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GPS-Störungen in der Fliegerei auf Rekordhoch
Marilin LeuthardDas Schweizer Luftfahrtjahr 2024 hatte es in sich: Bedeutend mehr Vorfälle mit fluchenden, exzessiv trinkenden oder gewalttätigen Passagieren, über 30 Prozent mehr Störungen auf der Start- oder Landebahn, 13 Prozent mehr Kollisionen mit Wildtieren, knapp zehn Prozent mehr Verladefehler, 20 Prozent mehr Beinahezusammenstösse von Flugzeugen in der Luft sowie einen Todesfall.
Der aktuelle «Annual Safety Report 2024» des Bundesamtes für Zivilluftfahrt BAZL zeigt ernüchternde Zahlen für das vergangene Jahr. Das BAZL verortet die Hauptursache der Zunahme in der besseren Meldekultur, der Erholung des kommerziellen Luftverkehrs sowie den verschiedenen Konfliktregionen mit grossflächig gestörten GPS-Signalen auf Flugzeugen.
Letztere zeigen verglichen mit 2023 den auffälligsten Anstieg: GPS-Störungen gab es satte 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Während im Jahr 2023 beim BAZL etwas mehr als 2100 Meldungen zu GPS-Störungen eingegangen sind, waren es 2024 bereits rund 4000. Dieses Phänomen wird bereits seit den frühen 2000er Jahren beobachtet und steigt seither stetig an. Alleine von 2019 bis 2023 haben die registrierten Störfälle um 400 Prozent zugenommen.

Das GPS (Global Positioning System) empfängt Signale von einem Satelliten-Netzwerk auf der Erdumlaufbahn, das den Flugzeugen ermöglicht, die genaue geografische Position, Höhe und Geschwindigkeit zu bestimmen. In Konfliktregionen wie in Osteuropa und im Nahen Osten, wo rund 80 Prozent der Störfälle zu verorten sind, kommt es immer häufiger vor, dass diese Signale für militärische Zwecke blockiert oder gestört werden.
Falsche Daten sehen wie echte aus
Dabei gibt es verschiedene Formen von GPS-Störungen. Besonders im Fokus stehen das «GPS-Jamming» und das «GPS-Spoofing». Beim Jamming wird das echte GPS-Signal überlagert und aktiv gestört, sodass das Signal verloren gehen kann. Bei einem solchen Vorfall beschliesst die Cockpit-Besatzung, das GPS abzuschalten und den Flug mit alternativen Navigationsgeräten fortzusetzen, die an Bord mehrfach vorhanden sind. Ist das Signal zurück, nimmt das Flugzeug die normale Navigation wieder auf.
Problematischer wird es beim sogenannten «GPS-Spoofing». Dort kommt es nicht zu einem Ausfall des GPS, sondern zu einer bewussten Täuschung der Daten. Dabei werden bewusst falsche Navigationsdaten übermittelt, damit das Flugzeug davon ausgeht, es befinde sich an einer anderen Position. Dieses Phänomen rückt laut dem BAZL zunehmend in den Fokus, da es sich im vergangenen Jahr markant ausbreitete und die Sicherheit an Bord ernsthaft beeinträchtigen könnte.
Christian Schubert, Mediensprecher des BAZL, betont gegenüber Travelnews aber auch: «Bisher gab es keine schwerwiegenden Vorfälle aufgrund von GPS-Spoofing. Pilotinnen und Piloten haben spezielle Arbeitsanweisungen (Procedures), wie sie damit umgehen müssen, sollten sie von einem Spoofing betroffen sein. Somit gibt es robuste Alternativen im Umgang mit dieser Problematik.»
Wachsende Sicherheitsbedenken
Aeropers, der Berufsverband des Cockpitpersonals der Swiss und der Edelweiss, verfolgt die Entwicklungen genau: «Die Technologien zur Störung der GPS-Daten haben sich weiterentwickelt und sind leichter zugänglich sowie kostengünstiger geworden. Hinzu kommt, dass die Abhängigkeit von GPS in der Luftfahrt gestiegen ist, was die Anfälligkeit für Störungen zusätzlich erhöht», so Thomas Steffen, Pilot bei Swiss und Mediensprecher von Aeropers.
Die Sicherheitsbedenken seien in den vergangenen Jahren gewachsen. Gerade GPS-Spoofing stelle ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Luftfahrt dar. Das Erhalten falscher Positionsdaten könne zu gefährlichen Situationen führen, insbesondere während des Starts, der Landung oder im Luftraum, wo präzise Navigation entscheidend sei.
Wird ein Flugzeug durch GPS-Spoofing in eine falsche Position geleitet, kann dies zu einer erhöhten Kollisionsgefahr mit anderen Flugzeugen oder Hindernissen führen. Auch die korrekte Einschätzung der Lage sowie die Entscheidungsfindung der Pilotinnen und Piloten würden dadurch negativ beeinflusst werden.
Die Cockpit-Crew ist vorbereitet
Laut Steffen hat die Cockpit-Crew mehrere Möglichkeiten, um auf GPS-Störungen, einschliesslich GPS-Spoofing, zu reagieren: «Das Abgleichen der GPS-Daten und anderen Navigationsdaten kann bei allfälliger Abweichungen auf eine Störung hindeuten». Flugzeuge seien in der Regel mit mehreren Navigationssystemen ausgestattet, darunter inertiale Navigationssysteme (INS) und VOR/DME (VHF Omnidirectional Range/ Distance Measuring Equipment), auf die Piloten zurückgreifen können.
Wichtig sei zudem, dass die Cockpit-Crew die Navigationsinformationen ständig und von verschiedenen Quellen überwacht und die Kommunikation mit der Flugsicherung aufrechterhält. Bei Verdacht auf eine Störung kann diese ebenfalls Unterstützung bieten. Regelmässige Schulungen und Übungen im Simulator helfen der Crew zudem, auf GPS-Störungen vorbereitet zu sein. Dies umfasst das Erlernen von Reaktionsstrategien und das Üben von Notfallszenarien.
Das Risiko von GPS-Störungen für die Zivilluftfahrt sei momentan vertretbar, sagt BAZL-Sprecher Schubert, und kann dank verschiedener Massnahmen reduziert werden: «Dazu zählen die Redundanz der Navigationssysteme, die Sensibilisierung der Cockpitbesatzungen beim Flugbriefing sowie mittlerweile etablierte Verfahren im Cockpit, sollte es plötzlich zu einer GPS-Störung kommen.»