On The Move
Martin Wittwer erstickt Diskussionen um André Lüthi im Keim
Reto SuterDie 98. Generalversammlung des Schweizer Reise-Verbands (SRV) startete dieses Jahr ungewohnt, mit einem neuen Ansatz: Statt einer Eröffnungsrede sorgten Andreas Gerber und Raphael Marty von Trailgazer gemeinsam mit dem Publikum für ein feierliches Intro – ganz im Zeichen des Mottos «River of Change».
Erst danach betrat Kapitän Martin Wittwer, der SRV-Präsident, die Bühne des IRCAD in Strassburg und blickte auf drei Jahrzehnte Schweizer Reisebranche zurück, um danach überzuleiten auf den Blick in die Zukunft – unterstützt von Grussbotschaften illustrer Persönlichkeiten aus der internationalen Reisebranche, wie etwa TUI-Chef Sebastian Ebel oder Hotelier Max Loong.
Dann folgte das klassische Vorprogramm der GV mit der Präsentation der Gastgeber. Mireille Dartus und Christine Harter von Visit Strasbourg rückten ihre Stadt mit Worten und einem kurzen Film ins beste Licht.
Abgerundet wurde die Generalversammlung durch spannende Einblicke einer hochkarätigen Rednerin. Heike Birlenbach, Chief Commercial Officer der Swiss, ordnete in einer kurzweiligen Präsentation ein, wohin es mit der Reise- und Tourismusbranche in den kommenden Jahren gehen wird.
Welches Thema gab am meisten zu reden?
Barbara Wohlfarth, Inhaberin von Reisecocktail, stiess vier Tage vor der Generalversammlung mit einem Post auf Linkedin eine Debatte um den Wandel im SRV-Vorstand an. «Wie soll Veränderung funktionieren, wenn einzelne Vorstandsmitglieder ihre Macht nicht loslassen können und niemand im Vorstand den Mut hat zu sagen: ‹Es wäre Zeit, Platz zu machen›?», schreibt sie und zielte damit unmissverständlich auf André Lüthi, der mit 65 Jahren für weitere drei Jahre in der Ressortsparte «Politik» kandidiert.
Dieser liess die Attacke nicht unbeantwortet – bereits vor dem Start der Generalversammlung. «Es ging nie um Macht, sondern um die Branche – um uns alle», erläuterte er in seiner Replik. Auf Anfrage von SRV-Präsident Martin Wittwer habe er eingewilligt, sich nochmals wählen zu lassen. «Aber nur bis zur GV 2027, wenn der SRV sein 100-jähriges Bestehen feiert», so Lüthi weiter. «Bis dann würde ich jemanden aufbauen, den ich in mein Netzwerk einführen kann.» Gleichzeitig sei er bereit, wenn gewünscht, noch «zwei politisch heisse Eisen» durchzuziehen, die sehr aktuell seien: das CO2- und das Pauschalreisegesetz. «Es ging nie darum, der nächsten Generation im Licht zu stehen, sondern das zu tun, was im gegebenen Moment am meisten Sinn macht und der nächsten Generation den Weg ebnet.»
Im Plenum an der GV kam das Thema nicht zur Sprache. Lüthi verzichtete auf Eigenwerbung im Rahmen einer kurzen Ansprache. Wortmeldungen aus dem Publikum gab es keine. SRV-Präsident Martin Wittwer wich für die Wiederwahl Lüthis bewusst vom eigentlichen Protokoll ab. Er liess den Verwaltungspräsidenten der Globetrotter Group nicht wie vorgesehen per Stimmzettel wählen, sondern per Applaus und verhinderte damit auch ein allfälliges Misstrauensvotum in Form von ausbleibenden Stimmen oder Enthaltungen. Die Versammlung gab Lüthi für eine weitere Amtszeit die Unterstützung per kräftigem Beifall.
Wie viel Rückhalt geniesst der Rest des Vorstands?
Viel. Wobei mathematisch lässt sich das dieses Jahr nicht feststellen. SRV-Präsident Martin Wittwer liess auch die übrigen bestehenden Vorstandsmitglieder, die sich turnusgemäss alle drei Jahre zur Wiederwahl stellen müssen, per Akklamation bestätigen. Natalie Dové und Sonja Laborde erhielten viel Beifall und treten damit ihre nächste dreijährige Amtszeit an. Einzige Neuwahl war Deniz Ugur, CEO von Bentour, der gemäss Protokoll per Stimmzettel gewählt wurde. Er erzielte ein überzeugendes Ergebnis und wurde einstimmig in den SRV-Vorstand aufgenommen. Ugur übernimmt das neu geschaffene Ressort «Digitalisierung».
Welchen Eindruck hinterliessen die Nachwuchskräfte?
Eingeladen wurden Farrah Mettler, Head of Marketing bei Tourasia, Carla Riss, Co-Founder von Meraki Travel, Rina Sigrist, Tour Operating und Verkauf bei Meraki Travel, Nicola Gohl, Filialleiter Kuoni Sursee, sowie Dario Cremona, Inhaber des «Cremona Cruise Blog» und ausgewiesener Kreuzfahrt-Experte. Birgit Sleegers, SRV-Vorstandsmitglied und künftig verantwortlich für das Ressort «Aus- und Weiterbildung», führte die fünf Talente in einem Q&A durch zentrale Branchenthemen – von Fachkräftemangel über die Zukunft des Reisens bis hin zur Ansprache junger Zielgruppen.
Trotz spürbarer Nervosität auf der grossen Bühne überzeugten die Nachwuchskräfte mit klaren Gedanken, frischen Ansätzen und viel Eloquenz. Das zeigte Wirkung: Während bei anderen Programmpunkten so manches Handy gezückt wurde, folgte das Publikum dieser Runde aufmerksam, immer wieder unterstrichen durch spontanen Applaus bei besonders treffsicheren Voten. Am Mittwoch werden die Talente ihre Perspektive im Workshop auf dem Rhein vertiefen. Ihr Blick aus der jüngeren Generation soll Impulse liefern, die den Verband in seiner Weiterentwicklung unterstützen.
Wie entwickeln sich die Mitgliederzahlen?
Vor vier Jahren – per 30. September 2021 – zählte der Schweizer Reise-Verband noch 703 Mitglieder, davon 583 Aktivmitglieder. Seither zeigt die Kurve nach unten: Bis zum 30. September 2025 sank die Zahl auf 641 Mitglieder, davon 528 aktiv – ein Rückgang von knapp zehn Prozent. Die Ursachen liegen nahe: die Belastungen der Corona-Pandemie, die FTI-Pleite und ein insgesamt schrumpfender Reisebüro-Markt. Geschäftsführerin Andrea Beffa sagt: «Wir haben zwar auch im vergangenen Jahr neue Mitglieder dazu gewonnen.» Gleichzeitig hätten aber verschiedene Geschäftsaufgaben insgesamt zu einem Rückgang der Mitglieder geführt.
Welches war der emotionalste Moment der GV?
Der emotionalste Moment der GV war ohne Zweifel die Verabschiedung von Nicole Pfammatter. Nach ihrem Abgang bei Hotelplan Suisse Ende September 2025 stellte sie sich nicht mehr für eine weitere dreijährige Amtszeit im SRV-Vorstand zur Verfügung und trat zurück. Die Versammlung verabschiedete sie mit lang anhaltendem Applaus. SRV-Präsident Martin Wittwer würdigte ihr Engagement mit warmen Worten und überreichte ihr ein vom Vorstand gestaltetes Erinnerungsbuch. Pfammatter zeigte sich sichtlich bewegt und dankte der Branche für die grosse Unterstützung in den vergangenen Jahren. Man merkte deutlich, wie sehr sie die Wertschätzung berührte – ein Moment, der die menschliche Seite der Branche eindrucksvoll sichtbar machte.
Wie macht sich der SRV fit für die Zukunft?
SRV-Geschäftsführerin Andrea Beffa präsentierte den Mitgliedern gleich vier Neuerungen im Hinblick auf das kommende Jahr. Der Verband will seine Kommunikation ab 2026 verstärken und führt dafür den neuen «SRV Insight Call» ein – ein halbjährlicher Video-Austausch, bei dem der SRV über aktuelle Themen informieren und den Puls der Branche fühlen will. Zusätzlich plant der Verband einen «SRV Think Tank», um – wie Beffa betont – «Stimmen aus unserem Mitgliederkreis in Kontakt zu bringen, die wir bisher weniger erreicht haben». Dieses offene Format soll strategische und branchenspezifische Fragen aufnehmen und die Ergebnisse des Workshops, der am Mittwoch im Rahmen der GV-Reise stattfindet, weiterentwickeln. Details zu beiden Initiativen werden Anfang 2026 kommuniziert.
Auch im Bereich Aus- und Weiterbildung setzt der SRV neue Akzente: An der Fespo 2026 entsteht ein Weiterbildungsformat für die Branche mit bis zu fünf Destinationspräsentationen pro teilnehmendem Reiseprofi (Travelnews berichtete). Die Ausschreibung läuft, und bereits zahlreiche Aussteller haben laut Beffa Interesse angemeldet. Zudem will der SRV die Fespo gezielt als Plattform nützen, um mit Besucherinnen und Besuchern in Kontakt zu treten. Dabei gehe es darum, die Reisebranche als attraktives Arbeitsumfeld zu präsentieren, Fragen rund um das Reiserecht zu thematisieren und nachhaltiges Reisen stärker sichtbar zu machen.
Wie geht es dem Verband finanziell?
Der SRV blickt auf ein solides Geschäftsjahr zurück – auch wenn der budgetierte Gewinn knapp verfehlt wurde. Die Jahresrechnung schliesst mit einem Plus von 1967.11 Franken und liegt damit 319.39 Franken unter dem geplanten Ergebnis. Möglich wurde dies, weil geringere Erträge – unter anderem aufgrund geringerer Einnahmen bei den Mitgliederbeiträgen – durch ebenso reduzierte Aufwände ausgeglichen werden konnten. Mit einem Verbandsvermögen von 494’576.23 Franken per 30. September 2025 präsentiert sich der SRV finanziell weiterhin robust. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet der Verband mit einem kleinen Gewinn von 869.50 Franken. Sowohl die Jahresrechnung 2024/25 als auch das Budget 2025/26 wurden von den Mitgliedern einstimmig gutgeheissen.