Rail & Road

Nachtzügen stehen gute Zeiten bevor - davon geht nun auch die SBB aus. Bild: AdobeStock

Die SBB lancieren wieder Nachtzüge

Die Renaissance der europaweit verkehrenden Nachtzüge hat längst begonnen. Nun steht fest, dass auch die SBB mitmischen wird - dafür wird vorerst Rollmaterial gemietet. Was darf man erwarten?

Von einer «Renaissance der Nachtzüge» wurde bereits letztes Jahr, also vor Corona, gesprochen. Damals ging man davon aus, dass zunehmende ökologische Bedenken gegenüber dem Fliegen ein wesentlicher Treiber der Entwicklung sein würden. Die Corona-Krise hat nun diese Renaissance beschleunigt. Bereits in Juni rollten wieder Nachtzüge, allerdings der ÖBB, ab der Schweiz zu diversen Zielen.

Die Schweizerische Bundesbahn (SBB), welche ein eigenes Nachtzugangebot mangels Rentabilität 2009 eingestellt hatte, blieb zunächst aussen vor. Obwohl die Schweiz aufgrund ihrer zentralen Lage in Europa, der Bahn-Affinität ihrer Einwohner sowie deren Kaufkraft eigentlich prädestiniert ist, an dieser Renaissance des Zug-Mittelstreckenverkehrs aktiv zu partizipieren. Inzwischen ist klar, dass die SBB dabei wieder einsteigen wird.

Das Comeback der SBB-Nachtzüge steht bereits Ende 2021 an, berichtet der «Blick»; ein Sprecher der SBB hat bestätigt, dass im Herbst 2020 über die konkreten Ausbaupläne im Nachtverkehr informiert werden soll. Auf Anfrage von Travelnews bestätigt SBB-Sprecher Stephan Wehrle: «Die SBB möchte das Angebot an Nachtzügen ab der Schweiz wieder ausbauen. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner ÖBB haben wir dafür in den vergangenen Monaten verschiedene Ausbauoptionen geprüft und bewertet. Dass für den Nachtverkehr geeignete Rollmaterial nur sehr begrenzt verfügbar ist, setzt einem kurzfristigen Angebotsausbau jedoch enge Grenzen. Daher will die SBB auch die Möglichkeit nutzen, entsprechendes Rollmaterial zu mieten.»

Bereits bekannt, da unter der Website des Informationssystems über das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz ersichtlich, sind erste Details zum Rollmaterial. Demnach wird die SBB von der RDC Asset GmbH mit Sitz in Hamburg Schlaf- und Liegewagen inklusive Instandhaltung mieten. Der Mietvertrag läuft von Dezember 2021 bis Dezember 2024, mit Option auf eine Verlängerung um ein Jahr. RDC Deutschland ist ein 2019 gegründetes Tochterunternehmen der amerikanischen Railroad Development Corporation (RDC) und ist auf Rollmaterialvermietung spezialisiert, darunter auch von Nachtzugflotten. Aktuell betreibt RDC Deutschland mit der RDC Autozug Sylt GmbH (Sitz in Westerland/Sylt) den blauen «Autozug Sylt», mit Bahntouristikexpress (BTE) den auch bei Schweizern beliebten Autoreisezug zwischen Hamburg und Lörrach sowie eben ein Charterzuggeschäft.

Viel Komfort vorausgesetzt

Was darf man von diesem Rollmaterial erwarten? Es sind ja keine Neubauten, wie sie etwa die ÖBB bei Siemens bestellt hat (und noch erwartet). Klar ist, was die Anforderungen von Seiten der SBB waren:

  • Nachtzug-Rollmaterial mit mindestens 160km/h Höchstgeschwindigkeit, Normalspur, klimatisiert, RIC-Zulassung, mehrspannungsfähig, geschlossene WC-Systeme, Brandmeldeanlagen, ep-Bremssteuerung sowie eine NBÜ nach DIN 15179
  • Schlafwagen mit mindestens 30 Bettplätzen und Liegewagen mit 10 Abteilen à 6 Liegeplätzen sowie rollstuhlgängige Liegewagen mit 8 Abteilen à 6 Liegeplätzen zzgl. rollstuhlgerechtem Liegeabteil und WC in definierter Anzahl

Über Kosten und Destinationen machen die SBB keine Angaben. Klar ist, dass im Distanzbereich 800-1500 Kilometer frühere beliebte Nachtzugdestinationen wie Amsterdam, Kopenhagen, Berlin oder Barcelona sicherlich wieder in den Überlegungen eine Rolle spielen.

Wehrle hielt aber fest: «Der Nachtverkehr erfreute sich 2019 bis zum Eintritt der Corona-Krise einem starken Nachfragewachstum. Die Anzahl der Reisenden in den Nachtzügen ab der Schweiz stieg im Vergleich zu Vorjahr um über einen Viertel. Die SBB sieht dies als einen nachhaltigen Trend im Kontext des stark gestiegenen Kundenbedürfnisses, umweltfreundlich und ressourcenschonend zu reisen.» Nach eigenen Schätzungen der SBB beläuft sich die Klimawirkung des heute bestehenden Nachtzugverkehrs ab der Schweiz auf eine Einsparung von rund 50'000 Tonnen CO2 jährlich. Dies entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Ausstoss von 30'000 Autos.

Ein wirtschaftlicher Betrieb von Nachtverkehren ist ohne zusätzliche Fördermittel jedoch nicht möglich. «Nachdem der Nationalrat die Totalrevision der CO2-Gesetzgebung in der Sommersession angenommen hat, ist im Herbst die Beratung des Gesetzes im Ständerat vorgesehen», so Wehrle, «das revidierte CO2-Gesetz sieht explizit eine Förderung grenzüberschreitender Zugreisen inklusive Nachtzüge als Alternative zu Flugreisen mit Klimafonds-Geldern vor. Angesichts der sehr langen Vorlauffristen für die Einführung neuer Nachtverkehre hat die SBB dennoch entschieden, bereits jetzt zu handeln und sich entsprechendes Rollmaterial für eine Inbetriebnahme neuer Nachtverkehrsverbindungen zu sichern.»

Wer sich ein Bild des RDC-Fuhrparks machen will, findet im folgenden Video entsprechende Infos.

(JCR)