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Grosses Publikumsinteresse: Die Tagung zum internationalen Bahnverkehr zog über 40 Fachleute an. Alle Bilder: Peter Hummel

Die Pläne, Sorgen und Wünsche im internationalen Bahnverkehr

An der Fachtagung «Nachfrage Top! – Angebot Flop?» wurden der internationale Schienenverkehr unter die Lupe genommen sowie Neuheiten und Problemzonen beleuchtet.

Die Nachfrage nach grenzüberschreitenden Reisen auf der Schiene boomt am Tag und in der Nacht. Das gilt sowohl für Auslandreisen der Schweizer wie das Incoming ausländischer Gäste.

Sie werden durch das weltweit gute Image des Öffentlichen Verkehrs wie auch die überzeugenden Werbeanstrengungen von Schweiz Tourismus – die Filmclips mit Roger Federer lassen grüssen – und den massgeschneiderten Angeboten des Swiss Travel Systems für ausländische Besucher beflügelt Das Angebot hingegen kann auf vielen Relationen damit nicht Schritt halten.

Wunschkonzert von Pro Bahn

Diesem Thema widmete sich die Fachtagung «Nachfrage Top! – Angebot Flop?» der Bahnjournalisten Schweiz vom letzten Freitag in Zürich. Bastian Bommer von der Konsumentenorganisation Pro Bahn identifizierte Angebot und Qualität der bestehenden Verbindungen. Ist die Zahl der Züge und erreichten Ziele Richtung Norden gut, so harzt es mit der Qualität: Mangelnde Pünktlichkeit und Zugausfälle sind an der Tagesordnung.

Paris erhält gute Noten, aber wenn es darüber hinaus oder in den Südwesten Frankreichs und nach Spanien geht, dann haperts gewaltig. Gut schneiden auch Italien und Österreich ab. Das Wunschziel London mit über drei Millionen Fluggästen aus der Schweiz pro Jahr, ist für Bahnreisende in Paris ein Umsteige-Hindernislauf, steht weit oben auf der Wunschliste von Pro Bahn.

Barcelona, einst direkt bedient mit dem komfortablen und populären Nachtzug Pau Casals ab Zürich, folgt als nächstes. Am Tag fehlt heute eine rasche Verbindung ab Genf nach Lyon, wo auf die Hochgeschwindigkeitszüge nach Südfrankreich und Spanien umgestiegen werden könnte.

Veranstalter und Moderator Kurt Metz (links) mit dem Dutzend Referenten.

Konkret wünscht die Vereinigung direkte Züge aus der Schweiz bis Mühlhausen – Strassburg, nach dem Flug- und Bahnknoten Charles-de-Gaulle – Lille – Brüssel, nach Marseille – Nizza das ganze Jahr und die Wiedereinführung der Nachtzüge nach Barcelona und Rom mit Verlängerung bis Neapel.

SBB bessert nach

Die SBB verbindet mit ihren Kooperationspartnern, den staatlichen Nachbarbahnen, heute 10 Länder, fährt 90 internationale Züge täglich und befördert mehr als 12 Millionen Fahrgäste jährlich über die Grenze. Diese Form der Zusammenarbeit preist Werner Ebert «als den Modus für die Entwicklung des IPV, ist das Erfolgsmodell für mehr Bahn in die europäische Nachbarschaft.»

In der Prüfung ist die Verbesserung und Beschleunigung der Verbindung nach Lyon und studiert wird die Direktverbindung nach London. 2026 entpuppt sich als voraussichtliches Schlüsseljahr: häufigere Verbindungen über die Rheinschiene, mehr Destinationen und kürzere Reisezeiten nach Italien sowie der Einsatz von modernem Wagenmaterial vom Typ Nightjet der ÖBB für die Nachtzüge. Fürs Jahr 2050 rechnet die SBB mit einer Verdoppelung der Nachfrage und dies auch für Ziele mit einer Fahrzeit von über 6 Stunden. Bis Ende 2024 sollen internationale Billette auf SBB mobile zu kaufen sein.

Mehr Service nach Paris

TGV Lyria plant auf nächsten Hochsommer die Verbindung Lausanne – Marseille anzubieten. Die 15 Doppelstockzüge haben die notwendige Kapazitätssteigerung nach Paris ab Genf, Lausanne und Zürich-Basel gebracht.

Ausgebaut sollen die Serviceleistungen an Bord mit Wifi-Infotainment und 5G-Mobilfunkverbindung sowie die Möglichkeit, Speisen und Getränke on-line im Barwagen zu bestellen und dann dort abzuholen.

Erfolgsmeldungen aus dem Süden

Die BLS ist erst seit 2017 mit ihren RE-Zügen nach Domodossola im IPV tätig, schreibt jedoch bereits eine Erfolgsgeschichte: Mit dem hohen Pendleraufkommen ins Wallis und dem Fokus auf touristische Gäste auch im Incoming verdoppelten sich die Personenkilometer innerhalb sechs Jahren, was den Stundentakt durch den Simplon rechtfertigt, da sich weiteres Wachstum ankündigt.

Dazu gehört die erfolgreiche Tageskarte für die Strecke des RE 1 Domo – Bern über die Lötschberg-Bergstrecke und die Schifffahrt auf dem Thunersee. Die voraussichtlich Ende 2025 in Betrieb genommene Verbindungsschleife vom Flughafen Malpensa an die Simplonlinie dürfte für weiteren Aufschwung sorgen.

Ähnliches gilt auch für TILO, das Gemeinschaftsunternehmen von SBB und Trenord, im Tessin und der Lombardei. Stark steigende Passagierzahlen – und dies besonders an den Wochenenden, was für eine Verhaltensänderung im Freizeitverkehr spricht – und die geplanten Kapazitätssteigerungen von Locarno nach Mailand, kürzere Reisezeiten von Lugano nach Malpensa und eine neue Verbindung aus dem Südtessin nach Como und Lecco lassen die Fortsetzung der ÖV-Erfolgsgeschichte erwarten.

Einfacher und einheitlicher

Der Bahnreiseveranstalter Railtour fordert von den Bahnen:

  • Vereinfachung der Komplexität für die Buchbarkeit der internationalen Bahntickets
  • Vereinheitlichung und Ausweitung der Buchungshorizonte im IPV auf 12 Monate
  • Vereinfachung der Rückerstattungsprozesse für Vertriebspartner und Endkunden
  • Einführung Hop on the next available train (HOTNAT) gültig für alle Bahngesellschaften der Railteam-Allianz

Zum Fazit des anregenden Tages gehörte die Forderung an die Staatsbahnen, die Nachfrage statt zu verwalten mit neuen Angeboten zu gestalten, vermehrt unternehmerisch zu denken und dann auch zu handeln.

(KUM)