Rail & Road

Selbst Velofahrer mussten heute Morgen vor der BP-Tankstelle an der Zürcher Seebahnstrasse kurz innehalten und staunen: 2.29 Franken kostet der Liter Bleifrei 95. Bild: TN

Treibstoffpreise gehen durch die Decke – was das für die Ferien 2022 heisst

Gregor Waser

Die Ferienlust ist nach zweijährigen Corona-Erschwernissen gross. Doch der Ukraine-Krieg sorgt für Unsicherheit und die markant steigenden Benzin- und Fuelpreise machen Ferien in diesem Jahr deutlich teurer.

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die schrecklichen Bilder von Opfern, Vertriebenen und eingeschlossenen Menschen lähmen die Welt und übersteigen bei vielen die bisherige Vorstellung, dass solches im Jahr 2022 noch passieren könnte. Und leider ist dieser Krieg wohl noch länger nicht ausgestanden, die Folgen und das Ausmass sind nicht absehbar.

Für die Tourismusindustrie, nach zweijährigem Corona-Reisestillstand schwer gebeutelt, ist diese neuerliche Unsicherheit ein weiterer Dämpfer. Verschickte Offerten bleiben unbeantwortet, erste Annullationen treffen ein. Der gut angelaufene Restart ist wieder in Frage gestellt. Ein Teil der zunächst Reisewilligen besinnt sich von neuem, ob und wann eine Auslandreise überhaupt in Frage kommt.

Ein wohl grösserer Teil der Reisehungrigen sagt aber: «Hey, nach zwei Jahren ohne Strand müssen in diesem Jahr unbedingt Ferien her.» Viele Ferienziele liegen von der aktuellen Konfliktzone schliesslich weit entfernt. Stand heute stellt eine Flugreise an fast alle Ziele der Welt kein Problem dar.

Wer die konkrete Ferienplanung in Angriff nehmen will, dem stellt sich nun aber die Frage: mit dem Flugzeug, der Bahn oder dem eigenen Fahrzeug? Aktuell steigen die Argumente für eine Bahnfahrt ans Ferienziel. Abgesehen vom ökologischen Pluspunkt bei der Bahn zeichnen sich nun nämlich erhebliche Preissteigerungen beim Airline-Fuel und dem Auto-Benzin ab, was deutlich aufs Ferienbudget schlagen wird.

Airline-Fuel: + 82 Prozent

Noch ist von den Airlines wenig zu hören bezüglich Treibstoffzuschlägen. Als eine der ersten Airlines hat Air Asia für Flugstrecken über vier Stunden einen Zuschlag von 13 Dollar eingeführt. In den nächsten Tagen werden wohl viele Airlines diesem Beispiel folgen, noch ist die Höhe des Zuschlags nicht abschätzbar. United Airlines äusserte sich dazu gestern, dass in normalen Jahren bei höherem Treibstoff 60 Prozent weiterverrrechnet würden, doch angesichts der aktuell vielen Krisen sei dies noch nicht vorhersehbar. Die Fragezeichen türmen sich bei den Airlines jedenfalls in diesen Tagen, wie es beim Pricing weitergehen soll.

Sollte der teurere Treibstoff nicht explizit als Zuschlag ausgewiesen und verrechnet werden, ist davon auszugehen, dass zumindest in den tieferen Buchungsklassen deutlich weniger Flugsitze verfügbar sind oder diese ganz geschlossen werden. Dass die Airlines grosse Mengen von Treibstoff zu tieferen Preisen abgesichert haben, davon ist nicht auszugehen – ausser Ryanair, deren CEO behauptet, 80 Prozent abgesichert zu haben. Zu Beginn der Corona-Krise sind nämlich viele Airline in den Hammer gelaufen und haben sich die Finger verbrannt, weil die Treibstoffpreise damals um fast 70 Prozent in den Keller fielen (von April 2019 bis 2020). Nun ist das Barrel Öl innerhalb eines Jahres von 68 US-Dollar um 82 Prozent auf heute 124 US-Dollar angestiegen.

Für Flugreisende dürfte die Buchung in den nächsten Wochen nun deutlich teurer werden. Trotz ausgebautem Flugangebot können die Airlines bei den aktuellen Fuelpreisen kaum Sonderangebote schnüren. Ausweichen auf das Auto, also? Fehlanzeige.

Bleifrei 95: + 62 Prozent

In den beiden Coronajahren standen Autoferien sehr hoch im Kurs – das Ansteckungsrisiko ist sehr tief, die Flexibilität, wann immer nötig zurückzureisen, gross. Viele haben das eigene Auto oder einen Camper als Ferienmobil entdeckt oder wiederentdeckt, um an die Küsten Kroatiens, Italien, Spaniens, Frankreichs oder in die Natur Nordeuropas zu gelangen. Das Auto spielt auch in diesem Ferienjahr eine grosse Rolle.

Jetzt erleben Autofahrer an den Tankstellten aber einen regelrechten Hammer. Über Nacht ist eine Autofahrt deutlich teurer geworden. Ein Liter Benzin Bleifrei 95 kostete heute Morgen an einer BP-Tankstelle in Zürich 2.29 Franken – vielleicht ist der Preis bis am Mittag noch höher.

Ein Vergleich: Bleifrei 95 kostete im März vor einem Jahr 1.41 Franken. Im März 2022 kostet der Liter Benzin 62 Prozent mehr. Bei einer Autofahrt nach Barcelona, Dubrovnik oder Sylt und zurück geht das ganz schön ins Geld. Und dass diese Preise in den nächsten Wochen runterkommen werden, ist wenig wahrscheinlich. Ganz im Gegenteil: Literpreise von drei Franken sind plötzlich denkbar.

Somit werden die Ferienkarten in den nächsten Wochen erneut gemischt. Bahn, Flug, Auto oder zuhause bleiben? Auch das Ferienjahr 2022 bleibt ein fragiles.