Rail & Road

Mit den eigenen vier Wänden reisen - das hat in Corona-Zeiten einen ganz neuen Klang erhalten. Bild: Cruise America

«Wir haben die Raten bereits bis in den Herbst 2022 freigeschaltet»

Nicola Ahrens (Cruise America/Cruise Canada) hofft, dass Camping und Motorhome-Ferien nun einen Aufschwung erleben.

Nicola Ahrens

Die Motorhome-Branche leidet ebenfalls unter den Folgen der Coronavirus-Krise. Bereits letzte Woche diskutierten wir mit Schweizer Managern von wichtigen Branchenplayern über die aktuelle Lage und wie sie die Krise meistern. Nun haben wir auch noch bei Cruise America/Cruise Canada, einem der grössten Anbieter im nordamerikanischen Markt, nachgefragt.

Nicola Ahrens, seit über zehn Jahren Manager International Sales & Marketing von Cruise America/Cruise Canada sowie Board Member im Visit USA Committee Deutschland, hat sich unseren Fragen gestellt - und kann der schwierigen Situation auch Gutes abgewinnen: Vielleicht ist die «private Reiseform» im Motorhome ja langfristig ein Vorteil.


Wie ist es Cruise America bislang 2020 ergangen? Lässt sich das in Zahlen belegen?

Uns ergeht es wie vielen anderen in der Tourismusindustrie: Wir sind sehr enttäuscht, beinahe unser gesamtes Sommergeschäft aus der Schweiz und dem restlichen Europa verloren zu haben. Allerdings haben wir schon immer ein sehr robustes inländisches Geschäft gehabt und da die Amerikaner und Kanadier ebenfalls ihre Ländergrenzen nicht überschreiten und reisen dürfen haben wir uns auf unser «domestic business» konzentriert für diese Sommer.

Kann die Domestic-Nachfrage den International-Ausfall denn kompensieren?

Wie erwähnt, waren wir in der Lage, einen Teil der Verluste auszugleichen, welche durch die anfängliche Panik und die Schliessung der Grenzen entstanden sind. Sowohl die Amerikaner als auch die Kanadier befinden sich gerade in verschiedenen Phasen der Wiedereröffnung ihrer Volkswirtschaften und haben auch das Reisen wieder begonnen.

Wir wissen, dass wir grosses Glück haben, da Wohnmobilurlaube viel positive Presse erhalten haben in den letzten Wochen. Diese Form des Reisens bietet eine gute Möglichkeit zum «social distancing». Auch für diejenigen Personen, die der Risikogruppe angehören, haben wir einen Anstieg bei neuen Kunden festgestellt, welche reisen müssen, um ihre Familie zu sehen, oder die einfach mal eine Pause von den Ausgangssperren benötigen.

welche speziellen Hygienemassnahmen propagiert ihr nun im Verkauf?

Dies ist in der Tat ein Verkaufsargument, da die Menschen ein Bedürfnis nach Privatsphäre haben und lieber sich in ihren eigenen vier Wänden – wenngleich auf Rädern – bewegen. Wir reinigen grundsätzlich unsere Fahrzeuge sorgfältig vor jeder neuen Übernahme, haben aber darüber hinaus unsere Vorgaben und Prozesse nochmals an die Bestimmungen angepasst und verschärft. In einem Dokument haben wir alle Massnahmen beschrieben.

Welche Mittel hat Cruise America sonst noch ergriffen, um den Nachfragerückgang zu bewältigen?

Zu Beginn dieser Pandemie haben wir das gemacht, was jede andere Firma in unserer Situation getan hätte: Wir haben den Kauf von neuen Fahrzeugen ein wenig nach hinten verschoben, den Verkauf von älteren Fahrzeugen hingegen angekurbelt und die Anstellung von Saisonarbeitskräften zunächst ausgesetzt. Es war alles nicht so einfach, wie es vielleicht klingt. Aber dadurch, dass wir Ruhe bewahrt und keine voreiligen Entscheidungen getroffen haben, sind wir froh, mittlerweile wieder neue Arbeitskräfte an Bord nehmen zu können. Des Weiteren erhalten wir nun auch schon die zunächst verzögerten Neuwagenlieferungen.

«Insgesamt erwarten wir für 2021 eine etwas kleinere Flottenverfügbarkeit auf dem Markt.»

Wie sieht es mit 2021 aus? Was ist schon buchbar?

Um bei Umbuchungen den Reiseveranstalterpartnern und auch den Kunden möglichst viel Flexibilität zu ermöglichen, haben wir jüngst unsere Raten bereits bis in den Herbst 2022 freigeschaltet. Wir sind damit natürlich auch schon für den Sommer 2021 buchbar.

Wir freuen uns über einen leichten Anstieg der Buchungen aus dem Inland, aber auch aus dem internationalen Markt. Alle unsere Standorte sind geöffnet und bleiben offen. Wir haben am 1. Juni 2020 sogar einen neuen internationalen Standort in Austin (Texas) eröffnet und freuen uns, internationalen Kunden begrüssen zu dürfen, sobald die Grenzen offen sind und Reisen wieder möglich ist.

Haben die Probleme 2020 Einfluss auf die Flottenplanung?

Es ist noch etwas zu früh, um eine Aussage zu treffen. Insgesamt erwarten wir für 2021 eventuell eine etwas kleinere Flottenverfügbarkeit auf dem Markt - nicht von Cruise, sondern von allen Anbietern insgesamt. Sobald die Grenzen wieder geöffnet sind, die Fluggesellschaften ihre Routen wieder aufnehmen, und insbesondere wenn ein Impfstoff eingeführt wird, könnte sich dies unserer Ansicht nach schnell ändern.

Wie zuversichtlich bist Du, dass Cruise America gut aus der Krise rauskommt und weshalb? – Es bricht uns das Herz – so wie vielen anderen auch – zu sehen, zu welcher Gesundheits- und Wirtschaftskrise diese Pandemie weltweit geführt hat. Und zweifellos ist und bleibt dies eine sehr herausfordernde Situation. Wir sind jedoch äußerst zuversichtlich, dass wir gestärkt aus dieser Krise herauskommen werden. Unsere Stärke ist, dass wir seit fast 50 Jahren auf dem Markt sind. Dies ist ohne Frage eine der schwersten Krisen, die wir je erlebt haben. Es ist jedoch nicht die erste, der das Unternehmen begegnet ist, und unser Geschäftsmodell ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt und darauf, diese Art von Situationen zu überstehen.

Was erwarten Sie für die gesamte Motorhome-Branche für die kommende Zeit?

Wir erwarten, dass das Thema Camping an Popularität zunehmen und dass die Nachfrage in Zukunft weiter steigen wird. Wir beobachten einen Trend, die Menschenmassen zu meiden und sich auch wieder mehr der Natur zuzuwenden. Das Thema «Digital Detox» wird eventuell auch immer wichtiger – wie kann man sich besser der digitalen Welt entziehen, als sich im Camper in einen National, State oder Provincial Park zu begeben, wo man häufig mit einem Funkloch rechnen kann?

Ein Wohnmobilurlaub bietet eine hervorragende Gelegenheit, sich im kleinen Kreis der Familie oder den Freunden zu widmen, sich «back to the roots» zu besinnen und dabei selber entscheiden können, wohin man reist, wo man bleibt – wissend, dass man alles Wesentliche für den Komfort wie Küche, Dusche, Toilette und Bett stets dabei hat.

(JCR)