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Ferien auf dem Meer: Kreuzfahrten versprechen Erholung, Weitblick – und ein ganz besonderes Reisegefühl. Bild: Adobe Stock

«Wir fahren noch im vierten Gang, während andere schon im sechsten sind»

Reto Suter

Die Kreuzfahrtbranche steuert weltweit auf einen neuen Passagierrekord zu. Nur in der Schweiz will der Funke noch nicht so recht überspringen. Travelnews hat bei Kreuzfahrt-Profis nachgefragt, was die Gründe für die Zurückhaltung sind – und wo die Branche ansetzen will.

Der weltweite Kreuzfahrtmarkt bewegt sich auf ein neues Rekordjahr zu: Für 2025 rechnet der internationale Kreuzfahrtverband Clia mit 37,7 Millionen Passagieren weltweit – so viele wie noch nie. Damit würde die Zahl der Kreuzfahrtgäste gegenüber dem Vorjahr nochmals um knapp neun Prozent steigen. Schon 2024 hatte die Branche mit 34,6 Millionen Reisenden kräftig zugelegt – ein Plus von 9,3 Prozent gegenüber 2023.

Weniger rosig präsentiert sich die Lage in der Schweiz. «Der Schweizer Kreuzfahrtmarkt hinkt im internationalen Vergleich nach wie vor hinterher», sagt Cornelia Gemperle, General Manager von Kuoni Cruises und eine der profiliertesten Kreuzfahrt-Expertinnen der Schweiz, auf Anfrage.

Während Deutschland bereits kurz nach der Pandemie wieder stark angezogen habe und sogar Rekordzahlen verzeichne, habe sich auch Österreich rasch erholt. «In der Schweiz hingegen ist die Nachfrage weiterhin verhalten. Man könnte sagen: «Wir fahren noch im vierten Gang, während andere schon im sechsten sind», so Gemperle.

Last-Minute-Hoffnung statt Buchungshoch

Marcel Meek, Geschäftsführer des Kreuzfahrt-Spezialisten E-Hoi, sagt zu den aktuellen Buchungszahlen: «Wir spüren eine gewisse Zurückhaltung. Es deutet Vieles darauf hin, dass noch einige Kundinnen und Kunden zuwarten mit der Buchung und somit eine gute Last-Minute-Nachfrage zu erwarten ist, speziell was den Herbst betrifft.» Insgesamt entwickle sich der Markt in der Schweiz, zumindest im volumenstarken Segment, etwas verhaltener als in Deutschland. Positiv stimme hingegen die Dynamik im Luxusbereich, der sich laut Meek ausgesprochen erfreulich entwickelt.

Ähnliches berichtet Hotelplan-Sprecherin Sara Vidal. «Im Premiumsegment verzeichnen wir eine stabile Nachfrage und sind mit der aktuellen Entwicklung zufrieden», erklärt sie. Im Volumenbereich zeige sich die Buchungslage aktuell noch etwas zurückhaltender – insbesondere bei Familien und im preisgünstigeren Segment. «Wie im letzten Sommer gehen wir davon aus, dass viele Buchungen kurzfristig erfolgen werden, häufig erst wenige Tage vor Abreise», sagt Vidal.

Cornelia Gemperle, General Manager von Kuoni Cruises, bringt es auf den Punkt: «Bei uns läuft es solide – aber mit Luft nach oben.» Vor allem für den Sommer fehle derzeit noch der erhoffte Buchungsschub. Dafür sorgen kleinere Schiffe, innovative Konzepte wie Lifestyle-Kreuzfahrten und moderne Neubauten für frischen Wind. «Sie wecken Neugier – besonders bei Erstkreuzfahrern», sagt Gemperle. Auch längere Routen und aussergewöhnliche Destinationen abseits der klassischen Reiserouten liegen zunehmend im Trend.

Mehr Begeisterung, bitte!

Die Stimmen aus der Branche zeigen: In der Schweiz kommt der Kreuzfahrtmotor nur langsam auf Touren. Von Boom-Stimmung, wie sie in Deutschland oder Österreich herrscht, ist hierzulande wenig zu spüren. Doch woran liegt das? Die Antworten aus der Branche sind vielfältig.

«Viele Schweizerinnen und Schweizer haben noch immer Vorbehalte gegenüber Kreuzfahrten: Die Schiffe erscheinen zu gross, die Zahl der Mitreisenden zu hoch, der Tagesablauf als zu wenig flexibel», erklärt Cornelia Gemperle. Auch Nachhaltigkeitsbedenken spielten eine Rolle. «Zudem fehlt uns als Binnenland oft der natürliche Bezug zum Meer. Anders in Deutschland – dort liegen viele Häfen quasi vor der Haustür, was die Anreise per Auto oder Zug erleichtert und die Hemmschwelle senkt.»

Auch für die Kleinen ein Erlebnis: Kreuzfahrten bieten Familienferien mit Aussicht und Abenteuer. Bild: Adobe Stock

Marcel Meek von E-Hoi nimmt die Reedereien in die Pflicht: «Aus unserer Sicht tun sie nach wie vor zu wenig, um den Markt wirklich anzukurbeln.» Mit wenigen Ausnahmen seien die Reedereien kaum präsent mit Werbung, so Meek. «Bekanntlich ist die Euphorie für Kreuzfahrten in der Schweiz nicht so gross wie in anderen europäischen Ländern. Um diese zu wecken braucht es definitiv mehr Einsatz von den Kreuzfahrtgesellschaften.»

Hotelplan-Sprecherin Sara Vidal sieht auch innerhalb der Schweizer Reisebranche Verbesserungspotenzial. «Uns ist es ein Anliegen, unsere Beraterinnen und Berater mit gezielten Schulungen und fundierten Informationsangeboten zu unterstützen – und so gemeinsam das Kreuzfahrtprodukt weiter zu stärken», sagt sie.

Cornelia Gemperle von Kuoni Cruises trommelt für dieselbe Sache. «Wir müssen noch besser vermitteln, wie vielfältig, individuell und komfortabel eine Kreuzfahrt sein kann – und was das Erlebnis an Bord ausmacht», sagt sie. Im Vertrieb gelte es zudem, mehr Kreuzfahrt-Fans zu gewinnen: «Menschen, die mit Begeisterung und Fachwissen Ferien auf dem Meer attraktiv und glaubwürdig verkaufen können.»

Die Antworten zeigen: Kreuzfahrten sind in der Schweiz kein Selbstläufer – trotz globaler Rekordzahlen. Wer hierzulande Erfolg will, muss Hürden abbauen und Erlebnisse greifbar machen. Die Branche weiss, woran es hapert – und wo sie ansetzen muss. Zwischen neuen Schiffen, inspiriertem Vertrieb und gezielter Ansprache liegt eine Chance.