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Sah sich an Bord von TUI Cruises’ neustem und bislang grösstem Flaggschiff genau um: Wirtschaftsberater und Kreuzfahrtexperte Thomas P. Illes auf der Mein Schiff Relax (158'000 BRZ/4000 Passagiere). Bild: Isabel Kraus / TUI Cruises

«Die ausnehmend erfolgreiche DNA von TUI Cruises ist immer noch klar vorhanden»

Reto Suter

Berater Thomas P. Illes war geladener Gast auf der Taufreise der Mein Schiff Relax von Palma de Mallorca nach Gibraltar. Travelnews bat ihn um eine Einschätzung zum neusten, von Crewmitglied Giuliana Rizzo getauften Flottenzuwachs.

Herr Illes, Sie kommen soeben zurück von ein paar Tagen an Bord der Mein Schiff Relax: wie gefällt Ihnen das neue Schiff?

Thomas P. Illes: Es ist ein schönes, dank der vielen Glasflächen noch helleres Schiff als seine Vorgänger geworden!

Das Schiff dieser neuen InTUItion-Klasse ist aber um einiger grösser als seine Vorgänger – passt das noch ins TUI-Konzept?

Man merkt ihm die Grösse aufgrund der etlichen individuellen Rückzugsorte nicht unbedingt an. Also keine Gigantomanie im abschreckenden Sinne. Die Orientierung fällt zudem sehr leicht, unter anderem auch dank jetzt drei statt nur zwei Treppenhäusern mit Fahrstühlen. Der Name «Relax» ist dabei durchaus Programm: TUI Cruises ist ihrem ruhig-entspannten «Wohlfühl»-Konzept auch bei ihrem Neubau treu geblieben. Entsprechend ist die Relax, trotz erweitertem Entertainment-Angebot, kein Freizeitpark auf See oder turbulentes Spass-Schiff, sondern eher einem gepflegten Resort an Land im reedereitypischen nordischen Stil nachempfunden. Letzteres, vor allem im Kabinendesign, könnten gewisse Kundengruppen in Teilen als etwas minimalistisch empfinden – da bieten andere, namentlich US-Reedereien, mehr Raffinesse und Opulenz. Aber das ist natürlich Geschmacksache.

Also kein Halligalli mit Wasserrutschen, Kletterwänden, Kartbahnen und dergleichen?

TUI Cruises verzichtet auch bei ihrer neusten Schiffsklasse auf solche Bordeinrichtungen, die überdies viel Platz kosten und oft zu Lasten von freien Flächen auf den Aussendecks gehen. Das mag den einen gefallen, andere mögen es vermissen. Das Bordangebot und der Lifestyle zielen auch auf der Relax Richtung Entspannung, Entschleunigung, Wellness und Edutainment. Wichtig ist, die richtige und passende Zielgruppe anzusprechen. Dazu können auch Familien mit Kindern gehören. TUI-Cruises-Reisende sind bereit, für die Kombination aus Service, zahlreichen Inklusivleistungen, einer niveauvollen, gepflegt-eleganten, gleichwohl unprätentiös-lockeren Bordatmosphäre und im Vergleich zu Mainstreamschiffen weniger Massenandrang einen Premium-Aufpreis zu bezahlen.

Dank grosszügigen Fensterfronten mit Blick aufs Meer ist auf der Mein Schiff Relax auch das zentrale Atrium sehr viel offener und heller geworden. Bild: Thomas P. Illes / thilles consulting GmbH

Trotzdem: Steht das nicht im Widerspruch zu den Angeboten anderer Reedereien von grossen Megaschiffen?

Der Markt für entschleunigende Kreuzfahrterlebnisse gepaart mit einem trotzdem vielfältigen Bordangebot eines grossen Schiffs scheint gross genug zu sein – es muss also keineswegs immer energetisch-hektisches Rambazamba sein. Die konsequente Ausrichtung von TUI Cruises ist aber insofern bemerkenswert, als bislang niemand sonst so viel Unaufgeregtheit auf eine solche Schiffsgrösse transferiert hat. Kritiker mögen dies als langweilig bezeichnen. Und ja, nahezu alle anderen Reedereien von Megaschiffen meinen, ohne Adrenalinkicks generierende Features à la «Achterbahn auf See» nicht auskommen zu können. TUI Cruises beweist hier das Gegenteil. Sportlich darf man auf der Mein Schiff Relax trotzdem sein: neben einem Fitnesscenter, einer Joggingstrecke, weiteren Spa-Einrichtungen inklusive neu einer Kältekammer sowie einer bordeigenen Veloflotte findet sich auch wieder eine exzellent ausgestattete grosse Sporthalle mit unter anderem tollem Basketball Court, wie wir sie von der Mein Schiff 1, 2 und 7 kennen.

Mit 4000 Passagieren sprechen wir aber immerhin von einer um 40 Prozent erhöhten Gästekapazität – kann die Reederei ihren bisherigen Premiumanspruch so noch einlösen?

Was ich nach meiner kurzen Zeit an Bord bestätigen kann: die bislang ausnehmend erfolgreiche DNA von TUI Cruises ist immer noch klar vorhanden und überall spürbar. Das heisst auch und nach wie vor vergleichsweise viel Platz und Raum pro Gast. Treue Reedereikunden werden zwar in bestimmten Bereichen etwas umdenken müssen, sich jedoch schnell zurechtfinden – die Relax ist immer noch ein echtes «Mein Schiff». Letztlich werden jedoch die zahlenden Gäste entscheiden, ob sie das neue Konzept im Detail annehmen oder ablehnen.

«Wird es dann, trotz grosszügigen Platzverhältnissen, nicht zu viel Gedränge in den Innenbereichen geben?»

Was alles ist neu?

Den von den Vorgängerschiffen bekannte Diamant im Heckbereich mit seiner Aufpreis-Bar sowie den ebenfalls zuzahlpflichtigen Restaurantbereichen gibt es nicht mehr. Stattdessen befindet sich hier nun das inkludierte zweistöckige Hauptrestaurant Atlantik mit einer neuen integrierten Bar und in den hinteren Bereichen beeindruckender Aussicht dank grosszügigen Fensterflächen. Ebenfalls von vorne nach hinten verlegt wurden die vergrösserten, auf mehr Decks ausgeweiteten Suiten-Bereiche mit neu zwei Restaurants sowie die X-Lounge. Dadurch wurde Platz für Aussendecks und die grosszügige Captain's Bar über der Kommandobrücke frei, was nun auch Nicht-Suiten-Gästen Aussichtspunkte in Fahrtrichtung ermöglicht. Die Auswahl an den allgemein zugänglichen Restaurants wurde unter anderem um einen «Griechen», die Taverna Dionysos, das französische Sur Mer Bistrot, das Steakhaus Høfde und das japanische Entertainment-Restaurant Fugo von Starkoch Tim Raue erweitert.

Gibt es jetzt keinen speziellen Zuzahlbereich mehr auf dem Schiff?

Das Premium-Inklusivkonzept von TUI Cruises sieht eine breite Auswahl bereits im Reisepreis inkludierter Leistungen, unter anderem in etlichen Restaurants und Bars, vor, wofür man bei anderen Reedereien im Volumen- und Premiumsegment zusätzliche Getränkepakete buchen muss. Nach wie vor gibt es aber auch bei TUI Cruises höherwertige zuzahlpflichtige Gastroangebote. Diese sind jetzt überall auf dem Schiff verteilt und konzentrieren sich nicht mehr, wie früher, im hinteren Diamant-Bereich. Als Gast sollte man sich also vorab informieren, was wo inkludiert und was aufpreispflichtig ist, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Wasserrutschen & Co. Fehlanzeige – dafür findet sich der TUI Cruises-typische 25-Meter-Pool als Alleinstellungsmerkmal auch auf der neuen Mein Schiff Relax. Dank Verzicht eines darüberliegenden rundumlaufenden Decks mit zusätzlichen Liegen nun mit freierer Sicht aufs Meer. Bild: Thomas P. Illes / thilles consulting GmbH

Gibt es sonst noch Neuigkeiten?

Auch die oberen Decks wurden, laut Reedereiaussagen aufgrund von Kundenwünschen, optimiert. Zwar gibt es den für alle TUI-Schiffe typischen und industrieweit nach wie vor einzigartigen 25-Meter-Pool. Ein klassisches und auf den meisten Kreuzfahrtschiffen vorhandenes darüberliegendes rundumlaufendes Aussendeck mit zusätzlichen Liegestühlen findet sich dagegen nicht mehr. Stattdessen sind die Flächen für Liegestühle auf mehrere Ebenen verteilt. Ein geschwungenes, semitransparentes Dach dient jetzt als Wetter- und Sonnenschutz. So genau weiss ich allerdings noch nicht, was ich von dieser Konfiguration halten soll.

Wie meinen Sie das?

Es wird sich weisen müssen, ob bei Vollauslastung und warmen Seetagen die Verteilung der Gäste so funktionieren wird, wie sich die Reederei das vorstellt. Anderseits stellt sich für mich bei schlechterem und kälterem Wetter noch eine andere Frage...

Nämlich?

Wie wird der Gästefluss sein? Wird es dann, trotz grosszügigen Platzverhältnissen, nicht zu viel Gedränge in den Innenbereichen geben? Einen Innenpool, wie auf einigen TUI-Vorgängerschiffen, gibt es zum Beispiel nicht. Die Mein Schiff Relax würde ich also eher als Schönwetterschiff bezeichnen. Passend dazu konnte der Anteil der Balkonkabinen noch einmal gesteigert werden – von 82 auf 85 Prozent – und es finden sich neben den Innen- und Aussenkabine für Alleinreisende auch erstmalig Balkonkabinen für Alleinreisende. Wobei ich zu den Balkonkabinen generell noch einen wichtigen Hinweis hätte.

Hinweise sind uns immer willkommen!

Man sollte wissen, dass einige Balkonkabinen im vorderen Bugbereich auf Deck 6 – im Netz kursiert dafür bereits die Bezeichnung «Spannerkabinen» – über wenig bis keinerlei Privatsphäre verfügen, da sie auf gleicher Ebene wie die unmittelbar daneben verlaufende öffentliche Promenade liegen. Zudem sind sie durch die hochgezogene Bordwand gegen das Meer hin sichtbehindert. Wer also keinen ständigen Publikumsverkehr mit neugierigen Blicken vor dem eigenen Privatbereich wünscht, sollte sich vor der Buchung kundig machen und diese Kabinen vermeiden. Beziehungsweise einen Tarif wählen, der die spezifische Wahl einer Wunschkabine erlaubt.

«Warum soll ein Konzept, welches bisher so erfolgreich funktionierte, geändert werden?»

Das alles klingt aber nicht unbedingt nach bahnbrechenden Innovationen – hätte man bei einer neuen Schiffsklasse nicht etwas mehr Neuigkeiten, etwas «noch nie Dagewesenes» erwarten dürfen?

Die ewige Jagd nach neuen Sensationen und Superlativen im Kreuzfahrtbusiness oder in der Freizeitindustrie darf meiner Meinung nach bisweilen durchaus hinterfragt werden. Und warum soll ein Konzept, welches bisher so erfolgreich funktionierte, geändert werden? Klar, Kundenstrukturen, Gästedemographie, Erwartungen und Trends ändern sich. Das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass TUI Cruises nun vom rein deutschsprachigen Quellmarkt wegkommen und vermehrt auch internationalere Märkte ansprechen will. Insofern ist die international bekannte Musik-Ikone Robbie Williams als offizieller «Wohlfühl-Botschafter» der Mein Schiff Relax sicher gut gewählt. Auf der anderen Seite läuft man mit zu vielen Änderungen unter Umständen Gefahr, die bisherige Kundschaft allzu sehr vor den Kopf zu stossen und die Markenidentität zu verlieren. Bei solchen Investitionen – zusammen mit dem im Sommer 2026 in Fahrt kommenden Schwesterschiff Mein Schiff Flow sprechen wir immerhin von mehreren Milliarden – will das gut überlegt sein. Inwiefern die aktuellen Kunden- und Trenderhebungen auch noch in 10 bis 20 Jahren Gültigkeit haben werden, ist wieder eine andere Frage. Im Moment wissen wir aber ohnehin weniger denn je, wohin sich unsere Welt und damit auch unsere Freizeitbedürfnisse und -trends konkret entwickeln.

Und wie sieht’s mit der Umwelt aus – TUI Cruises war in dieser Beziehung ja immer wieder mal Vorreiter. Auch auf diesem Schiff?

TUI Cruises setzt nun mit Flüssigerdgas (LNG) als Primärtreibstoff erstmalig ebenfalls auf eine in der Schifffahrt zunehmend etablierte Brückentechnologie. LNG ist zwar einiges emissionsärmer als herkömmliche Dieselkraftstoffe, umweltmässig aber bekanntlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Allerdings verspricht die Nutzung von LNG dank angekündigten weiteren Technologiefortschritten in den nächsten Jahren noch einiges umweltfreundlicher zu werden. Zudem könnte, zumindest theoretisch, auch emissionsarmer Bio- und E-LNG-Treibstoff verwendet werden. Wann es so weit ist, bleibt offen. Denn generell gilt: was technisch möglich und machbar wäre, ist das eine. Demgegenüber stehen die Realitäten zum Beispiel in Sachen Verfügbarkeit grüner Treibstoffe zu vertretbaren Kosten in den Häfen. Letzteres ist noch ein grosses ungelöstes Problem in der globalen Schifffahrt. Insofern verwundert nicht, dass TUI Cruises hier eher auf bewährte Lösungen setzt, statt sich auf Experimente einzulassen, die dann nicht funktionieren. Ein Landstromanschluss, Katalysatoren zur Stickoxidminimierung sowie fortschrittliche Abfall- und Abwassermanagementsysteme, über die etliche Weltregionen und Destinationen an Land oft nicht verfügen, finden sich ebenfalls an Bord.

Gehört zu den Top 40 der grössten Kreuzfahrtschiffe der Welt: die 333 Meter lange und 42 Meter breite Mein Schiff Relax in Palma de Mallorca. Bild: Thomas P. Illes / thilles consulting GmbH