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«Es ist kein Massenprodukt, sondern eine Hommage an die Kunst des Reisens»
Reto SuterSeit dem Ende der Pandemie ist die Kreuzfahrtwelt wieder auf Kurs. Jahr für Jahr feiern neue, spektakuläre Schiffe Premiere – grösser, innovativer, nachhaltiger oder luxuriöser als je zuvor, so die selbstbewussten Ankündigungen der Reedereien.
2026 verspricht ein besonderes Neubaujahr zu werden: Von intimen Luxusyachten bis zu gigantischen Unterhaltungstempeln reicht die Palette. Im Interview mit Travelnews spricht Kreuzfahrt-Experte Dario Cremona über aktuelle Trends, nachhaltige Technologien und seine persönlichen Favoriten.
Herr Cremona, die Kreuzfahrtbranche scheint nach der Pandemie wieder in voller Fahrt zu sein. Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung wahr?
Dario Cremona: Man spürt förmlich den Aufbruch. Nach den schwierigen Pandemie-Jahren ist die Nachfrage zurück. Reedereien investieren massiv in Neubauten und setzen auf Vielfalt – von erschwinglichen Familienkreuzfahrten bis hin zu Ultra-Luxus-Erlebnissen.
2026 soll ein besonders spannendes Jahr werden. Was macht dieses Neubaujahr so speziell?
2026 wird ein Schaufenster der gesamten Bandbreite der Kreuzfahrt. Wir sehen neue Megaschiffe, die das Entertainment an Bord auf ein neues Level heben – mit Themenparks, Wasserwelten und architektonischen Innovationen. Gleichzeitig entstehen kleine, exklusive Schiffe im Stil schwimmender Boutique-Hotels. Diese sprechen Reisende an, die Individualität, Ruhe und Kulinarik suchen. Diese Gegensätze zeigen, wie unterschiedlich Kreuzfahrt heute interpretiert werden kann.
Viele Reedereien sprechen von Innovation und Nachhaltigkeit. Wie viel Substanz steckt dahinter?
Erfreulicherweise immer mehr. Nachhaltigkeit ist kein Lippenbekenntnis mehr, sondern eine zentrale Entwicklungsachse. Neben alternativen Treibstoffen wie LNG, Methanol oder Wasserstoff sieht man auch Fortschritte bei hybriden Antrieben und Energie-Rückgewinnungssystemen. Spannend ist auch der senkrechte Bug, der immer häufiger zu sehen ist. Durch ihn sparen Schiffe signifikant Treibstoff. Das zeigt, dass Effizienz inzwischen auch ein Designfaktor ist. Die Reedereien wissen: Ohne ökologische Glaubwürdigkeit hat die Branche langfristig keine Zukunft.
Welche Trends prägen das Kreuzfahrterlebnis der Zukunft?
Zwei Schlagworte: Individualisierung und Authentizität. Die Gäste wollen Reisen, die zu ihrem Lebensstil passen – keine Massenprodukte. Dazu kommen mehr Flexibilität bei den Routen, personalisierte Gastronomie-Konzepte und interaktive Erlebnisse an Bord. Digitalisierung spielt ebenfalls eine Rolle, etwa bei smarten Kabinensteuerungen oder nachhaltigem Energie- und Abfallmanagement. Der Gast möchte spüren, dass Komfort und Umweltbewusstsein Hand in Hand gehen.
Apropos Land: Wie beeinflussen geopolitische Krisen die Kreuzfahrtrouten?
Sie wirken sich stark aus. Bestimmte Regionen wie die Ostsee, das Schwarze Meer oder das Rote Meer fallen derzeit weg. Dadurch verliert die reine Route etwas an Bedeutung, während das Erlebnis an Bord und bei den Landausflügen wichtiger wird.
«Standardisierte Bustouren reichen heute nicht mehr»
Was bedeutet das konkret für die Gestaltung von Ausflügen?
Standardisierte Bustouren reichen heute nicht mehr. Heute geht es um Erlebnisse mit Tiefgang und Sinn. Gäste wünschen sich persönliche Begegnungen – einen Kochkurs mit regionalen Zutaten, einen Besuch auf einem lokalen Bauernhof oder eine geführte Wanderung mit einem Experten. Gerade auf Luxusschiffen wird dieser Anspruch spürbar: Es zählt nicht nur, wo man ist, sondern was man erlebt. Authentizität schlägt Masse.
Wenn Sie sich eines der angekündigten Schiffe für 2026 aussuchen dürften – welches wäre Ihr persönliches Wunschschiff?
Ganz klar: die Corinthian von Orient Express. Dieses Projekt ist eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre. Die Marke steht für ikonischen Luxus und stilvolle Reisegeschichte – und bringt dieses Erbe nun auf die Weltmeere. Architektonisch und technologisch setzt das Schiff neue Massstäbe. Es ist kein Massenprodukt, sondern eine Hommage an die Kunst des Reisens.
Welche Neubauten empfehlen Sie Familien mit Kindern?
Für Familien mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis ist die MSC World Asia ideal. Sie bietet moderne Kabinen, viel Freizeitwert und ein breites Gastronomieangebot. Sehr familienfreundlich sind auch die Legend of the Seas und die Norwegian Luna. Beide kombinieren Spass und Komfort mit einem guten Preisgefüge. Wichtig ist: Familien erwarten heute mehr als Pools und Buffets. Sie wünschen sich Aktivitäten, bei denen Kinder, Eltern und Grosseltern gemeinsam etwas erleben.
Welche Schiffe dürften bei Schweizerinnen und Schweizern besonders beliebt werden?
Die Mein Schiff Flow von TUI Cruises hat beste Chancen: Das entspannte Bordleben ohne Dresscode, das All-Inclusive-Konzept und die hohe Servicequalität sprechen Schweizer Reisende besonders an. Auch die MSC World Asia wird gut ankommen. Viele Schweizerinnen und Schweizer kennen MSC bereits von früheren Reisen. Im Luxussegment punktet Regent Seven Seas Cruises mit kompromissloser Qualität, exzellentem Service und einem Angebot, das von Reise zu Reise auf gleichbleibend hohem Niveau begeistert.
Und wer wird es in der Schweiz eher schwer haben?
Marken wie Four Seasons Yachts haben ein fantastisches Produkt, aber eine sehr enge Zielgruppe. Der Schweizer Markt ist zwar kaufkräftig, aber auch vorsichtig. In dieser Ultra-Luxus-Nische braucht es viel Markenarbeit, Vertrauen und Zeit, um Stammkundschaft aufzubauen. Ich glaube, es wird eher ein langfristiger Prozess, bis diese Marken hierzulande wirklich Fuss fassen.