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Streit um Kinder in der Business Class
Reto SuterAuf Facebook tobt eine emotionale Debatte über kleine Kinder in der Business Class. Losgetreten hat sie der Schweizer Unternehmer und Sprachreise-Experte Walter Denz. In einer beliebten, geschlossenen Gruppe für Reiseprofis machte er seinem Ärger Luft: Sein Swiss-Flug von Chicago nach Zürich wurde so sehr getrübt, dass er ein Reklamationsschreiben an die Airline schickte.
Darin beklagt er sich, sein Nachtflug in der Business Class sei von einer Mutter mit dreijährigen Zwillingen komplett ruiniert worden. «Sie benutzte die gesamte Kabine, als wäre es ihr privates Schlafzimmer. Die Kinder schrien, wenn sie nicht schliefen, und die Mutter schrie zurück», so Denz. Zudem habe die Frau während des Fluges lautstark telefoniert und mehrfach Sicherheitsvorgaben missachtet.
«Die Reise war ein einziger Albtraum - eine schreckliche Erfahrung!», schreibt der Sprachreise-Experte. Denz kündigt in seiner Beschwerde an, bei Langstreckenflügen künftig Airlines wie United oder Lufthansa in Betracht zu ziehen, auch wenn dies keine Garantie für eine bessere Erfahrung sei.
Die Swiss erklärt in ihrer Antwort, dass das Feedback an die zuständigen Stellen weitergeleitet worden sei, um Schulungen zur Kundenbetreuung und Soft Skills zu intensivieren. Ziel sei es, ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Man hoffe, Denz unter besseren Bedingungen wieder an Bord begrüssen zu dürfen.
Unterstützung, aber auch Kritik
In der Reisebranche sind die Meinungen zum Thema gespalten. Walter Denz erhält für seine Ausführungen auf der einen Seite Lob. Ein Nutzer wirft dabei die Frage auf, wie eine Crew in der Lage wäre, eine ernsthafte Bedrohungssituation zu bewältigen, wenn sie bereits mit einer solchen Herausforderung überfordert war.
Ein anderer Branchenkollege lobt Denz‘ Beitrag und betont, wie wichtig das richtige Wording sei. «Meistens sind wir im Reisebüro die ersten Anlaufstellen für den Ärger der Kunden, nicht die Airline selbst», heisst es in seinem unterstützenden Kommentar.
Denz muss aber auch einiges an Kritik einstecken. Flug-Experte Remo Weidmann, derzeit für Holiday Partner tätig, bringt in der Debatte eine differenzierte Perspektive ein: Als Vater einer dreijährigen Tochter, die bereits über 40 Flugreisen hinter sich hat – darunter einige in der Business Class – betont er, wie wichtig der zusätzliche Komfort beim Reisen mit Kindern sein kann.
Er zeigt Verständnis für den Unmut über die geschilderte Situation, äussert jedoch gleichzeitig Mitgefühl für die Mutter, die allein mit Zwillingen unterwegs war. «Was ich mir wünschen würde, ist eine allgemein grössere Familienfreundlichkeit und ein wenig mehr Verständnis seitens der Mitreisenden», so Weidmann.
Ein Linien- oder Charterflug – selbst in der Business Class – bleibe ein öffentliches Verkehrsmittel. «Wer absolut keine unliebsamen Begegnungen oder Überraschungen wünscht, wie sie im öffentlichen Leben unvermeidlich sind, sollte sich vielleicht nach einem privaten Reisemittel umsehen.»
Martin Fiedler, Inhaber und Geschäftsführer von Zentrum Reisen in Mels, gesteht, dass auch er sich schon über schreiende oder herumtobende Kinder in der Business Class geärgert hat. Sein Lösungsansatz: Ablenkung und aktive Unterstützung.
«Wer sich einbringt, macht unbezahlbare Erfahrungen, die bei anderen Fluggästen womöglich mehr Verständnis wecken und da und dort ein Schmunzeln hervorrufen können», schreibt er.
Zwischen Toleranz und neuen Lösungen
Walter Denz regt im Gespräch mit Travelnews eine Reihe von Fragen an, die künftig für Airlines von Bedeutung sein könnten: «Wer muss auf wen Rücksicht nehmen? Wie schult man das Kabinenpersonal?» Er kritisiert, dass das Verhalten der Mutter – wie laute Telefonate und die Missachtung des Anschnallzeichens – ohne Kinder vermutlich nicht toleriert worden wäre, während mit Kindern beide Augen zugedrückt wurden. «Nur keine Probleme, nur keine Anklage wegen Diskriminierung», sagt Denz.
Ein Crew-Mitglied berichtete ihm zudem, dass die Swiss ab Zürich solche Business-Class-Tickets für kleine Kinder gar nicht anbiete, ab den USA sei dies jedoch anders geregelt. Als mögliche Lösung schlägt Denz die Einführung einer Quiet Zone in der Business Class vor: «Von mir aus auch gegen Aufpreis – mit den Konfigurationen der Boeing 777 und 330 wäre das gut umsetzbar.»
Remo Weidmann findet: «Vielleicht sollte sich Swiss wirklich überlegen, wen sie in der Business Class haben will.» Gleichzeitig plädiert er dafür, Familien nicht auszuschliessen, sondern sie als wertvolle Kunden zu betrachten.
«Wäre ich in der Position, hier mitzuentscheiden, würde ich eher die Familie in der Business Class haben wollen, die nicht nur drei oder vier Plätze kauft, sondern – sofern ich als Airline einen guten Job mache – generationenübergreifend noch viele Jahre zu meinem Kundenstamm zählen wird», so der Flug-Profi.
Zum Abschluss der Debatte bringt Martin Fiedler eine versöhnliche Note ein: «Die Fluggesellschaften werden kaum die Kinder aus der Business Class verbannen, was ich persönlich auch völlig verstehen kann.»
Er betont die Bedeutung von Toleranz, nicht nur im Flugzeug, sondern auch generell im Umgang miteinander. «Ohne Toleranz können wir kein Mitgefühl entwickeln. Dabei wäre sie manchmal ein Türöffner – und dies in vielerlei Hinsicht.»