On The Move

«Mir ging es nie um alte Seilschaften, sondern um Qualität»
Reto SuterKnecht Reisen hat bewegte Monate hinter sich – geprägt von strategischen Umbrüchen und personellen Veränderungen. Mehrere langjährige Mitarbeitende haben das Traditionshaus verlassen, intern wurde kräftig umgebaut. Höhepunkt des Personalbebens war der Abgang von CEO Markus Kohli im Sommer.
Neuer starker Mann ist der 35-jährige Sebastian Kickmaier. Im vergangenen Spätherbst als Leiter Strategie und Geschäftsentwicklung in die Knecht Gruppe eingetreten, übernahm er per 1. Juli 2025 den CEO-Posten von Knecht Reisen.
Nun spricht der Reise-Manager erstmals über seine neue Rolle: seine ersten 100 Tage im Amt, die grössten Herausforderungen und darüber, wie er Knecht Reisen wieder zurück in die Erfolgsspur bringen will.
Herr Kickmaier, Sie wurden im vergangen Spätherbst Leiter Strategie und Geschäftsentwicklung der Knecht Gruppe. Per 1. Juli 2025 beerbten Sie Markus Kohli als CEO von Knecht Reisen. Was hat Sie an diesem Job gereizt?
Sebastian Kickmaier: Knecht Reisen ist ein Traditionsunternehmen. Das hat bei meiner Entscheidung eine grosse Rolle gespielt. Die Marke Knecht Reisen hat eine grosse Strahlkraft. Mich reizt es, Veränderung aktiv voranzutreiben, Strukturen weiterzuentwickeln und gemeinsam mit einem engagierten Team etwas aufzubauen. Genau dieses Potenzial habe ich hier gesehen, und das hat letztlich den Ausschlag gegeben.
In den vergangenen Monaten wurde Knecht Reisen ziemlich durchgeschüttelt, unter anderem durch eine hohe Mitarbeiterfluktuation. Haben Sie sich da auf eine Art Herkulesaufgabe eingelassen?
Es ist eine anspruchsvolle, intensive Aufgabe mit grosser Verantwortung – aber genau das habe ich gesucht. Mir war von Anfang an bewusst, dass es eine herausfordernde Zeit werden würde. Und Resultate sind bereits sichtbar: Wir wachsen erfreulich!
Nach der hohen Fluktuation der vergangenen Monate: Was haben Sie unternommen, um das Vertrauen des Teams zu gewinnen?
Mir war von Anfang an wichtig, offen und transparent zu kommunizieren. Wo stehen wir? Welche Herausforderungen gibt es? Und was ist unser gemeinsamer Plan? Das sollten die Mitarbeitenden nicht aus zweiter Hand erfahren, sondern von mir persönlich. Kurz nach meinem Start habe ich deshalb die Knecht-Filialen besucht, Teammeetings im Tour Operating abgehalten und mich dabei im direkten Dialog vorgestellt. So bildet sich Vertrauen: durch Begegnung, Transparenz, Verlässlichkeit und Erfolg. Vertrauen entsteht nicht durch Worte sondern durch Taten und das gemeinsame Erleben von Fortschritt.
«Knecht Reisen hat eine starke Substanz und beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft»
Veränderungsprozesse führen oft dazu, dass nicht alle mitziehen. Manche verlassen das Unternehmen, andere passen vielleicht nicht mehr ins neue Gefüge. Wie gehen Sie damit um?
Wandel bedeutet immer Bewegung. Und ja, manchmal gehen dabei auch Menschen unterschiedliche Wege. Das ist normal und nichts, was man dramatisieren sollte. Wichtig ist, dass die Richtung stimmt und jene, die bleiben, den eingeschlagenen Kurs mit Überzeugung mittragen. Ich sehe den laufenden Veränderungsprozess deshalb klar als Chance – für das Unternehmen und für jedes einzelne Teammitglied.
Sie sind nun rund 100 Tage im Amt. Wie fällt Ihre erste Bilanz als CEO von Knecht Reisen aus?
Positiv. Knecht Reisen hat eine starke Substanz und beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft im Schweizer Reisemarkt. Vor allem aber haben wir ein hoch motiviertes Team, das bereit ist, diesen Weg mitzugehen. In den ersten drei Monaten konnten wir bereits wichtige Pflöcke einschlagen – etwa in der Vermarktung. Wir haben unsere Marke sichtbarer gemacht, um neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Dabei kam mir zugute, dass ich zuvor bereits in der Knecht Gruppe tätig war und die zentralen Themen kannte.
Sie sprechen von erhöhter Sichtbarkeit. Was heisst das konkret?
Wir haben gezielte Marketingmassnahmen lanciert. Diese Aktionen zeigen bereits Wirkung: Wir spüren ein wachsendes Interesse und eine deutlich höhere Markenwahrnehmung.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Klare Kommunikation steht für mich an erster Stelle. Ebenso wie transparente, messbare Ziele: Wo wollen wir hin? Wie erreichen wir das? Und was tun wir, wenn wir einmal nicht auf Kurs sind? Ich möchte für die Mitarbeitenden nahbar sein, präsent im Arbeitsalltag. Mir ist wichtig, dass das Team spürt, dass ich weiss, wovon ich spreche, sei es bei operativen Abläufen oder im Umgang mit unseren Systemen. Ich glaube fest daran: Wer mit gutem Beispiel vorangeht, gewinnt Vertrauen und motiviert andere, ebenfalls ihr Bestes zu geben.
Was verstehen Sie unter moderner Führung? Braucht es heute mehr Steuerung von oben oder mehr Eigenverantwortung in den Teams?
Für mich ist Eigenverantwortung das A und O. Das möchte ich aktiv fördern, sowohl bei langjährigen Mitarbeitenden als auch bei jenen, die neu zu Knecht Reisen stossen. Ich setze die Leitplanken, innerhalb derer sich das Team eigenständig bewegen kann. Meine Rolle sehe ich als unterstützend und beratend. Am Ende trägt aber jede und jeder Einzelne Verantwortung für unseren gemeinsamen Erfolg.
«Es ist schön, zu spüren, dass man etwas bewegen kann»
Die Liste Ihrer Aufgaben unmittelbar nach dem Jobantritt war lang. Wie lange sind Ihre Arbeitstage? Wie steht es um die Work-Life-Balance?
Ich möchte das gar nicht in Stunden messen. Für mich ist entscheidend: Die Balance stimmt. Work und Life gehören für mich zusammen. Ich habe grosse Freude an dem, was ich tue. Ja, die Tage sind intensiv – aber sie sind auch unglaublich erfüllend. Es ist schön, zu spüren, dass man etwas bewegen kann.
Gab es in Ihren ersten 100 Tagen auch Momente, in denen es nicht so rund lief wie geplant?
Natürlich gibt es Phasen, in denen Dinge länger dauern, als man sich das wünscht. Es braucht Zeit, ein Unternehmen in all seinen Facetten wirklich zu verstehen: Strukturen, Menschen, Prozesse. Mir ist wichtig, mir diese Zeit bewusst zu nehmen. Nur so kann ich am Ende kluge, nachhaltige Entscheidungen treffen.
Sie waren früher bei Hotelplan Suisse in einer Konzernstruktur tätig. Wie stark unterscheidet sich die Arbeit bei Knecht Reisen davon?
Der Unterschied liegt vor allem in der Nähe zur Entscheidung. Hotelplan ist ein Konzern. Da sind die Wege naturgemäss länger. Bei Knecht Reisen, als inhabergeführtem Unternehmen, geht vieles direkter und persönlicher. Man ist näher an den Inhabern, näher am Team – und Entscheidungen können schneller umgesetzt werden. Abgesehen davon: In der Reisebranche ticken die Menschen überall ähnlich: Sie sind engagiert und mit Herzblut bei der Sache.
Sie haben gleich zu Beginn personell klare Akzente gesetzt: Nur zwei Wochen nach Ihrem Amtsantritt holten Sie sechs Mitarbeitende von Ihrem früheren Arbeitgeber Hotelplan zu Knecht Reisen. Wie wurde dieser Schritt aufgenommen?
Die Reaktionen waren durchwegs positiv. Mir ging es nie um alte Seilschaften, sondern um Qualität. Ich will die besten Leute an den richtigen Positionen – unabhängig davon, woher sie kommen. Es hat sich einfach ergeben, dass einige meiner früheren Kolleginnen und Kollegen Lust hatten, den neuen Weg mit uns zu gehen. Da war für mich schnell klar: Diese Chance sollten wir nutzen.
Gab es trotzdem kritische Stimmen – etwa aus der Branche oder von Hotelplan selbst?
Zumindest habe ich nichts Negatives gehört. Zudem: die Mitarbeitenden, die zu uns gestossen sind, standen ja sowieso vor einer Veränderung aufgrund des Hotelplan-Verkaufs.
«Wir haben gemeinsam die strategischen Leitplanken definiert, innerhalb derer ich grosse Freiheiten geniesse»
Sind inzwischen alle Schlüsselpositionen besetzt, oder sind Sie noch auf der Suche nach Verstärkung?
Das Team steht, und wir sind bereit, weiter zu wachsen. Natürlich gilt: Wachstum bringt immer Bewegung mit sich. Wir sind deshalb offen für zusätzliche Verstärkungen, wenn sie fachlich und menschlich zu uns passen. Grundsätzlich aber bin ich sehr zufrieden mit dem Team, wie es heute aufgestellt ist.
Der Verwaltungsrat hat den digitalen Wandel als strategisches Ziel definiert. Wo setzen Sie konkret an?
Digitalisierung soll kein Selbstzweck sein, sondern die Arbeit unserer Mitarbeitenden erleichtern. Es geht darum, mit gezielten Investitionen in Tools und Systeme Qualität, Effizienz und Geschwindigkeit zu steigern. Gerade im Tour Operating ist das zentral: Wir wollen exzellenten Service bieten und gleichzeitig von einem hohen Know-how profitieren – und das alles intelligent unterstützt durch Technologie.
Sie gelten als ausgesprochen digitalaffin. Wie stark prägt das Ihren Führungsstil?
Ich beschäftige mich seit Jahren intensiv mit digitalen Themen und bilde mich laufend weiter, gerade auch im Bereich künstlicher Intelligenz. Mir ist wichtig, neue Technologien dort einzusetzen, wo sie wirklich Mehrwert bringen und unsere Mitarbeitenden im Alltag unterstützen. Digitalisierung ist kein Ersatz für Menschen, sondern ein Werkzeug, das ihnen mehr Freiraum für das Wesentliche gibt.
Wie eng ist Ihr Austausch mit dem Verwaltungsrat – und wie viel Entscheidungsspielraum bleibt Ihnen?
Der Austausch ist sehr eng und wertvoll. Wir haben gemeinsam die strategischen Leitplanken definiert, innerhalb derer ich grosse Freiheiten geniesse. Die operative Umsetzung liegt klar bei mir und meinem Team. Ich schätze die kurze Distanz. Wenn ich eine Zweitmeinung oder Unterstützung brauche, ist sie schnell verfügbar. Das ist eine Form der Zusammenarbeit, die mir sehr entspricht.
«Wir sind heute der einzige Schweizer Reiseveranstalter mit eigenem ausgebauten Tour Operating und Filialnetz»
Ein grosses Thema war zuletzt die Standortsuche in Zürich. Gibt es bereits Neuigkeiten?
Noch nicht offiziell, aber wir sind sehr weit. Sobald alles in trockenen Tüchern ist, werden wir kommunizieren. Ziel ist, den neuen Standort in den kommenden Monaten zu eröffnen. Wir wollen hier keine Zeit verlieren.
Knecht Reisen verfügt derzeit über 22 Standorte. Planen Sie, dieses Netz auszubauen oder eher zu konsolidieren?
Für uns steht nicht die Anzahl im Vordergrund, sondern die Relevanz. Jeder Standort muss Sinn ergeben – für unsere Kundinnen und Kunden, aber auch wirtschaftlich. Wir prüfen kontinuierlich, wo Präsenz sinnvoll ist. Es geht also weder um Expansion um jeden Preis noch um eine Reduktionsstrategie, sondern um kluge Optimierung.
Vor wenigen Wochen wurde der Verkauf von Hotelplan an Dertour abgeschlossen. Welche Auswirkungen hat dieser Deal auf Knecht Reisen?
Ich sehe darin durchaus Chancen. Wir sind heute der einzige Schweizer Reiseveranstalter mit eigenem ausgebauten Tour Operating und Filialnetz. Diese Position wollen wir nutzen, um neue Partnerschaften mit Reisebüros anzustreben und weiter zu wachsen. Der Markt bewegt sich, und wir sind bereit, uns aktiv in dieser neuen Landschaft zu positionieren.
Mit Blick auf das kommende Jahr: Welche Ziele haben Sie sich für 2026 gesetzt?
Ich habe mir einen klaren Fünf-Punkte-Plan vorgenommen. Erstens wollen wir unser Tour Operating weiter stärken – mit erfahrenen Profis, die für ihre Arbeit brennen. Zweitens geht es um klare Rollen und Verantwortlichkeiten: Jede und jeder soll wissen, wofür er oder sie steht und sich aktiv einbringen. Drittens möchten wir die Marke Knecht Reisen sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich weiter schärfen. Viertens liegt mein Fokus auf Effizienz – kürzere Antwortzeiten im Tour Operating, weniger Administration, mehr Zeit für Beratung. Und fünftens wollen wir unsere Mitarbeitenden durch smarte Technologien und optimierte Abläufe bestmöglich unterstützen.
Sie betonen oft Eigenverantwortung. Heisst das, bisher war zu wenig davon da?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Aber ich habe einen anderen Anspruch und eine etwas andere Führungsphilosophie. Ich bin überzeugt: Wer Verantwortung übernimmt und mitgestalten darf, bringt mehr Energie und bessere Ergebnisse. Ich lebe einen sehr praxisnahen, Hands-on Führungsstil und erwarte das auch von meinem Team.
Nach turbulenten Monaten: Was braucht es, damit Knecht Reisen nachhaltig in ruhigere Gewässer kommt?
Wir sind auf einem guten Weg. Im Vergleich zu vor drei Monaten spüre ich deutlich mehr Stabilität und Zuversicht. Wir haben eine klare Strategie, wissen, wofür wir stehen, und haben das richtige Team an Bord. Jetzt geht es darum, konsequent umzusetzen.
Wenn wir in einem Jahr wieder miteinander sprechen: Woran sollen Kundinnen, Partner und Mitarbeitende erkennen, dass ein neuer CEO am Werk ist?
An der klaren Positionierung von Knecht Reisen. Der Markt wird spüren, wofür wir stehen: für Qualität, Verlässlichkeit und Begeisterung fürs Reisen. Wir wollen mit Tempo, Energie und Herzblut vorangehen. Wenn Kundinnen und Partner sagen: «Das ist Knecht Reisen – modern, engagiert, nahbar», dann haben wir unser Ziel erreicht.