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Künftig wird Dertour Suisse mit 120 Filialen in der Schweiz präsent sein. Bild: Dertour

Kommentar Eine Integration, die sich in die Länge zieht

Gregor Waser

Der grobe Plan steht, wie sich Dertour Suisse die gemeinsame Zukunft mit der Hotelplan Group vorstellt. Noch bleiben aber viele Fragen offen.

Als am 1. Februar 2024 die Migros bekanntgab, sich von der Hotelplan Group trennen zu wollen, war noch nicht absehbar, dass ein Verkauf und eine Integration in ein neues Gebilde über vier Jahre dauern wird, sich wie ein Kaugummi in die Länge zieht. Dies ist nun aber der Zeithorizont: Dertour Suisse skizzierte gestern in einer Mitteilung, dass die geplante Umsetzung der neuen Struktur bis Ende 2027 dauern wird.

Klar, zwei Schwergewichte mit vielen kongruenten Geschäftbereichen in eine neue Struktur zu giessen, kann nicht über Nacht geschehen, braucht seine Zeit. Aber vier Jahre? Dass der Verkaufsprozess bis zum grünen Licht der Weko von Februar 2024 bis August 2025 dauerte, dafür kann die Käuferin Dertour nichts. Und dass es nun nochmals zwei Jahre dauern wird, bis das künftige Haus fertig gebaut ist, mag lang erscheinen, zeugt positiv gesehen aber von einer gewissen Umsicht, fern von einem Schnellschuss.

Aber vier Jahr bis zur finalen Gewissheit sind lang, insbesondere für Mitarbeitende, die um ihren Job bangen. Dass die Dertour-Suisse-Führung alles daran setzen will, um die Veränderungen so verantwortungsvoll, fair und respektvoll wie möglich zu gestalten, ist löblich, aber eine schnellere Umsetzung, gerade mit der Vorgeschichte des schleppenden Verkaufs, wäre für manch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter wünschenswert.

Einzelne Standorte unter der Lupe

Insgesamt 15 Filialen sollen geschlossen werden, Ende 2026 soll Dertour Suisse dann noch über 120 eigene Reisebüro-Filialen verfügen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sollen darüber entscheiden, an welchen Standorten Filialen zusammengeführt werden.

In Beispielen wie Bülach, Glattzentrum-Wallisellen und Neuenburg liegen die Kuoni- und Hotelplan-Filialen nur wenige Meter voneinander entfernt. Dass in Fällen wie diesen gemeinsame Sache gemacht werden könnte und nur noch ein Standort übrigbleibt, erscheint wirtschaftlich logisch. Die Frage an den einzelnen Standorten bleibt, wer effektiv das Rennen machen wird. An der Marke Hotelplan hält Dertour Suisse fest, insofern müssen Hotelplan-Filialen bei einer Zusammenlegung nicht zwingend den Kürzeren ziehen.

Dies unterstreicht auch Dertour: «Unter welcher Marke die Filialen künftig auftreten, wird für jeden Standort individuell geprüft.» Die Möglichkeit, die Mitarbeitenden von künftig geschlossenen Filialen später in der einstigen Konkurrenzfiliale arbeiten zu lassen, erscheint aber herausfordernd.

Eine weitere Frage bleibt, wo denn die kürzlich noch total 152 Filialen geblieben sind? Gemäss Travelnews-Zählweise waren bis vor eineinhalb Jahren noch 70 Kuoni- und 82 Hotelplan-Filialen in der Schweiz präsent. Gestern war seitens Dertour Suisse zunächst die Rede von aktuell noch «rund 140 Filialen», bei einer Nachfrage dann noch von 137 Filialen. Und künftig sollen es 120 Filialen sein – oder 15 Filialen weniger als bisher, wie Dertour schreibt.

Stiller Abschied von Travelhouse

Aus der vierseitigen Mitteilung von Dertour Suisse geht hervor, dass das künftige Unternehmen auf starke Marken setzt. Ebenso soll eine gemeinsame Plattform, den Einkauf und die Produktion effizienter bündeln. Viel ist in der Mitteilung auch die Rede von Vorteilen, von denen Kundinnen und Kunden heute schon und künftig profitieren werden: Kuoni und Helvetic Tours können auf die Charterkontingente von Hotelplan zugreifen, Hotelplan hat Zugang zum immensen Hotelportfolio von Dertour. Schön, dass die Kundschaft auf Kontinuität zählen kann sowie auf eine Vielfalt unter dem gemeinsamen Dach.

Nicht explizit und nur zwischen den Zeilen geht dann aber hervor, dass sich Dertour von Travelhouse verabschiedet. Da heisst es: «Geplant ist, die Expertise der Travelhouse- und Kuoni Specialists-Teams (Asia365, Cotravel, Dorado Latin Tours, Kuoni Cruises, Golf & Travel, Kontiki Reisen, Kuoni Sports Travel, Manta Reisen, Private Safaris) künftig zu bündeln».

Erst auf Nachfrage einer Nachrichtenagentur ist dann zu erfahren: Travelhouse verschwindet. Still und leise. Die Frage bleibt: Was passiert mit den bisherigen Travelhouse-Mitarbeitenden? Finden sie alle Unterschlupf bei den Kuoni Specialists? Einige der bisherigen, fachlich kompetenten Travelhouse-Mitarbeitenden müssen sich diese Frage nicht mehr stellen. Sie haben während des schleppenden Übernahmeprozesses eine neue Herausforderung gefunden, etwa bei Knecht Reisen.

250 Stellen weg

Dass es punktuell und aus wirtschaftlichen Gründen da und dort zu einem Stellenabbau im Zuge der Integration kommen könnte, hat die Dertour-Spitze in den vergangenen Monaten nie verneint. Dass nun aber gleich 250 Stellen betroffen sind, überrascht.

Immerhin lässt sich das Unternehmen zwei Jahre Zeit dafür und versucht, wann immer möglich, den Abbau durch natürliche Fluktuation zu erreichen. Das Warten dauert vorerst für viele Mitarbeitende damit aber weiter an – wohl mehrheitlich für solche mit Hotelplan-Namensschild. Bis Mitte Dezember läuft noch das Konsultationsverfahren, bei dem der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmenden Vorschläge prüft, um Kündigungen möglicherweise noch zu vermeiden.

Chance für Mitbewerber

Wenngleich sich der Fachkräftemangel in der Reisebranche in den letzten zwei Jahren mehrheitlich aufgelöst hat, fachlich gute Reiseprofis oder gute IT- und Backoffice-Leute haben in der Schweizer Reisebranche weiterhin gute Chancen, um bei anderen Unternehmen eine neue Herausforderung zu finden. Für die 250 Leute, die ihre Stelle verlieren, bietet die aktuell florierende Schweizer Reisebranche jedenfalls Job-Optionen.

In dieser Phase des Dertour-Hotelplan-Integrationsprozesses dürften die Dertour-Mitbewerber präsent sein, wenn es darum geht, eigene Chancen wahrzunehmen. Einerseits öffnet sich ein Mitarbeiter-Pool, der von Interesse sein könnte. Gleichzeitig bietet der schleppende Prozess beim Branchenprimus möglicherweise Chancen, da oder dort Marktanteile zu gewinnen.

Und die letzte Frage: Wie ruhig wird es bei Dertour Suisse künftig? Wird Ende 2027 ein fixfertiges, stabiles Unternehmen mitten im Schweizer Reisemarkt stehen? Oder kommt es möglicherweise zu einem weiteren Abbau, sollte sich der neue Supertanker als zu unbeweglich erweisen?