Rail & Road

Wer mit dem Motorhome verreist, muss sich wenigsten keine Sorgen wegen Infektionsgefahr durch andere Reisende machen. Bild: Willian Justen de Vasconcellos

Motorhome-Ferien werden künftig teurer

Jean-Claude Raemy

Viele Fernreiseziele, darunter gerade beliebte Motorhome-Destinationen wie Nordamerika oder Ozeanien, sind aktuell für internationale Gäste nicht zugänglich. Wie geht die Motorhome-Branche damit um? Welche spezifischen Probleme, aber auch Vorteile hat sie? Wir haben bei drei Schweizer Managern von wichtigen Marktteilnehmern nachgefragt.

«Unsere Auslastung ist tiefer, aber wir erzielen höhere Beiträge pro Miete»

Daniel Schneider

Daniel Schneider, Director USA, Tourism Holdings Limited (Marken Britz, Maui, Road Bear, El Monte, Mighty, KEA et al.)

«In der Krise muss man sich neu erfinden! Ich denke, das ist uns gut gelungen. Wir haben frühzeitig die Storno-Policen angepasst: Kunden, die mit einer Annullation zuwarten, können sehr kurzfristig kostenlos annullieren, sofern sie wegen der geltenden Reisebestimmungen nicht reisen können. Wer aus eigenen Stücken wegen Angst annulliert, ist an gängige Annullationsbedingungen gebunden.

Die Idee ist, dass unsere Veranstalterpartner die Buchungen möglichst lange halten können und nicht in die Rückvergütungs-Bredouille, etwa wegen Flügen, geraten. Darüber hinaus haben wir für die TO-Partner auch Super-Early-Birds lanciert mit Rabatten von bis zu 20 Prozent, um die Saison 2021 zu lancieren.

Die Lage ist natürlich ernst. Seit März wurde aus dem internationalen Markt für Nordamerika und Ozeanien alles annulliert. Aber wir haben das Gespräch vor Ort gesucht und Abnehmer gefunden. In Los Angeles etwa konnten wir zahlreiche Fahrzeuge langfristig an den Bundesstaat Kalifornien vermieten, der diese als Übergangs-Unterkünfte benötigte. Auch mit Firmen, etwa aus dem Energiesektor oder mit einer Filmproduktionsfirma, konnten langfristige Mietverträge für zahlreiche Motorhomes abgeschlossen werden. Das hat den Nachfragerückgang etwas abgefedert.

Seit der Lockerung der Lockdowns verspüren wir auch ein klares Nachholbedürfnis bei vielen Kunden. Es kommt uns sicher zugute, dass ein Motorhome aktuell als gesundheitlich sicherer empfunden wird als Flüge oder Hotelaufenthalte. Wir haben natürlich die Hygienemassnahmen angepasst. Wir haben nun sehr viele Buchungen aus den Domestic-Märkten, diese kommen aber meist sehr kurzfristig rein und kompensieren die Verluste aus dem internationalen Geschäft nicht. Immerhin: Unsere Auslastung ist tiefer, aber wir erzielen höhere Beiträge pro Miete, weil kurzfristige Kunden nicht von Early-Birds und dergleichen profitieren können.

Wichtig ist natürlich auch das Flottenmanagement. Wir haben unsere Techniker beschäftigt, alle Fahrzeuge auf Vordermann zu bringen. In den USA haben viele Fahrzeugbauer überreagiert und die Produktionen sofort eingestellt, während Händler kaum mehr über solche verfügten. Wir können nun von der hohen Nachfrage nach RVs profitieren. Im Mai haben wir 10x mehr verkauft als im Vormonat April, im Juni werden wir so viele Fahrzeuge wie noch nie verkaufen. Die Flotte können wir damit sanft reduzieren und das Geld für Neukäufe im nächsten Jahr nutzen. Das Durchschnittsalter unserer USA-Fahrzeugflotte wird 2021 jünger sein und die richtige Grösse haben. Eine Kapazitätsanpassung, im Gesamtmarkt, war ohnehin überfällig. Dadurch werden auch die Preise wieder vernünftiges Niveau erreichen. Wer sehr früh bucht, kann aber Preise unter Vorjahr finden, wer wartet, wird sich tendenziell mit höheren Preisen konfrontiert sehen. Die Frühbuchertarife 2021 sind jedenfalls schon raus und gute Verkäufer haben auch schon gut verkauft. Das waren bislang vor allem Direktanbieter. Zwar hat die Mehrheit der gebuchten Kunden annulliert, aber wir stehen in Sachen Rebookings nicht schlecht da. 2021, mit weniger Kapazität im Markt, sind wir also zuversichtlich. Dieses Jahr ist die Hochsaison eigentlich tot, aber wie erwähnt konnten wir dies in den USA mit aussergewöhnlichen Massnahmen und guten Abverkäufen abfedern.

Australien und Neuseeland sieht etwas anders aus; diese Märkte bleiben wohl auf längere Sicht komplett abgeschottet und dort kann die Domestic-Nachfrage nur wenig Abhilfe schaffen. In Europa, wo wir das Vereinigte Königreich und insbesondere 2019 Schottland lanciert hatten, wären wir eigentlich sehr gut gestartet. Es kam aber zum Stillstand und zahlreiche Fahrzeuge konnten nicht vom Werk in Italien auf die Insel überführt werden. Die aktuellen Quarantänebestimmungen helfen natürlich nicht, das Geschäft wieder hochzufahren. Falls diese fällt, kommt vielleicht noch etwas rein. Aber die Saison ist eigentlich gelaufen. Alles in allem sind wir den Umständen entsprechend zufrieden und haben wohl das Beste aus dieser schwierigen Lage gemacht.

Unter dem Strich glaube ich zudem, dass unser Unternehmen gestärkt aus dieser Krise kommen wird: Die Firma ist straffer, die Auslastungen werden optimiert und das durchschnittliche Fahrzeug-Alter reduziert. Wir rechnen damit, dass RVs vermehrt interessant werden - Stichwort Mobiles Arbeiten - und dass sich die Lage in Europa und Ozeanien auch bald wieder etwas normalisieren wird. Die Corona-Krise hat auch gezeigt, wie Quality Time wichtiger ist als das Hamsterrad des Dauerkonsums. Touristisch gesprochen bieten wir dafür mit Motorhomes das passende Angebot. Deshalb werden wir aus der Krise finden.»

«Motorhomes sind das beste Reisemittel in der Corona-Zeit»

Daniel Künzi

Daniel Künzi, General Manager Europe, Apollo RV Holidays

«In Europa sind wir seit dem 18. Mai wieder am Vermieten. Davor war die Lage ausgesprochen schwierig, zumal wir im Bundesland Schleswig-Holstein operieren, wo ein kompletter Lockdown in Kraft war. Aber nun wird wieder gebucht; seit dem 25. Mai ist auch Mecklenburg-Vorpommern offen und diverse weitere Länder, wenngleich der wichtige Markt Skandinavien noch nicht richtig geöffnet ist. Aber immerhin geben uns die EU-Binnengrenzöffnungen einen gewissen Boost. Wir liegen in Europa klar über dem ursprünglichen Forecast, und ich sehe in Europa noch Wachstumspotenzial, kurz- und mittelfristig.

Die Vorausbuchungen für Europa wurden bis und mit Juni zur Hälfte annulliert; Buchungen ab Juli konnten wir zu 95 Prozent halten, der Rest wurde auf 2021 umgebucht. Damit ist der Juli praktisch ausgebucht, im August und September hat es noch etwas Platz. Auffällig ist, dass extrem kurzfristig gebucht wird. Die Kunden sind vorsichtig, weil es viele Unsicherheiten gibt; es wird zurückhaltend gebucht, solange die Grenz- und Flugsituation unsicher ist.

Die Lage in Nordamerika und Ozeanien ist ganz anders. Buchungsannullierungen für Australien und Neuseeland sind wir am abarbeiten. Die Wholesaler versuchen die Buchungen natürlich so lange wie möglich zu halten; für uns ist das aber nicht gut, denn wir wollen uns dort voll auf den Domestic-Markt konzentrieren können. Die USA-Saison ist derweil für 2020 wohl gelaufen, da geht nichts mehr. Wir haben dort die Flotte komplett verkauft bzw. geleaste Fahrzeuge zurückgegeben, ein drastischer Schritt, der aber notwendig war. Es ist davon auszugehen, dass wir künftig mit kleineren Flotten in diesen Märkten unterwegs sein werden. Wie gut sich der internationale Markt erholt, ist schwierig abzuschätzen; wir rechnen erst 2022 wieder mit viel Longhaul-Reisenden und damit Motorhome-Kunden. Immerhin sind in Nordamerika und Ozeanien die Heimmärkte stark; das kompensiert die Ausfälle aus dem internationalen Markt aber niemals. Schon nur, weil Einheimische in der Regel kürzer mieten als ausländische Kunden.

Langfristig werden die Preise steigen, nach einer anfänglichen Discount-Schlacht - in der Airline-Branche, bei Veranstaltern und auch im Motorhome-Bereich. Wer weiss, ob wir von den Banken für die Finanzierung der Flotte 2021 wieder gleiche Konditionen erhalten? Das steht noch aus. Steigen die Zinssätze, müssen wir die Preise nach oben anpassen. Aktuell sieht es aber so aus: Das Programm 2021 ist buchbar; wir haben die Tarife und Bedingungen 2020 einfach übertragen. Wegen der Unsicherheit bieten wir Flexibilität: Annullationen sind bis Ende Oktober bis 30 Tage vor Abreise kostenlos.

Man muss festhalten: Motorhomes sind das beste Reisemittel in der Corona-Zeit. Man ist autark unterwegs; auf Campings sind Stellplätze reduziert und zahlreiche Hygienemassnahmen bereits eingeführt. Wir halten die Fahrzeuge nach Rückgabe 1-2 Tage extra zurück und haben für die externe Reinigungsfirma spezielle neue Auflagen geschaffen. Auch die Fahzeug-Übernahme gestaltet sich anders: Wir bitten, die Pre-Registration per Online-Link vorgängig zu erledigen; für die Erklärungen zum Innenleben der Fahrzeuge haben wir Videos kreiert, die auch den Vertriebspartnern zur Verfügung stehen. Das Äussere kann man wie bisher, unter Einhaltung von Social-Distancing-Regeln, erklären.

In Europa können wir nach der Kurzarbeits-Verordnung ab Juli wieder 100% auf unseren Staff zählen. In den USA wurden viele Angestellte entlassen, können aber auch rasch wieder eingestellt werden; in Kanada ist das etwas komplizierter, und dort gibt es auch bessere soziale Auffangnetze vom Staat. In Australien und Neuseeland wurden die Öffnungszeiten reduziert und es kam zu Entlassungen; es gibt aber ein «Jobkeeper-Program», das Abhilfe schafft. Dieses läuft aber im September aus. Insgesamt also bin ich für Europa zuversichtlich, für die Fernziele etwas unsicherer. In Europa und Ozeanien sind wir übrigens auch beim Thema Nachhaltigkeit mit unserer Flottenzusammensetzung gut aufgestellt - dieses Thema wird wieder kommen. Die Situation ist und bleibt schwierig, aber wir sind zuversichtlich.»

«Wir werden mit einer sehr kleinen Flotte in den Winter 2020/21 gehen»

Ernst Dähler

Ernst Daehler, President, Best Time RV

«Wir hatten Ende Februar einen praktisch ausgebuchten Sommer 2020 und dachten, es gibt wieder ein gutes Jahr – dann kam die Krise und die Annullationswelle trat los. Wir fielen buchstäblich von 100 auf 0 zurück. Die Rückgänge können nicht von unserer Muttergesellschaft absorbiert werden – wie auch? Wir helfen uns selbst. Sprich: Wir verblieben im «Wintermodus», mussten dafür keine Mitarbeiter entlassen und haben natürlich auch keine Saisonniers für den Sommer eingestellt. Wir verkleinern uns, wo immer es geht, um die Kosten so tief wie möglich zu halten.

Die Nordamerika-Saison 2020 dürfte gelaufen sein. Die Domestic-Nachfrage kann den International-Ausfall nicht kompensieren. Best Time RV ist auf den internationalen Markt ausgerichtet, der jeweils viel früher als der lokale Markt bucht. Im Frühjahr sind wir jeweils praktisch ausgebucht und bis der lokale Markt bucht, haben wir keine Verfügbarkeiten mehr. Deshalb hatten wir den lokalen Markt bisher vernachlässigt. Wir können zwar momentan einige Lokalbuchungen machen, aber das sind Peanuts im Vergleich zu den internationalen Buchungen.

Betreffend 2021 sind verlässliche Aussagen noch zu früh – ich glaube auch nicht daran, dass 2021 schon rasch gebucht wird. Die Kunden werden abwarten, was passiert. Buchbar sind bei uns aber bereits Angebote bis März 2022. Der Einfluss auf die Flottenplanung ist durch die neue Situation sehr gross. Glücklicherweise hat im Mai ein Boom beim Abverkauf der Flottenfahrzeuge eingesetzt. Vor allem in den USA und in Kanada sieht man momentan eine grosse Nachfrage nach Wohnmobilen. Ich nehme an, dass alle Anbieter zur Zeit sehr gut abverkaufen können. Wir werden mit einer sehr kleinen Flotte in den Winter 2020/21 gehen und dann opportunistisch handeln, je nachdem wie sich 2021 entwickelt.

Positiv ist, dass RVs optimal sind für Kunden, die sich vor Ansteckungen fürchten. Das ist klar ein Verkaufsargument. Wir haben zahlreiche spezielle Hygienemassnahmen getroffen und diese neuen Procedures an unsere Kunden, also an die TO's weltweit, kommuniziert.

Wir geben unser Bestes, durch die Situation zu kommen, indem wir die Kosten unter Kontrolle halten, die Flottengrösse drastisch verkleinern, allenfalls auch Stationen schliessen für den Rest von 2020. Wie es schlussendlich rauskommt, wird sich daran messen, wie rasch wieder gebucht wird. Diejenigen, die finanziell gesund sind, werden die Krise überleben.»