bei der Bahn. Hier reisen sie kostenlos mit. Meine modernen Vetter sind so gross, dass sie in keinem Bahnwagen zwischen den Sitzen Platz finden. Und die mickrigen Gepäck-Racks des ICE oder des FV-Dosto fassen höchstens einen davon. Die andern werden hingestellt, wo’s Platz hat. Ein Abteil mit vier Sitzplätzen, zwei «Rosa-Rädli-Monster», und es bleibt noch Raum für eine, bestenfalls zwei Personen. Eine 20-Personen-Gruppe aus Übersee füllt locker einen halben Bahnwagen. Gepäckwagen, geschweige denn Dienstmänner oder meine echte Spezies, «los baules», gibt’s keine mehr. «Monster-trunks» dagegen gibt es immer öfters und diese reisen gerne erstklassig.

Zeit, dass sich mein Ghostwriter outet: Zugfahrer ohne Auto, Grossvater mit zwei mal zwei Enkeln im Kinderwagen, Velo- und e-Bike-Fahrer mit Multi-Velo-Ticket. Oberstes Gebot: Fahre am Wochenende ja nur mit IR- und RE-Zügen. Im IC mit Bike oder Kinderwagen wartet nur Verdruss. Weshalb? Die Bahn hat bis heute einen Megatrend verschlafen. Koffer sind grösser geworden, auch bei hiesigen Touristen, Kinderwagen nehmen SUV-Dimensionen an, die Nachfrage nach Velotageskarten steigt steil an, Trottis, Boards, Skis, Gummiboote, Zelte, alles reist zu fast jeder Jahreszeit mit. Auch eingepackte Velos brauchen viel Platz.

Was bietet die SBB: Im Steuerwagen des IC-2000 Velo- und Familienabteil. Komplett widersinnig, Platzkämpfe sind programmiert. Oder die verteilten «Velo-Kojen» in den FV-Dosto-Zügen: Zu klein für Mountain-Bikes, Haken zu eng für e-Bikes und hilflos zwei Zettel hin geklebt. Diese bitten Koffer- und Kinderwagenbesitzer, ihr Gepäck nicht hier zu deponieren, sowie eine Anweisung dazu, wie zwei Velos in einander zu verkeilen sind, damit die Fahrgäste noch ins Abteil gelangen können. Personen im Rollstuhl wird im Zug viel Raum zugeteilt. Doch sie haben diesen mit Kinderwagen, Rollatoren, Bikes, Trottis und Personen auf den Klappsitzen zu teilen.

Kurz, die Bahnmanager müssen umdenken. In Doppelstockzügen – Fernverkehr und Regionalverkehr – sind bis 50% des Untergeschosses als Multifunktionsabteil anzubieten, auch in der ersten Klasse. Wenige, verteilte Sitzgruppen, so dass alle platzfressenden Objekte unmittelbar beim Reisenden Platz finden. Für Reisende mit Kleingepäck sind die Plätze im oberen Deck angedacht. Stehplätze im Pendlerverkehr sind unvermeidbar. Mehrere derart konfigurierte Wagen gehören in jeden Zug und dies soll klar kommuniziert werden. Keinem Bahnchef fällt ein Zacken aus der Krone, wenn er Order gibt, bestehende Fahrzeuge endlich in dieser Art und Weise der aktuellen Mobilität anzupassen. Fertig mit den hilflosen Rechtfertigungen von Mediensprecherinnen von SBB & Co. «El baul» wird auf dem Estrich jubilieren und freut sich auf die nächste Bahnreise.