Rail & Road

Der Zugreise-Spezialist Mike Jakob ist Key Account Manager bei Railtour-Frantour lässt sich die Ferien durch die Pandemie nicht verderben. Bild: HO

«Zugreisen in Kleinstädte und Regionen mit Weite werden beliebt sein»

Nina Wild

Geniessen Zugreisen aktuell einen Vorteil gegenüber Flugreisen, weil bei der Rückreise aus einem Nicht-Risikoland kein PCR-Test benötigt wird? Und welche Themen beschäftigen den Zugreise-Spezialisten Railtour-Frantour in den kommenden Wochen? Mike Jakob beantwortet unsere brennendsten Fragen.

Herr Jakob, wie hat Ihr Unternehmen bislang die Krise gemeistert?

Mike Jakob: Die Städtereisen haben im letzten Sommer nach der ersten Corona-Welle wieder angezogen und vor allem Schweiz-Reisen liefen erstaunlich gut. Ab Oktober brach das Geschäft wieder ein. Zurzeit ist es noch sehr ruhig – Buchungen für den Frühling treffen nur sehr wenige ein, es gibt ein paar kurzfristige Buchungen in die Schweizer Berge oder ins Tessin. Für Sommer und Herbst sieht es besser aus. Auch das Interesse der Kundschaft für Ferien in Deutschland, Frankreich und der Schweiz wächst langsam wieder. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um Ferien an der deutschen Küste wie Sylt oder Rügen zu buchen, da die Hotelkapazitäten noch gross sind.

Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen für Railtour?

Die Unsicherheiten rund um wechselnde Einreisebestimmungen und mutierende Viren belasten die Kaufbereitschaft der Kundschaft und bedeuten auch für unsere Leute in der Reservationsabteilung mehr Aufwand. Wir nehmen viele Aufträge mehrmals in die Hand, weil sie ein-, zwei- oder sogar mehrmals zeitlich verschoben werden müssen. Viel Arbeit, wenig Ertrag. Ausserdem ist die Planbarkeit eine Herausforderung und wann konkret der Restart der Reisen eintrifft. Dazu hoffen wir, wie bestimmt alle in der Reisebranche, auf eine etappenweise Öffnung der Reisemöglichkeiten, als dauernd wiederkehrende Ups and Downs mit Schliessungen und Lockdowns. Und eine weitere Herausforderung ist es, am Tag X, wenn der Laden wieder brummt, ready zu sein für alle Kundenanfragen. Aktuell sind fast alle MitarbeiterInnen weiterhin in Kurzarbeit und die Zeit wird intern genutzt für virtuelle Weiterbildung und Schulungen.

«Man kann mit dem Zug auch ideal ans Meer fahren, es gibt neu täglich ab der Schweiz einen direkten Zug nach Genua und für den Sommer einen neuen Nachtzug ab Basel direkt nach Rügen.»

Welche Perspektiven haben Sie für die kommenden Wochen und Monate?

Aktuell wird es wohl noch ein paar Wochen ruhig bleiben. Aber wir gehen davon aus, dass sich die Buchungsbereitschaft stark und schnell erhöhen wird, sobald mehr Klarheit herrscht. Die Kundschaft will mindestens ein Gefühl dafür haben, wann das Reisen in Europa wieder sinnvoll und planbar werden kann. Bis Ostern müsste man deutlich mehr wissen als heute bezüglich Impffahrplan, Lockdown-Planungen, Einreisebestimmungen und so weiter.

Worauf legen Sie aktuell den Fokus?

Unser Fokus liegt klar auf Bahnreisen in Europa und da gehen wir davon aus, dass zumindest ein Teil der Kundschaft für die Ferien vorerst in Europa bleibt und erdgebundenes Reisen bevorzugt. Man kann mit dem Zug auch ideal ans Meer fahren, es gibt neu täglich ab der Schweiz einen direkten Zug nach Genua und für den Sommer einen neuen Nachtzug ab Basel direkt nach Rügen. Das sind auch klare Vorteile für die Kunden.

Anders als Flugreisende müssen Zugreisende nur bei der Rückkehr aus einem Risikoland ein negatives PCR-Testergebnis vorlegen. Ist das ein Vorteil?

Das hat aktuell kaum Impact, weil Reisen ins benachbarte Ausland wegen den Einschränkungen im Moment kaum möglich sind. Inwiefern zu einem späteren Zeitpunkt touristische Bahnreisen mit weniger Einschränkungen belastet sind als der Flugverkehr, ist zurzeit nicht vorhersehbar. Auf jeden Fall würde es sich wahrscheinlich nur um ein kurzes Zeitfenster handeln, da die Regeln bekanntlich ständig wieder ändern. Aber der Entscheid vom BAG mit den unterschiedlichen Rules ist per se nicht wirklich nachvollziehbar.

«Es werden in Zukunft auch kombinierte Reisen aus Homeoffice und Ferien beliebt sein, das Homeoffice ist schliesslich auch im Hotel oder Appartement auf der Insel Sylt oder in einer Stadt wie Nizza möglich.»

Wieso sollte jemand genau mit Ihrem Unternehmen verreisen?

Da gibt es viele Vorteile. Railtour- Frantour war und ist der Spezialist für Kurz- und Nahreisen in Europa. Die Kundengewohnheiten verändern sich. Es werden in Zukunft auch kombinierte Reisen aus Homeoffice und Ferien beliebt sein, das Homeoffice ist schliesslich auch im Hotel oder Appartement auf der Insel Sylt oder in einer Stadt wie Nizza möglich. Dadurch werden die gebuchten Aufenthalte länger. Zudem gewinnt auch die Bahn an Beliebtheit beim Transportmittel für längere Fahrten. Unser Staff kennt auch die kleinen Städteperlen wie Parma, Weimar oder Annecy und wir kennen die neuen Trends bei Zugreisen in Europa oder welche Schienenkreuzfahrten wie der Golden Eagle weltweit angesagt sind. Auch für Fahrten ans Meer wird vermehrt der Zug benutzt, zum Beispiel nach Rügen, nach Biarritz oder nach Italien an die Cinqueterre.

Die Digitalisierung hat in den vergangenen Monaten in vielen Bereichen noch stärker an Bedeutung gewonnen. Wie hat sich das Unternehmen diesbezüglich weiterentwickelt?

Wir sind technologisch hervorragend unterwegs dank den Weiterentwicklungen von Online Travel. Mit dem Railtour- Frantour dynamic travelshop bieten wir jedem Reisebüro eine ideale Buchungsplattform, wo das Hotel, die Aktivitäten, die Bahn und der Flug alles in einer Buchungsplattform getätigt werden kann, und dies direkt auf der CETS/Tour Online Umgebung. Unterdessen sind bereits 80 Prozent der Bahnstrecken in Europa über den Travelshop buchbar, das meiste auf e-Ticket Basis. Und die Entwicklung geht weiter: Neu bieten wir das Feature «Quote» an. Jedes Reisebüro kann damit ganz einfach Preisabfragen tätigen und diese als Offerten ausdrucken. Das ist in der Kommunikation zwischen dem Reisebüro und unseren Leuten in der Reservationszentrale ein entscheidender Vorteil und zeitsparend.

Haben Sie eine Idee, wie die Reiselust wieder angekurbelt wird?

Die Reiselust ankurbeln werden wir zu gegebener Zeit mit Kommunikationsschwerpunkten für Bahndestinationen in Europa. Der richtige Zeitpunkt in unserem Kerngeschäft ist entscheidend, da viele Reisen kurzfristig gebucht werden. Dieser Effekt wird in diesem Jahr durch die bekannten Gründe noch verstärkt. Spannend sind auch die gemeinsamen Events mit DER Touristik Suisse, wie zum Beispiel der Reisekompass mit diversen virtuellen Reisevorträgen, wo wir viel Inspiration zum Thema «Zugreisen, die neue Lust» aufgezeigt haben. Das ist ein wichtiges Instrument, um die Reiselust bei den Kunden wieder anzukurbeln.

«Wir arbeiten alle noch viel zu oft gratis und nicht im Honorarmodus. Hier müssen wir dringend alle selbstbewusst nach oben korrigieren. Eine Offerte sowie auch eine Beratung darf etwas kosten und die Fragen der Kunden rund ums Reisen werden mit der Pandemie noch deutlich zunehmen.»

In welche Richtung verändert sich die Reise-/Tourismuswelt idealerweise nach überstandener Coronakrise?

Als Möglichkeiten sehen wir eine steigende Bereitschaft, mehr zu zahlen für mehr Sicherheit und den Wunsch nach Reisen in Destinationen ohne grosse Menschenmengen. Die Preise werden mit Vorteil steigen, man wird wieder bewusster Reisen. Eventuell werden Zugsreisen auch beliebter werden, weil die Flexibilität zum Reisen innerhalb Europa sehr gross ist und das Nachhaltigkeits- Bewusstsein beim Kunden wieder an Fahrt zunimmt. Vorerst werden wohl Reisen in Kleinstädte und Regionen mit Weite beliebt sein, ich denke da an die Bretagne, die Ostsee Küste oder die Steiermark in Österreich. Und vielleicht besuchen die Kunden zuerst Städte wie Bologna, Graz oder Rüdesheim, statt die grossen Metropolen. Wobei in der Restart Phase auch die Grossstädte ein einmaliges Erlebnis sind. Man denke daran, wenn man in Paris den Eiffelturm fast für sich hat, oder in Rom beinahe alleine auf den Spuren vom alten Rom das Colosseo besichtigen kann. Gerade Städte mit viel Grün und vielen Parks wie Berlin oder Wien könnten stark im Trend sein.

Was kann die Reisebranche aus der Krise für Lehren ziehen?

Ganz wichtig für die Zukunft der Reisebranche ist das Umdenken beim Wert der Dienstleistung. Jede Krise ist auch eine Chance, Versäumtes zu korrigieren und jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür, die Servicehonorare angemessen anzupassen. Egal ob beim Veranstalter oder beim Reisebüro, es ist ein enormes Wissen vorhanden. Wir arbeiten alle noch viel zu oft gratis und nicht im Honorarmodus. Hier müssen wir dringend alle selbstbewusst nach oben korrigieren. Eine Offerte sowie auch eine Beratung darf etwas kosten und die Fragen der Kunden rund ums Reisen werden mit der Pandemie noch deutlich zunehmen. Die Verbundenheit innerhalb der Branche ist in der Krise ein wichtiger USP, es zeigt auch die enorme Leidenschaft, welche jede einzelne Person beim Veranstalter oder im Reisebüro, an der Front oder im Hintergrund, an den Tag legt. Und das Wissen wird aktuell in der Branche hinter den Kulissen überall auf Hochglanz poliert, ein fast unbezahlbarer Wert!

Eine Krise hat auch ihre Vorteile und Chancen, ich freue mich unglaublich, wenn es wieder richtig los geht mit Buchungen!