Rail & Road

Das Geschwisterpaar Brigitte und Marcel Heggli mit Hund Numi vor einem der eigenen Reisecars: Die Lage ist ernst, aber sie behalten die Zuversicht. Bild: zVg

«Unsere Kunden können sorglos in unseren Reisecars unterwegs sein»

Jean-Claude Raemy

Was ist eigentlich mit der Busbranche? Diese muss sich mit neuen Auflagen herumschlagen. Das ist für viele Busbetreiber ein Problem. Wir haben uns zur aktuellen Lage mit Marcel und Brigitte Heggli, Mitglieder der Geschäftsleitung der Heggli AG in Kriens, unterhalten.

Vor rund einem Monat hat der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG ein mehrseitiges Schutzkonzept verabschiedet. Mit dem Schutzkonzept der ASTAG bekenne sich die Reisebusbranche vollumfänglich zu den Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG), schrieb die ASTAG, trotz erheblichem Zusatzaufwand, verbunden mit Mehrkosten, würden dadurch die Hygienevorgaben und Abstandsregeln bestmöglich eingehalten. Grundlage dafür war eine ausführliche «Checkliste» mit sehr detaillierten Massnahmen. «Alle Kundinnen und Kunden dürfen daher jederzeit, sei es auf Tagesausflügen, Mehrtagesfahrten oder auch Ferienreisen, das volle Vertrauen in die Carunternehmen setzen», schrieb die ASTAG dazu, «im Zentrum stehen die Sicherheit und das Wohlbefinden der Gäste – für ein ungetrübtes Reisevergnügen in der Schweiz und hoffentlich bald auch für grenzüberschreitende Fahrten!»

Das klingt ja eigentlich alles wunderbar. Doch wie geht es der Carreisebranche wirklich? Wir haben bei der Heggli AG aus Kriens nachgefragt: Dort leitet Brigitte Heggli den Bereich Carreisen, ihr Bruder Marcel den Bereich Reisebüro; beide sind Mitglied der Geschäftsleitung des seit über 120 Jahren bestehenden Familienunternehmens. Heggli Reisen weltweit ist auch Mitglied beim Verein TwD (Travel with a difference) sowie im Schweizer Reise-Verband (SRV).


Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Reisebus-Branche im allgemeinen?

Die Reisebusbranche leidet enorm. Umsatzrückgänge von bis zu 100 Prozent sind seit Mitte März und bis Mitte Juni an der Tagesordnung. Obwohl man jederzeit mit Reisebussen hätte fahren dürfen, blieb die Kundschaft komplett weg - egal, ob es sich um Ferienreisende, Vereine, Schulen, Firmen oder ausländische Gäste handelt. Ganz langsam werden ab Juni wieder einzelne Fahrten getätigt.

Als Busunternehmen kann man wohl froh sein, wenn man 2020 auf einen Umsatz von 20–30 Prozent des Vorjahres kommen kann. Absagen gibt es jetzt schon für das ganze Jahr, da viele Veranstaltungen auf 2021 verschoben wurden und viele Firmen ihr Reise-Budget für 2020 gestrichen haben. Ebenfalls ist wohl mit internationalem Tourismus erst wieder auf 2021 zu rechnen.

Die Buskundschaft ist eher älter – das ist in Corona-Zeiten wohl ein Nachteil. Aber Sie können dafür auch problemlos Schweiz-Reisen anbieten – das ist doch aktuell vielleicht ein Vorteil. Wo sehen Sie in naher Zukunft Chancen fürs Geschäft?

Wir haben selber nur ein kleines, eigenes Programm; Musik- und Erlebnisreisen sowie Rock-Express. Hier sind alle Fahrten bis in den September annulliert oder verschoben worden. Unsere Kundschaft ist eher jünger als bei anderen Unternehmen, aber die Veranstaltungen finden grösstenteils gar nicht 2020 statt - eben gerade Musicals, Konzerte und solches. Hier können wir auch keine Alternativen anbieten.

Wir werden jedoch versuchen, neue Reisen in der Schweiz und im angrenzenden Ausland anzubieten. So lancieren wir zum Beispiel neu «Numi’s Hundereisen», für Leute, welche mit ihrer Fellnase verreisen möchten. Dies ist ein ganz neues Segment und liegt uns selber persönlich am Herzen. Gut erzogene Hunde können problemlos im Reisecar mitfahren!

Was geschah eigentlich mit den bereits gebuchten Reisen? Gab es ein Rückerstattungsproblem?

Die meisten Veranstaltungen wurden verschoben und die Tickets sowie die Carfahrt behalten ihre Gültigkeit. Ebenso wurden sehr viele Vereins- und Firmenreisen verschoben. Ausser bei ausgeschriebenen Fahrten werden Carfahrten immer erst im Nachhinein verrechnet. Somit gab es auch keine Rückerstattungen, da die Fahrten noch gar nicht bezahlt waren. Es wurde allenfalls eine kleine Bearbeitungsgebühr erhoben oder die Reise auf ein neues Datum kostenlos umgebucht.      

«Gut erzogene Hunde können problemlos im Reisecar mitfahren!»

Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG hat ein mehrseitiges Schutzkonzept verabschiedet, welches für den Betrieb von Reisebussen eine ausführliche «Checkliste» mit sehr detaillierten Massnahmen beinhaltet. Sind diese Massnahmen wirtschaftlich umsetzbar und seid Ihr dafür gerüstet?

Wir sind gerüstet und unsere Kunden können sorglos in unseren Reisecars unterwegs sein. Diese wurden auch vor Corona schon täglich gründlich gereinigt. Auf unserer Homepage sind unsere Schutzmassnahmen auch dokumentiert und unsere Kunden werden bei der Beratung und Buchung natürlich auch diesbezüglich informiert.

Wie sieht es eigentlich beim Reisebüro aus? Was ist dort das dringlichste Anliegen?

Mit den beiden Reisebüros in Kriens und Emmenbrücke ist es unser höchstes Anliegen, einen optimalen Kundenservice zu bieten. Es ist uns wichtig, für die Kunden auch zu eingeschränkten Zeiten erreichbar zu sein und die Umbuchungen, Annullationen und Rückzahlungen soweit wie möglich speditiv abzuwickeln. Dies schafft Vertrauen und unsere Kunden schätzen dies sehr und bedanken sich per Mails, Telefon und teilweise sogar mit grosszügigen Einlagen in die «Teamkässeli». Vor allem die Kunden zum Umbuchen zu überzeugen braucht manchmal viel Gespür. Hier ist für uns auch die Unterstützung und Flexibilität unserer Reiseveranstalter-Partner für uns sehr wichtig. Zufriedene Kunden sind in dieser Zeit unser Kapital, da auch sie durch Weiterempfehlung wieder für Neukunden sorgen.

Was machen Sie auf der Kostenseite?

Auf der Kostenseite versuchen wir, die unterstützenden Massnahmen wie Kurzarbeit, Covid19 Kredit etc. effizient zu nutzen. Wir haben auch einen sofortigen Einstellungsstopp verfügt. Wir hoffen, dass der SRV und die gegründete Taskforce der Reisebranche in Bern noch mehr Gehör finden und weitere Unterstützungen gesprochen werden.

Finden Sie denn, den spezifischen Anliegen der Busbranche wird genügend Aufmerksamkeit gegeben?

Nein, die Anliegen werden nicht genügend beachtet, weder politisch noch wirtschaftlich. Unser primärer Ansprechpartner ist übrigens ganz klar CTS (Car Tourisme Suisse) der ASTAG. Wir sind in engem Kontakt und auch selber aktiv in der ASTAG tätig. Auf Reisebüroseite verfolgen wir die Aktivitäten des SRV und tauschen uns unter den TWD-Mitgliedern fast täglich aus. Viele Informationen erhalten wir auch über die diversen Branchenprofis-Facebook-Seiten, die wir abonniert haben.

«Die letzten Jahre hatten wir ein Überangebot an Fahrzeugen in der Schweiz.»

Wie vertreiben Sie eigentlich Ihre Busreisen?

Wir verkaufen unser sehr kleines Programm selber in unserer Carabteilung und in unseren beiden Reisebüros. Für unser kleines, spezielles Programm wird es wohl nicht allzu grosse Änderungen geben. Für die gesamte Carbranche jedoch ganz sicher.

Wie gross ist Ihr Fahrzeugpark? Die reinen Instandhaltungskosten sind ja vermutlich recht hoch in dieser Zeit, in der Fahrzeuge weniger genutzt werden…

Wir haben 12 Fahrzeuge, die für die Carabteilung unterwegs sein sollten. Wir haben bereits Mitte März die Kontrollschilder deponiert und die Zeit für Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten genutzt.  

Was haben Sie für Massnahmen getroffen, um die ertraglose Zeit zu überbrücken?

Wir haben das grosse Glück, dass unser Betrieb sehr vielseitig aufgestellt ist und wir nicht nur vom Tourismus abhängig sind. Etliche unserer Carchauffeure können in anderen Bereichen aushelfen. Wir sind jedoch in der Carabteilung und im Reisebüro seit Mitte März auf Kurzarbeit, wir führen Gespräche mit Banken und Leasing-Gesellschaften und haben vorübergehend einen Covid-Kredit beantragt. Unser Ziel ist es, keine Entlassungen vornehmen zu müssen.  

Wird sich aus Ihrer Sicht die Bus-Branche konsolidieren?

Auf jeden Fall. Die letzten Jahre hatten wir ein Überangebot an Fahrzeugen in der Schweiz; dies wird sich jetzt sicher ändern.

Wie zuversichtlich sind Sie für Ihr eigenes Unternehmen?

Mittelfristig sind wir sowohl für den Bereich Carreisen als auch für die beiden Reisebüro sehr zuversichtlich. Der Reisecar ist das umweltfreundlichste und sicherste Verkehrsmittel überhaupt und dazu auch noch sehr flexibel. Unsere Reisebüroprofis, die schon seit Jahren bei uns im Einsatz sind, haben sich eine grosse Stammkundschaft aufgebaut, auf die wir auch in Zukunft zählen. Wir sind jedoch überzeugt, dass sich sowohl die Carbranche wie auch die Reisebürobranche verändern werden. Wie schon seit mehr als 125 Jahren bereit, Veränderungen positiv entgegenzunehmen, flexibel zu agieren und schnell auf neue Bedürfnisse einzugehen. Getreu unserem Slogan «Begeisterung in Fahrt», werden wir auch in Zukunft für unsere Gäste bereit sein und ihnen ein tolles, umweltfreundliches, komfortables und sicheres Reisen bieten.