Rail & Road

Die Deutsche Bahn gibt die Schlafwagen auf

Die Deutsche Bahn erwartet ein Milliarden-Defizit. Sie wird die Nachtzüge Ende 2016 deshalb einstellen.

Schon Anfang Jahr demonstrierte der Verein umverkehR noch für die Erhaltung der Nachtzüge, diesen Donnerstag folgte die nächste Aktion vor dem SBB-Hauptsitz.  Doch die meisten der klassischen Schlafwagen rentieren schlicht weg nicht mehr. Die spanische Renfe strich ihre Talgo-Verbindung von Zürich nach Barcelona. Die SBB und die italienischen Staatsbahnen kappten die Verbindungen Richtung Süden und zuletzt strich die Deutsche Bahn (DB) den Nachtzug nach Kopenhagen. Die City-Nightline-Züge nach Amsterdam, Hamburg, Berlin, Dresden und Prag würden jedoch weiter geführt, hiess es noch vor einem Monat bei der Deutschen Bahn.

Nun kommt alles anders. Die Deutsche Bahn verkündete diese Woche den grossen Konzernumbau. Der Grund: In diesem Jahr dürfte die DB erstmals seit vielen Jahren unterm Strich wieder einen Verlust schreiben: 1,3 Milliarden Euro soll das Minus betragen. Genaues steht erst mit dem Jahresabschluss im März fest. Die Bahn erwartet in diesem und im nächsten Jahr Sonderbelastungen in Höhe von zwei Milliarden Euro. Davon entfallen 1,3 Milliarden auf Abschreibungen im Güterverkehr.

Zudem gab die DB bekannt, dass sie nur noch bis Ende 2016 klassische Nachtzüge betreiben werde. Laut Radio DRS hatte das Geschäft 2015 bei einem Umsatz von 90 Millionen Euro einen Verlust von 32 Millionen Euro einfahren. Deshalb, so die DB, sei ein «Konzept zur Überführung der klassischen Nachtzugverkehre in ein neues Nachtreise-Angebot» ausgearbeitet worden. Konkret will die DB in der Nacht vermehrt Hochgeschwindigkeitszüge — ohne Liegen — vom Typ ICE sowie Busse einsetzen.

Hoffnungsträger ÖBB

Für Philippe Koch, den Geschäftsführer der Schweizer Umweltorganisation umverkehR, ist das ungenügend: «Für längere Strecken ist dies keine Alternative. Es fehlen der Komfort und die Ruhe.» Nachtzüge seien für viele, die auf den Flieger verzichten möchten, unersetzbar, sagt Koch. Seine letzte Hoffnung sind die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die den Nachtzug von Zürich nach Wien und Budapest betreiben und daran festhalten wollen. In Österreich glaube man noch an das Nachtzuggeschäft und man habe eben erst Wagen für das eigene Netz Richtung Osten gekauft. Dies weckt bei der Umweltorganisation die Hoffnung, dass die Österreicher beim europaweiten Nachtzugangebot in die Lücke springen könnten. Michael Braun, Pressesprecher der Österreichischen Bundesbahnen, bestätigt, dass die ÖBB am Nachtzugangebot festhalten wollen.

Dass sie von der Deutschen Bahn weitere Nachtzugverbindungen übernehmen könnten, schliesst er immerhin nicht aus: «Das klingt interessant und wir sind mit den Kollegen der Deutschen Bahn im Gespräch. Aber das ist nur eine von vielen Möglichkeiten.» Man müsse sich das gut überlegen und selbst erst einmal den «Rechenschieber» hervornehmen, sagt Braun im Schweizer Radio. Der Pressesprecher erwartet, dass der Entscheid im kommenden Frühjahr fallen wird. Hamburg, Amsterdam, Berlin, Kopenhagen, Prag – auch im besten Fall werden die (immer weniger werdenden) Nachtzug-Fans künftig nur noch einen Teil ihrer Wunschdestinationen auf einer schmalen Liege schlafend erreichen können.

Die SBB hält ihrerseits an ihrer Strategie fest, keine Nachtzüge mehr zu betreiben, wie SBB-Sprecherin Franziska Frey auf Anfrage der SDA erklärte. Sollte es aber bei den Nachtzügen zu einem Betreiberwechsel kommen, wäre die SBB offen, den neuen Betreiber - wie bisher die DB auch - mit Leistungen zu unterstützen. Dazu gehören etwa die Instandhaltung und Reinigung der Wagen, das zur Verfügung stellen von Lokomotiven oder Unterstützung bei der Vermarktung”.

(SW)