On The Move
«Eine Übernahme von Hotelplan durch Dertour würde Sinn ergeben»
Reto SuterNach intensiven Wochen gönnte sich Martin Wittwer, Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), eine wohlverdiente Auszeit. Die glanzvolle Laureus-Gala und die arbeitsreiche SRV-Reise nach Madeira mit einer emotionalen Generalversammlung lagen hinter ihm, als er in Ägypten beim Surfen Entspannung fand – ein Ritual, das im November seit vielen Jahren fest zu Wittwers Kalender gehört.
Mit frischer Energie blickt er nun zurück auf die Tage auf Madeira, die von intensivem Austausch und seiner überzeugenden Wiederwahl als SRV-Präsident geprägt waren. Ein Gespräch über den besonderen Spirit des SRV, Lehren aus der Generalversammlung und die nächste ganz grosse Herausforderung für die Reisebranche durch den bevorstehenden Verkauf von Hotelplan.
Herr Wittwer, der grosse Aufreger der GV war Barbara Wohlfarths Antrag für anonyme Abstimmungen bei Vorstandsentschädigungen und Mitgliederbeiträgen. Über ein Drittel der Mitglieder unterstützte dieses Anliegen. Waren Sie überrascht von diesem Gegenwind?
Martin Wittwer: Es ist wichtig, zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden: Zum einen ging es darum, dass künftig die Mitglieder und nicht mehr der Vorstand selbst über dessen Entschädigungen entscheiden – ein Punkt, den auch wir im Vorstand befürworten und der an der Generalversammlung unstrittig war. Zum anderen stand die Frage im Raum, ob solche Abstimmungen sowie jene über Mitgliederbeiträge künftig generell anonym erfolgen sollen. Hier wurde die Diskussion deutlich lebhafter. Selbst ein positives Votum hätte den Verband jedoch nicht in seinen Grundfesten erschüttert. Ich hätte mich auch mit anonymen Abstimmungen arrangieren können, würde dann allerdings bevorzugen, gleich das gesamte Jahresbudget geheim abstimmen zu lassen, anstatt nur einzelne Punkte. Die Argumente der Befürworter kann ich durchaus nachvollziehen. Dennoch war unser Standpunkt im Vorstand klar: Bereits heute gibt es die Möglichkeit, im Einzelfall eine geheime Abstimmung zu beantragen. Es gibt keinen Grund, die Statuten mit zusätzlichen Regelungen unnötig zu verkomplizieren.
Eine anonyme Abstimmung im Einzelfall erfolgreich zu beantragen, erweist sich in der Praxis als äusserst schwierig. Das zeigte der Antrag von Marcel Gehring, Geschäftsführer von Let’s Go Tours, deutlich: Sein Vorstoss für eine anonyme Abstimmung zu diesem Thema scheiterte klar. Es ist also keineswegs so unkompliziert, wie es der Vorstand darstellt.
Wenn eine Statutenänderung tatsächlich entscheidend für die Weiterentwicklung des Verbands gewesen wäre, hätte sie vermutlich stärkeren Rückhalt gefunden. Das war bei der Generalversammlung auf Madeira nicht der Fall. Selbst bei einer anonymen Abstimmung zu Barbara Wohlfarths Antrag wäre das Ergebnis aus meiner Sicht unverändert geblieben. Es hätte lediglich den Prozess verkompliziert und verlängert, ohne das Resultat zu beeinflussen.
Verstehen Sie das Aufbegehren kleinerer und mittlerer Unternehmen, die sich im Verband manchmal durch die Dominanz der grossen Player benachteiligt fühlen?
Mir geht es nicht darum, zwischen Grossen und Kleinen zu unterscheiden – der Verband muss alle Mitglieder mitnehmen. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Kleinen von den Grossen oft stärker profitieren als umgekehrt. Der grosse Mehrwert des SRV liegt in der Beteiligung der grossen Player, die nicht nur Gewicht, sondern auch finanzielle Stabilität in den Verband einbringen. Das sollte von den kleineren und mittleren Unternehmen anerkannt und geschätzt werden. Mein Ziel ist es nicht, Präsident der Grossen zu sein, sondern ein Präsident für alle Verbandsmitglieder.
«Der Zusammenhalt, den wir im SRV haben, ist ein wertvolles Gut»
Wäre mehr Dankbarkeit der kleineren gegenüber den grossen Unternehmen angebracht?
Es wäre sicher nicht förderlich für die Schweizer Reisebüro-Landschaft, wenn die grossen Player aus dem Verband aussteigen würden. Ohne sie wären mehrheitsfähige Beschlüsse in vielen Fragen kaum noch möglich. Der Zusammenhalt, den wir im SRV haben, ist ein wertvolles Gut, das durch anonyme Abstimmungen, die potenziell Gräben zwischen Kleinen und Grossen vertiefen könnten, nicht gefährdet werden sollte. Die Realität zeigt: Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen funktioniert – und darauf können wir aufbauen.
Bei politischen Abstimmungen in der Schweiz drängen knapp unterlegene Gruppen oft auf Zugeständnisse. Ist ein solches Signal an die Befürworter anonymer Abstimmungen denkbar?
Ich sehe Abstimmungen nicht als Wettbewerb mit Gewinnern und Verlierern, sondern als Ausdruck demokratischer Entscheidungsfindung mit Mehrheiten und Minderheiten. Ich hätte es nicht als Niederlage empfunden, wenn der Antrag auf anonyme Abstimmungen bei Vorstandsentschädigungen und Mitgliederbeiträgen angenommen worden wäre. Das Ergebnis der Generalversammlung war kein Zeichen einer Dominanz der Grossen, sondern ein klarer Mehrheitsentscheid.
Das heisst, Zugeständnisse sind für Sie nicht ausgeschlossen?
Ganz im Gegenteil. Ich halte es für sinnvoll, bei sensiblen Themen im Rahmen einer Generalversammlung vom Vorstand aus künftig eine geheime Abstimmung vorzuschlagen, um sicherzustellen, dass alle Meinungen gehört werden. Wir müssen offen bleiben für die Anliegen unserer Mitglieder und auftretende Wünsche aufgreifen. Je nach Thema kann eine anonyme Abstimmung der richtige Ansatz sein, um den Verband weiter zu stärken und den Zusammenhalt zu fördern.
«Die Migros hätte Hotelplan durchaus weiterführen können»
Das grösste Thema in der Reisebranche ist aktuell der bevorstehende Verkauf von Hotelplan. Wie eng haben Sie als Verbandspräsident die Entwicklungen in den vergangenen Wochen und Monaten verfolgt?
Seit die Migros im Februar den Verkauf angekündigt hat, verfolge ich die Entwicklungen mit grossem Interesse – und auch mit Bedauern. Es ist schade, dass die Migros ihre Reisetochter abgeben möchte, auch wenn es für mich nicht völlig überraschend kam. Die Reisebranche befindet sich im Wandel, und das Tourismusgeschäft ist längst global ausgerichtet und nicht mehr an die Schweizer Grenzen gebunden.
Bedeutet das, dass der Verkauf unvermeidlich ist, weil Hotelplan als Schweizer Marke nicht genug Gewinn abwirft?
Das sehe ich nicht so. Die Migros hätte Hotelplan durchaus weiterführen können, denn die Marke war über viele Jahre hervorragend in die Migros-Struktur integriert. Der Entscheid, Hotelplan zu verkaufen, war weniger eine Frage der Rentabilität, sondern vielmehr eine strategische Entscheidung: Alles, was nicht zum Kerngeschäft zählt, wird abgestossen. Leider bringt dieser Schritt für die Mitarbeitenden von Hotelplan und die Branche insgesamt eine schwierige Situation mit sich, die meines Erachtens vermeidbar gewesen wäre.
Gibt es Schweizer Unternehmen, die Hotelplan übernehmen und erfolgreich weiterführen könnten?
Das wäre äusserst schwierig. Ohne die Unterstützung der Migros fehlen die Skaleneffekte, die notwendig sind, um Hotelplan in seiner jetzigen Grösse rentabel zu betreiben, insbesondere im Volumengeschäft. Ein Schweizer Käufer müsste sehr mutig sein und eine klare Vision haben, um Hotelplan neu zu positionieren.
Als mögliche Käufer werden derzeit die Dertour Group und der Ferienhaus-Vermittler Hometogo gehandelt. Halten Sie diese Konstellation für realistisch?
Ja, das ist durchaus vorstellbar – und könnte auf eine Marktbereinigung hinauslaufen. Eine Übernahme von Hotelplan durch Dertour würde Sinn ergeben, insbesondere wenn Dertour das Gesamtpaket erwirbt und danach Interhome an Hometogo zu einem attraktiven Preis weiterverkauft. Für die Migros wäre das eine Möglichkeit, ihr Gesicht zu wahren, da sie betont hat, Hotelplan als Ganzes abgeben zu wollen. Ob das allerdings für die Branche und den Reise-Verband von Vorteil wäre, steht auf einem anderen Blatt Papier.