On The Move
Kommentar Ein ambitioniertes Projekt, das eine echte Chance verdient
Reto SuterEs gab Jahre, da fuhren Tausende Schweizerinnen und Schweizer im Sommer mit dem Bus in die Ferien – meist Jugendliche, Ziel: Spanien. Die Fahrt? Lang, stickig, unbequem. Mit den Billigfliegern war dieses Kapitel Geschichte. Nun versucht ein Zürcher Start-up, internationalen Busreisen eine neue Wendung zu geben.
Twiliner will ab Oktober mit einem innovativen Angebot durchstarten: Nachtfahrten in europäische Metropolen wie Barcelona, Brüssel und Amsterdam – aber mit Komfort, wie man ihn sonst nur aus der Business Class kennt. Die Sitze lassen sich vollständig zum Bett ausfahren, bieten Beinfreiheit und USB-Anschluss.
Es geht also nicht mehr ums günstigste Ticket, sondern um eine bequeme, ökologische Alternative zum Flugzeug. Ein Konzept, das zu unserer Zeit passt – und dennoch risikobehaftet ist.
Mut zum Risiko, Hoffnung auf Erfolg
Die Herausforderungen sind gross. 21 Plätze bieten die Busse. Ein grosser Teil davon muss verkauft werden, sonst rechnet sich das Modell nicht. Das dürfte nicht ganz einfach werden.
Die Strecke nach Barcelona etwa ist lang – vielleicht zu lang für viele Geschäftsreisende, die am Folgetag ein wichtiges Meeting haben. Kommt hinzu: Auch die Konkurrenz schläft nicht: In Nachtzügen gibt es eigene Abteile mit Dusche und mehr Privatsphäre. Zudem stehen die Twiliner-Busse tagsüber still. Sie kosten, aber sie verdienen nichts. Ein betriebswirtschaftliches Risiko.
Andererseits: Die Zeichen stehen nicht schlecht. Ausgebuchte Nachtzüge bringen neue Kundschaft, die ebenfalls umweltbewusst unterwegs sein will, aber auf der Schiene keinen Platz mehr findet.
Zudem spielt die Klimadebatte Twiliner in die Karten. Besonders die Strecke nach Brüssel dürfte Potenzial haben: EU-Beamte und Politiker stehen unter Zugzwang, ihre Flugreisen zu reduzieren. Wer bequem über Nacht reisen kann, spart CO₂ – und kommt ausgeschlafen an.
Fünf Jahre hat das Team von Twiliner gearbeitet, entwickelt, Geld gesammelt. Andere Anbieter sind mit ähnlichen Konzepten gescheitert – aber keiner hat einen Bus gebaut wie diesen. Twiliner ist mutig, ambitioniert und anders. Und das allein verdient Anerkennung. Es wäre dem Start-up zu gönnen, dass sich der Einsatz lohnt.