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Die Anzahl von Konflikten weltweit hat in den letzten Jahren zugenommen – mir Auwirkungen auf Reisende. Bild: Adobe Stock

Wenn jemand trotz EDA-Warnung reisen will

Die Zahl globaler Konflikte nimmt tendenziell zu. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) informiert regelmässig mit aktualisierten Reisehinweisen über mögliche Gefahren in einzelnen Ländern. Doch welche rechtliche Bedeutung haben diese Hinweise? Ein Reiseveranstalter, eine Reiseversicherung und der Ombudsman der Reisebranche erläutern, welche Rolle die EDA-Einschätzungen in der Praxis spielen.

Nach den Terroranschlägen von Luxor 1997 kam aus der Reisebranche und von Reisenden der Wunsch nach unabhängigen, objektiven Länderinformationen. Das EDA entwickelte daraufhin ein System von Reisehinweisen, die auf Einschätzungen von Botschaften, Konsulaten und Koordinationsbüros vor Ort basieren. Diese greifen auf ein breites Netzwerk lokaler Behörden sowie auf langjährig im Land lebende Schweizerinnen und Schweizer zurück.

Die aktuellen Reisehinweise sind auf der Website des EDA unter diesem Link abrufbar → Auswahl Länder und Territorien.

Die Hinweise verstehen sich als Unterstützung bei der Reiseplanung, ersetzen aber nicht die eigenständige Entscheidung und Verantwortung der Reisenden.

Auswirkungen in der Praxis

Für Reiseveranstalter sind die EDA-Hinweise zwar rechtlich nicht direkt verbindlich, können aber haftungsrechtlich relevant werden. Denn sie müssen die Sorgfaltspflichten nach Obligationenrecht erfüllen. Eine offizielle Warnung erhöht die Erwartung, dass Reisen abgesagt, umgebucht oder Reisende zumindest umfassend informiert werden.

Bei Pauschalreisen haben Kundinnen und Kunden in der Regel ein kostenfreies Rücktrittsrecht, wenn «unvermeidbare und aussergewöhnliche Umstände» vorliegen. Ein EDA-Hinweis kann ein solcher Umstand sein.

Travelnews fragte bei Dertour Suisse nach. Kommunikationschef Stephan Kurmann erläutert:
«Sobald das EDA von touristischen Reisen abrät, können unsere Gäste ihre Pauschalreise kostenlos annullieren oder wir bieten Umbuchungen auf einen späteren Zeitpunkt an.»

Unterschiedlich handhaben die Veranstalter jedoch die Fristen für kostenlose Stornierungen. Beim Beispiel Tansania, wo das EDA nach den Unruhen infolge der Wahlen am 30. Oktober vor touristischen und nicht dringenden Reisen abriet, gewährte Dertour kostenlose Umbuchungen und Annullationen zunächst bis zum 5. November, später bis 17. November.

Inzwischen hat das EDA die explizite Warnung aufgehoben, weist jedoch weiterhin auf mögliche Gefahren hin, etwa das Meiden von Menschenansammlungen oder ein erhöhtes Anschlagsrisiko.

Verschiedene Warnstufen

Das EDA nennt verschiedene Gefahrenstufen und differenziert jeweils nach Landesteilen. Es wird nur dann vom Besuch eines gesamten Landes abgeraten, wenn staatliche Strukturen kaum noch funktionieren oder mehrere Risiken gleichzeitig eine erhebliche Gefahr darstellen.

Von Reisen und von Aufenthalten jeder Art rät das EDA aktuell bei diesen Ländern ab:

  • Afghanistan
  • Jemen

Von Reisen wird abgeraten bei:

  • Belarus
  • Palästinensische Gebiete
  • Burkina Faso
  • Haiti
  • Irak
  • Iran
  • Russland
  • Sudan

Von touristischen und anderen nicht dringenden Reisen wird abgeraten bei

  • Bangladesch
  • Libanon
  • Myanmar
  • Tansania (30. Oktober bis 7. November)

Der persönlichen Sicherheit ist grosse Aufmerksamkeit zu schenken. Von Reisen in einzelne Landesteile wird abgeraten:

  • Algerien
  • Kolumbien
  • Nicaragua
  • Pakistan

Das sagt die Reiseversicherung

Welchen Einfluss haben die EDA-Reisehinweise auf die Art der Behandlung eines Versicherungsfalls? Travelnews hat bei der Europäischen Reiseversicherung ERV nachgefragt.

Alexandra Muheim, Leiterin Marketing & Kommunikation, sagt: «Bei der Beurteilung, ob eine Individual-Reise in ein Land mit Unruhen, Krieg und Terroranschlägen zumutbar ist oder nicht, sind bei der Europäischen Reiseversicherung ERV die geltenden Empfehlungen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) massgebend. Bei beiden von Ihnen genannten Fällen (Myanmar, Sudan) wäre eine vorgängige Annullierung gedeckt, sofern die Warnung noch nicht bestand als die Buchung getätigt wurde.»

Wichtig sei jedoch festzuhalten, dass ERV eine Vielzahl an Deckungen anbietet, und sich diese Antwort auf die Multi Trip Jahresversicherungen bezieht. «Bei einer Pauschalreise ist es hingegen so, dass der Veranstalter in der Regel eine kostenlose Annullierung ermöglicht, wenn eine Reise aus Sicherheitsgründen nicht durchgeführt werden kann.»

Wichtiger Hinweis des Ombudsmans

«Eine rechtliche Verpflichtung sind EDA-Reisehinweise grundsätzlich nicht», sagt Walter Kunz, der Ombudsman der Schweizer Reiebranche, im Gespräch mit Travelnews. Aber es sei mehr als nur empfehlenswert, wenn ein Reiseveranstalter bei einer EDA-Warnung den Kunden automatisch kostenlos stornieren lässt. «Sonst kann man als Veranstalter schnell in Teufels Küche geraten».

Dazu warnt er: «Man stelle sich nur schon die mediale Schelte vor, wenn etwas passiert und der Kunde 'gezwungen' war zu reisen, weil er nicht spesenfrei stornieren konnte. Oder noch schlimmer, wenn Angehörige dann Schadenersatzforderungen stellen. Wenn ein Kunde trotz EDA-Warnung reisen will, empfehlen wir dem Reisebüro, vom Kunden eine Bestätigung unterschreiben zu lassen, dass man ihn über die EDA-Reisehinweise informiert habe.»

Fazit

EDA-Reisehinweise sind rechtlich nicht bindend, haben aber eine klare Signalwirkung. Für Reiseveranstalter können sie haftungsrelevant sein, für Versicherer bilden sie eine zentrale Entscheidungsgrundlage, und für Reisende sollten sie ein wesentlicher Bestandteil der Risikobeurteilung sein.

Wer trotz einer Warnung auf eine Reise besteht, trägt die Verantwortung weitgehend selbst und muss mit eingeschränkten Versicherungsleistungen rechnen. Im Interesse aller Beteiligten ist Transparenz entscheidend – und eine realistische Einschätzung, dass Sicherheit immer Vorrang vor Reiseplänen haben sollte.

(GWA)