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Absturz bei Air India: Das ist jetzt bekannt
Die indische Unfall-Untersuchungsbehörde hat einen Monat nach dem Absturz einer Air-India-Maschine mit 242 Menschen an Bord einen vorläufigen Bericht zum verheerenden Unglück veröffentlicht.
Das Flugzeug war am 12. Juni kurz nach dem Start in Ahmedabad im westlichen Bundesstaat Gujarat in ein Wohngebiet gestürzt und in Flammen aufgegangen. Bei der Katastrophe starben 260 Menschen an Bord und am Boden - ein britischer Passagier überlebte. Das Flugzeug war nach London unterwegs.
Der offizielle Bericht legt nahe, dass kein technisches Versagen zum Absturz geführt hat. Stattdessen deuten die Erkenntnisse auf ungewöhnliche Vorgänge im Cockpit hin. Travelnews beantwortet die vier wichtigsten Fragen zum Bericht.
Was ist nach ersten Erkenntnissen passiert?
Dem Bericht zufolge kam es kurz nach dem Start zu einem plötzlichen Schubverlust, und die Boeing 787 Dreamliner verlor an Höhe. Die Regler für die Kraftstoffzufuhr der beiden Triebwerke seien unmittelbar nach dem Start fast gleichzeitig auf die Position «abgeschaltet» gesprungen, so die indische Unfall-Untersuchungsbehörde. Auf dem geborgenen Stimmenrekorder des Flugzeugs sei im Cockpit zu hören gewesen, wie einer der Piloten den anderen gefragt habe, warum er den Kraftstoffschalter umgelegt habe, heisst es. «Der andere Pilot antwortete, er habe das nicht getan.» Wann der Flugkapitän sprach und wann der Erste Offizier, blieb unklar.
Was hat es mit diesen Treibstoffreglern auf sich?
Die Treibstoffschalter steuern den Fluss des Kerosins zu den Triebwerken – eine einfache, aber zentrale Funktion. Laut dem Aviatik-Portal «Aerotelegraph» befinden sie sich gut sichtbar unterhalb der Schubhebel, zwischen den Sitzen der beiden Piloten. Um eine unbeabsichtigte Betätigung zu verhindern, sind sie durch eine Federmechanik gesichert: Nur wer sie anhebt und gezielt umlegt, kann die Stellung verändern. In der Position «Run» fliesst Treibstoff, «Cutoff» hingegen unterbricht die Zufuhr. Üblicherweise werden die Schalter am Boden verwendet – beim Hoch- oder Herunterfahren der Triebwerke. Im Flug werden sie nur in Ausnahmefällen betätigt, etwa im Fall eines Triebwerksbrands.
Ist die Theorie von Vogelschlag als Absturz-Ursache vom Tisch?
Ja, dem Bericht zufolge deutet nichts auf einen möglichen Zusammenprall mit fliegenden Vögeln hin. «Es wurden keine bedeutsamen Vogelaktivitäten in der Nähe der Flugbahn beobachtet.» Die Maschine habe bereits an Höhe verloren, noch bevor sie die Umfassungsmauer des Flughafens überflogen habe. Einer der Piloten habe eine Notmeldung mit dem Code «Mayday Mayday Mayday» abgesetzt, heisst es im Bericht.
Wie schätzt ein Aviatik-Experte die Vorgänge ein?
Luftfahrtexperte Heinrich Grossbongardt äusserte sich im «Spiegel» mit Blick auf den vorläufigen Bericht überzeugt, dass einer der beiden Piloten die Treibstoffzufuhr absichtlich unterbrochen habe. «Alles deutet darauf hin, dass es ein Suizid war. Dass einer der beiden Piloten dieser Maschine bewusst die Treibstoffzufuhr unterbrochen hat – und das genau in dem Moment, in dem das Flugzeug am verwundbarsten war, unmittelbar nach dem Abheben.»
Die beiden Treibstoff-Regler für die Triebwerke seien laut dem Bericht wenige Sekunden nach dem Abheben von «Run» auf «Cutoff» umgelegt worden – und zwar nacheinander, im Abstand von einer Sekunde zwischen Schalter 1 und Schalter 2. «Das kann nach menschlichem Ermessen nur einer der beiden Männer im Cockpit getan haben», so Grossbongardt. «Versehentlich kann man diese Regler nicht bewegen.»
Die Wiederherstellung der Treibstoffversorgung sei zwar wenige Sekunden später erfolgt, so der Experte – jedoch sei das bereits zu spät gewesen. «Jeder von beiden könnte sie betätigt haben. Es ist noch nicht einmal ausgeschlossen, dass derjenige, der sie abschaltete, gleich danach den anderen gefragt hat, warum er die Treibstoffzufuhr abgeschaltet habe: Im Versuch, seine Spur zu verwischen», sagte der Luftfahrtexperte.