Rail & Road

Wer mit dem Elektroauto die schönen Strände Italiens – wie hier in Biadola auf Elba – erreichen will, muss einige Hürden bewältigen. Alle Bilder: Gianni Moccetti

Einwurf Auf der Suche nach der rettenden Ladestation

Gianni Moccetti

Neugierig auf die Erfahrung Elektromobilität fuhr Gianni Moccetti mit einem VW ID.3 in die Ferien nach Italien. Sein Fazit: ein zweifelhaftes Vergnügen.

In der vorletzten «Sonntagszeitung» äusserte sich TCS-CEO Jürg Wittwer zum Ferienverkehr während der kommenden Sommerferien, im Speziellen zur Situation in Italien. Dabei wurde auch das Thema Elektroauto gestreift. «Sicher verfügen die südlichen Länder über ein weniger dichtes Ladenetz. Mit einer guten Planung kommt man jedoch überall hin. Der TCS hat eine App mit 35'000 Ladestationen». Eine wohl korrekte, wenn auch optimistische Beschreibung der Situation.

Vor einigen Wochen plante ich eine PW-Reise durch Italien, Verwandtenbesuch und Badeferien inklusive. Aus Neugierde und weil ich bis anhin keinerlei Erfahrung mit der Elektromobilität gemacht hatte, beschloss ich, diese Reise mit einem Elektroauto durchzuführen. Bei Europcar fand ich einen entsprechenden Mietwagen, einen VW ID.3. Ein mulmiges Gefühl und gewisse Bedenken hatte ich zwar als E-Wagen-Anfänger; die Lust am Abenteuer und an einer neuen Erfahrung überwogen.

Bei swisscharge.ch hatte ich mir eine Ladekarte besorgt (die sich als sehr wertvoll erwies, konnte ich doch damit problemlos alle Bezüge auf der Reise bezahlen). Bei der Wagenübernahme informierte mich der kompetente Europcar-Mitarbeiter über die wichtigsten Funktionen und gab mir gute Tipps zur Verbrauchsdrosselung mit auf den Weg. Ich startete meine Reise.

«Schnell stellte ich einen relativ hohen Energieverbrauch fest.»

Die erste Etappe: Masi, der Geburtsort meine Mutter, etwa 80 Kilometer von Verona entfernt, eine Strecke von 480 Kilometern, zumeist auf Autobahnen. Bei sommerlichen Temperaturen stellte ich die Klimaanlage an und fuhr korrekt die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit (das mache ich zugegebenermassen mit meinem PW nicht immer …). Schnell stellte ich einen relativ hohen Energieverbrauch fest. Deshalb wusste ich, dass ich mich auf zwei Stopps einstellen musste. Den ersten noch auf Schweizer Boden, in der Raststätte Bellinzona Nord. Der Ladeprozess an einer der Schnelllade-Säulen dauerte circa 45 Minuten.

Weiter ging die Fahrt über Milano, Bergamo und Brescia Richtung Verona. Hier hatte ich ursprünglich mit meiner Schwester zum Mittagessen abgemacht. Bis Verona konnte ich es gemäss Energieanzeige nicht schaffen, die Autobahnfahrt kostete wohl überdurchschnittlich viel Energie. Deshalb verliess ich bei der Ausfahrt Desenzano del Garda die Autobahn. Ja, ich musste die Autobahn verlassen. In Italien sind die Autobahnraststätten noch nicht mit Ladestationen bestückt! Eine umständliche Angelegenheit, mit Zahlungsprozess an der Mautstelle und der Suche nach der rettenden Ladestation. Ich fand sie in einem trostlosen Industriegebiet nicht auf Anhieb, und meine Anspannung stieg. Nach Rückfrage bei einer Tankstelle fuhr ich zum angrenzenden McDonalds Parkplatz und fand die rettende Ladesäule der ENEL (italienischer Energiekonzern), von der EU mitfinanziert, wie auf einem Kleber stand.

Auf Parkplätzen in trostlosen Industriegebieten lassen sich in Italien die Ladesäulen finden.

Der Ladevorgang klappte auch nicht auf Anhieb, die Säule war gesperrt. Keine Notfallnummer auf der Säule und die McDonalds Mitarbeitenden beteuerten, dass sie mit dieser Einrichtung nichts zu tun hätten. Nach zehn Minuten stellte ich erleichtert fest, dass die Säule – wieso auch immer – entsperrt war. 50 Minuten Aufladen waren angesagt. Deshalb beschloss ich, einen Big Mac zu verspeisen (den ersten in meinem Leben!) und sagte telefonisch das Mittagessen in Verona ab. Kulinarisch ein grosser Verlust, keine Frage …

Während des Aufenthaltes in Masi konnte ich das Auto in der Nachbargemeinde an einer langsamen, 22Kw/Std.-Ladestation eines kleinen Einkaufszentrums in der Peripherie gratis aufladen. Vier Stunden, die ich mit meinen Verwandten, Mittagessen und Shopping überbrückte.

Mein nächstes Ziel war Forte dei Marmi, der glamouröse Badeort an der tyrrhenischen Küste. Hier wollte ich drei Tage Badeferien einschalten. Zunächst wählte ich für den Aufenthalt ein Hotel aus, dass eine Lademöglichkeit anbot. Auch in Italien gibt es zunehmend Unterkünfte in jeder Kategorie und Preislage, die diese Dienstleistung anbieten.

Während der VW ID.3 in der Hotelgarage aufgeladen wird, lässt sich das Mittagessen in Forte dei Marmi samt Meerblick geniessen.

Dann galt es, die Fahrt (265 km) quer durch Italien zu planen. Ich entschied mich für einen Ladestopp in Bologna. Dieser funktionierte gut, an einer schnellen Ladestation, wiederum bei einem McDonalds im Industriegebiet. So kam ich während des Ladevorganges zum zweiten Big Mac – und das in Bologna, der Heimat der Lasagne, Tagliatelle, Cappelletti und Tortellini! Ich vertröstete mich auf das Nachtessen in Forte dei Marmi.

Hier verbrachte ich ein paar entspannte Tage am Meer, bevor es nach Piombino ging, von wo aus ich die Fähre nach Elba gebucht hatte. In San Vincenzo, etwa 25 Kilometer von Piombino entfernt, fand ich eine leistungsfähige Ladestation. Auf Elba gibt es noch nicht viele Möglichkeiten zur Aufladung von E-Autos. Deshalb wollte ich «vollbetankt» die Überfahrt in Angriff nehmen. Und während der Ladezeit entdeckte ich ein tolles Fischrestaurant, direkt am Meer. Was für ein Aufsteller, endlich kein Fastfood.

Den Abschluss meiner Ferien verbrachte ich auf Elba. Die Insel ist nicht gross, die Fahrtstrecken von Ort zu Ort sind kurz. Deshalb war der Energieverbrauch kein Thema, und ich konnte unbekümmert die Tage auf Elba geniessen. Den letzten Tag meines Aufenthaltes verbrachte ich in einem der besten Hotels der Insel – dem Hermitage – am herrlichen Strand von Biodola. Aufladen, Liege und Sonnenschirm am schönsten Strandabschnitt und ein köstliches Mittagessen im Hotelrestaurant am Strand: ein perfekter Tag.

«Einsame Monolithen auf riesigen Parkplätzen, für die sich niemand verantwortlich fühlt.»

Die längste Etappe der Reise stand anschliessend bevor: von Elba respektive nach der Fahrt mit der Fähre von Piombino nach Baveno am Lago Maggiore, 480 Kilometer. Aufgrund der guten Erfahrung auf der Hinfahrt fuhr ich nach San Vincenzo, wo ich an der gleichen Station wie bei der Hinreise aufladen wollte. Leider war die Säule nicht betriebsbereit. Kein Hinweis, keine Begründung, keine Notfallnummer, kein Ansprechpartner.

Und hier offenbart sich eine weitere grosse Schwäche des italienischen Ladenetzes. Die Ladesäulen werden fast willkürlich und ohne wirklichen Plan installiert; von verschiedenen Betreibern und meistens in Randgebieten einer Gemeinde. Sie sind jedoch wie (fast unbenutzte) Fremdkörper, einsame Monolithen auf riesigen Parkplätzen, für die sich niemand verantwortlich fühlt. Auch wenn man Italienisch spricht, kommt man in einer Notsituation nicht weit.

Ich musste meinen Plan überdenken, fuhr los und beschloss, nach La Spezia (an der einzigen Schnellladesäule weit und breit) einen ersten Ladestopp einzuschalten. Dafür musste ich von La Spezia 18 Kilometer auf der «falschen» Autobahn Richtung Genua fahren. Und nach dem Laden wieder zurück, um auf der A15 weiter Richtung Parma und Fidenza zu fahren, wo der nächste Ladestopp in der Pampa vorgesehen war, bei einem Outlet im Industriegebiet, wiederum in einer sehr stimmungsvollen Umgebung, bei geschätzten 33 Grad. Die beiden Stopps verlängerten die Reisezeit um rund zwei Stunden, zwei Lastwagenunfälle auf der Autobahn nach Milano um eine weitere Stunde. So benötigte ich für diesen Teilabschnitt schlussendlich siebeneinhalb statt viereinhalb Stunden, die eigentlich geplant waren.

Sie haben das Gefühl, ich hätte auf dieser Reise (zu) viele Ladestopps gehabt? Absolut einverstanden! Eigentlich beträgt die Autonomie, resp. die Reichweite meiner Version des VW ID.3 ca. 450 Kilometer bei voller Ladung (eine Kilometerzahl, die ich unterwegs auch bei hundertprozentiger Ladung nie mehr erreichte).

Das geräuschlose Fahren mit einem Elektroauto wie dem ID VW.3 ist ein entspanntes Erlebnis. Die Suche nach einer Ladesäule kann aber stressig sein.

Sei es wegen der Hitze, sei es wegen der überwiegenden Autobahnfahrten mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 125 Km/h, sei es wegen der eingeschalteten Klimaanlage: Effektiv sank die Autonomie auf etwa die Hälfte! Deshalb war ich immer wieder gezwungen, zusätzliche Stopps einzuplanen. Von Baveno nach Zürich konnte ich dann nonstop durchfahren, den Wagen Europcar zurückgeben und mein E-Auto Abenteuer beenden.

«Mein Fazit: Italien ist noch nicht ausreichend auf die E-Mobilität vorbereitet.»

Aufgrund der gemachten Erfahrung ist mein Fazit nicht wirklich positiv. Zugegeben: Das geräuschlose Fahren, ja Cruisen – auch auf den Autobahnen –, ist ein entspanntes Erlebnis. Die Tagesetappen müssen unbedingt relativ kurzgehalten, Aufladungen während dieser Abschnitte möglichst vermieden werden. Die Ungewissheit, wie lange nun die Energie reicht und ob eine vernünftige Lademöglichkeit auf der jeweiligen Strecke zu finden sein wird, stresst sehr. Ein weiteres, wirklich störendes Handicap in Italien: die nicht vorhandenen Ladestationen an den Autobahnraststätten und -tankstellen! Und nicht zuletzt stört die Tatsache, dass sicher 90 Prozent der vorhandenen Ladestationen langsam sind mit 14, 16 oder 22Kw Ladekapazität pro Stunde, was eine Ladezeit von drei bis vier Stunden impliziert.

Nein, Italien ist noch nicht ausreichend auf die E-Mobilität vorbereitet, um der zunehmenden Anzahl von Reisenden mit Elektrofahrzeugen zu begegnen. In der Vor- und Nachsaison und wenn man – wie ich – die Reise ohne Zeitdruck in Angriff nehmen kann, dann kann man mit der unzureichenden Infrastruktur leben. Aber eine Familie mit Kindern und klar definiertem Zeitfenster in der Hochsaison? Die meisten bestehenden Ladestationen bieten zwei Lademöglichkeiten an: Genug für den zu erwartenden Ansturm von Elektrowagen aus Mittel- und Nordeuropa, schon in den nächsten Wochen? Ich habe grosse Zweifel. Es könnte eine ungewollte, sehr stressige «Abenteuerreise» werden! Die nächsten Jahre werden zeigen, wie erfolgreich die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektromobilität in ganz Europa und speziell in Italien gelingen wird. Unabdingbare Voraussetzungen sind für mich:

  • Verbesserung der Batterieleistung, grössere Autonomie/Reichweite pro Ladung
  • Kürzere Ladezeiten, höchstens 15 Minuten pro Mal
  • Mehr Ladestationen und mehr Ladesäulen mit schneller Ladeleistung
  • Lückenlose Bestückung der Autobahnraststätten und -tankstellen mit einer ausreichenden Anzahl von schnellen Ladestationen

Für mich hat sich dieses persönliche Experiment unbedingt gelohnt, ich habe die Reise und die Tage am Meer genossen. Das nächste Mal wähle ich jedoch wieder eine verlässlichere und weniger fordernde Transportmöglichkeit. So oder so: ob mit Auto, Fahrrad, zu Fuss oder mit dem Flugzeug: ich wünsche allen Lesern schöne, erholsame und möglichst stressfreie Sommerferien!