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Deniz Ugur, CEO von Bentour Reisen, sieht wegen künstlicher Intelligenz und verändertem Konsumentenverhalten eine Zeitenwende auf die Reisebranche zukommen. Bild: TN

«Wir denken nicht nur in der Krise über die Zukunft nach»

Gregor Waser

Bentour Reisen hat sich strategisch mit der TUI Group und Nazar Nordic verbunden. CEO Deniz Ugur spricht im Interview mit Travelnews über die Chancen dieser Partnerschaft, seine Pläne für Skandinavien und die Eigenheiten des laufenden Reisejahres.

Herr Ugur, Bentour Reisen hat im Juni 20 Prozent an der TUI-Tochter Nazar Nordic übernommen, im Gegenzug stieg die TUI Group mit 20 Prozent bei Bentour ein. Wie kam es dazu, Europas Marktführer als Partner zu gewinnen?

Deniz Ugur: Wir pflegen seit jeher gute Kontakte in die Branche – auch zu Kollegen und Wettbewerbern. Gemeinsam erreicht man mehr, vor allem bei branchenweiten Themen. Die TUI setzt sich stark in Brüssel und Berlin für gute Rahmenbedingungen ein, was uns überzeugt hat. Ausserdem schätzen wir den modernen, agilen Spirit der TUI.

War Bentour Reisen also nicht in einer Notlage?

Ganz im Gegenteil: 2024 war eines unserer besten Jahre überhaupt. Wir stehen so gut da wie nie zuvor. Aber wir denken nicht nur in Krisenzeiten über die Zukunft nach, sondern auch in Phasen des Erfolgs. Themen wie künstliche Intelligenz oder verändertes Konsumentenverhalten zeigen uns, dass eine Zeitenwende bevorsteht – darauf wollen wir vorbereitet sein.

Und was hat TUI bewogen, bei Bentour einzusteigen?

TUI sieht uns als erfolgreiches Unternehmen, das positiv wahrgenommen wird und inspirierend wirkt. Sie sind deshalb gerne bei uns investiert.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit konkret?

Wir sind wie viele andere Kunde von TUI Fly – das werden wir künftig noch ausbauen. Zudem werden wir über TUI-Vertriebseinheiten vermarktet. Mit dieser Zusammenarbeit sind wir sehr zufrieden.

«Die Türkeireisen laufen etwas schwächer als 2024, vor allem wegen gestiegener Kosten.»

Wie verteilen sich heute die Anteile an Bentour Reisen?

Wir halten als Familie 55,3 Prozent, TUI besitzt 20 Prozent und die Delphin Hotels 24,7 Prozent. Wir verstehen uns weiterhin als Familienunternehmen, ergänzt durch Partner, die sich im Tourismus bestens auskennen. Schon früher war auch Kuoni zeitweise beteiligt – starke Gesellschafter mit langfristiger Perspektive sind uns wichtig.

Was bedeutet die Beteiligung an Nazar Nordic für Bentour?

Bisher waren wir im DACH-Raum und in den Niederlanden präsent. Für Skandinavien waren wir alleine noch nicht bereit. Durch die Beteiligung zeigen wir unser klares Interesse an diesem Markt. Als Veranstalter mit dem System Blank sprechen wir zudem die gleiche Systemsprache wie Nazar.

Sie waren kürzlich bei Nazar in Skandinavien. Welche Eindrücke haben Sie gewonnen?

Ich bin nun neu im Advisory Board von Nazar – es ist sehr spannend, eine andere Kultur kennenzulernen. In Skandinavien sind die Flugzeiten ins Mittelmeer länger, entsprechend höher fällt der Fluganteil aus. Auffällig ist auch der starke Fokus auf Clubferien mit nordischen Konzepten. Wir prüfen, ob sich solche Ideen auch für Österreich und die Schweiz adaptieren lassen.

Wie läuft das Geschäftsjahr 2025 für Bentour?

Insgesamt sehr gut – dank eines breiten Destinations-Portfolios. Die Türkeireisen laufen etwas schwächer als 2024, vor allem wegen gestiegener Kosten. Auch All-inclusive-Konzepte stehen aus Kalkulationsgründen auf dem Prüfstand. Gleichzeitig locken Kreuzfahrten mit sehr günstigen Preisen und ziehen Wechselbucher an. Wir glauben aber, dass viele Gäste bald wieder die Annehmlichkeiten eines festen Resorts schätzen werden.

Familienbuchungen für Badeferien sind rückläufig. Was müsste sich ändern?

Familien leiden unter den starren Schulferien. Automatische Yield-Systeme treiben die Preise in diesen Zeiten schnell in die Höhe. Weniger Überschneidung zwischen den Ferienwochen würde helfen. Immerhin kennt die Schweiz «Jokertage», die flexible Abreisen erlauben. Grundsätzlich halte ich Reisen für Familien für unverzichtbar – sie sind wichtig für Bildung und Gemeinschaft. Darum müssen sie bezahlbar bleiben.

«Wir begrüssen Konkurrenz, wenn sie uns mit besseren Produkten herausfordert – nicht mit billigeren Preisen.»

Kommt mit TUI im Rücken nun auch mehr Bausteinreise-Angebot ins Programm?

Ja, die gibt es bereits. Über die Zusammenarbeit mit Nezasa bieten wir zum Beispiel Inselhüpfen in Griechenland an. Solche Kombinationen lassen sich hervorragend digital abbilden und im Reisebüro verkaufen. Auf Bausteinreisen setzen wir künftig stärker.

Und wie sieht es mit dem Trend Workation aus?

Der bleibt bestehen. Wir haben Hotels im Programm, die auf Workation vorbereitet sind. Auch Familien nutzen das: Väter oder Mütter verlängern die Ferien und arbeiten tagsüber im Hotel. Das eröffnet uns neue Märkte.

Hotelplan ist neu unter dem Dach von Dertour. Was bedeutet das für Sie?

Ich freue mich für die Mitarbeitenden, dass die lange Unsicherheit vorbei ist. Jetzt geht es darum, Harmonie zu schaffen – und ich bin überzeugt, dass das gelingt.

Und als Mitbewerber – ändert sich dadurch für Sie etwas?

Nicht unbedingt. Grösser bedeutet nicht automatisch stärker. Wir begrüssen Konkurrenz, wenn sie uns mit besseren Produkten herausfordert – nicht mit billigeren Preisen. Den Preiskampf kritisieren wir grundsätzlich. Wettbewerb über Service und Qualität hingegen ist wertvoll.

Ihre Deutschland-Chefin Songül Göktas Rosati kandidiert für den DRV-Vorstand. Wäre der SRV-Vorstand für Sie selbst ein Thema?

Ja, definitiv. Ich würde mich gerne zur Wahl stellen und mein Know-how einbringen.