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Der grosse Ausbau bei den Nachtzügen bleibt aus. Für die SBB überwiegt der Nutzen schneller Tagesverbindungen. Bild: ÖBB

Nachtzug-Offensive wird abgeblasen

Zum grossen europäischen Nachtzug-Ausbau kommt es nicht. Die SBB streichen Verbindungen, kürzen Bestellungen und setzen stattdessen auf schnelle Tageszüge.

Die ambitionierten Pläne der SBB, das Nachtzugnetz massiv auszubauen, sind gemäss «CH Media» Geschichte. Ursprünglich sollte die Zahl der internationalen Nachtverbindungen aus der Schweiz von sechs auf zehn steigen, mit neuen Linien nach Rom und Barcelona. Doch SBB-Chef Vincent Ducrot stoppte diese Projekte und lenkt den Fokus auf den Tagverkehr: Ab 2026 sollen Hochgeschwindigkeitszüge ausgeschrieben werden, die Rom, Barcelona oder London in wenigen Stunden erreichen können.

Im Nachtzugbereich bleibt das Angebot weitgehend unverändert. Einziger Neuzugang ist eine saisonale Verbindung Basel–Kopenhagen–Malmö ab 2026, die dreimal wöchentlich fahren und dank 47 Millionen Franken Bundessubvention bis 2030 betrieben werden soll. Ohne diese staatliche Unterstützung, so die SBB, wäre der Betrieb nicht rentabel.

Hohe Trassenpreise, teure Fahrzeuge, nächtliche Baustellen

Die Probleme teilen auch andere Anbieter: Die österreichische ÖBB, Betreiberin der «Nightjet»-Züge, hat ihre Bestellung neuer Nachtzüge von 33 auf 24 gekürzt, um mehr in Tagverkehr zu investieren. Das französische Start-up Midnight Trains gab auf, bevor es startete, und auch Projekte von European Sleeper oder Flixtrain schrumpften deutlich.

Hauptgründe für die Zurückhaltung sind hohe Trassenpreise, knappe und teure Fahrzeuge, nächtliche Baustellen sowie die geringe Auslastung im Vergleich zu Tagzügen oder Flugzeugen. Nachtzüge können ihre Schlafplätze nur einmal pro Tag verkaufen, während Flugzeuge und Tagzüge mehrfache Umläufe schaffen. Preislich ist der Nachtzug oft teurer als Tageszüge oder Billigflüge – etwa Zürich–Berlin: 53 Franken tagsüber, ab 41 Franken per Flug, aber mindestens 95 Franken im Liegewagen.

Für die Anbieter bleibt das Geschäft eine Nische. 2024 nutzten nur rund 600’000 von 11,6 Millionen internationalen Bahnreisenden der SBB einen Nachtzug. Um Kosten zu drücken, setzen die Bahnen verstärkt auf externes, günstigeres Personal. Die ÖBB beschäftigt über den Dienstleister Newrest Mitarbeitende mit Einstiegslohn um 3700 Franken. Auf mehreren Strecken wird deutsches DB-Personal gestrichen, Serviceleistungen übernehmen Firmen wie RDC.

Nostalgische Randerscheinung

Auch neue Projekte werden nur geringe Passagierzahlen erreichen: Selbst bei voller Auslastung dürfte der Malmö-Zug weniger als 20’000 Reisende pro Jahr und Richtung befördern – weit weniger als der Flugverkehr zwischen der Schweiz und Skandinavien.

Der erhoffte Beitrag der Nachtzüge zur klimafreundlichen Mobilität bleibt damit begrenzt. Für die SBB überwiegt der Nutzen schneller Tagverbindungen – auch wenn dies bedeutet, dass für viele Reisende der Nachtzug zur nostalgischen Randerscheinung wird.

(TN)