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Wenig glamourös und dennoch ein Mehrwert: Die VIP-Lounge im Terminal 1 des Flughafens von Antalya. Bild: TN

Tested Zu einem stolzen Preis dem Chaos entflohen

Reto Suter

Reiseveranstalter und Hotels bieten ihren Kundinnen und Kunden einen kostenpflichtigen VIP-Service an, um den Aufenthalt am komplett überlaufenen Flughafen von Antalya erträglicher zu machen. Travelnews hat das Angebot unter die Lupe genommen.

Ferien an der türkischen Riviera können richtig toll sein. Beispielweise im Robinson Club Pamfilya. Er ist eine Oase weit weg von Alltagshektik, To-do-Listen und hastigem Snack in der (zu) kurzen Mittagspause. Wer sich nach leckerem Essen, einem vielseitigen Sportprogramm und karibischen Verhältnissen am Strand sehnt, ist dort genau richtig. Das haben mir unsere Familienferien diesen Sommer einmal mehr bestätigt.

Doch damit genug der Lobhudelei. Denn die Ferienhochburg am Mittelmeer hat ein grosses Problem: Die Reise in die Türkei und wieder zurück ist oftmals ein Graus. Das hat einerseits mit dem Flughafen von Antalya zu tun, der dem grossen Ansturm von Reisenden in der Hochsaison nicht gewachsen ist. Andererseits sind auch die Airlines nicht ganz unschuldig am schlechten Reiseerlebnis. Zum Beispiel, wenn – wie in unserem Fall – der Web-Check-in ausfällt. Dann kann die Reise in die Sommerferien schnell zu einem Spiessrutenlauf werden.

Reiseveranstalter locken mit VIP-Upgrade

Die Hotels und Reiseveranstalter sind sich des Schlamassels bewusst. Deshalb bieten sie ihren Kundinnen und Kunden für den Flughafen von Antalya VIP-Packages an. Darunter auch der Reisekonzern TUI. Er wirbt mit Flyern für ein solches Upgrade – und trifft damit den Nerv vieler Reisender. Besonders bei den Gästen der Robinson-Clubs sei das Interesse am VIP-Package gross, erzählt mir der Reiseleiter von TUI.

Wir beschliessen, das Upgrade ebenfalls zu buchen. Auch wenn ich erst einmal leer schlucken muss, als ich den Preis erfahre. 89 Euro kostet das Package pro Person – auch für unsere beiden Kinder im Alter von neun und zwölf Jahren. Macht für uns als Familie stolze 356 Euro. Damit wir unser Ferienbudget nicht komplett sprengen, verzichten wir stattdessen auf die angedachte Offroad-Tour ins Gebirge. Wenn uns dafür eine mühelose Heimreise bevorsteht, nehme ich das gerne in Kauf.

Das VIP-Package verspricht einen Hauch von Glamour: bevorzugte Behandlung beim Check-in sowie bei der Gepäck- und der Passkontrolle, dazu bis zu zwei Stunden Aufenthalt in der Lounge mit Gratis-WLAN, Zeitschriften und Snacks. Beim zu erwartenden Ansturm am Flughafen und einer drohenden Abflugverspätung, die gerade in der Hochsaison immer drin liegt, klingt das nach Wellness. Nach einem Ruheort mitten im Wahnsinn.

Bestnoten für das Tempo, Abzüge für die Lounge

Unser Abreisetag beginnt entspannt. Wir müssen erst gegen Mittag los. Vorher geniessen wir ein letztes Mal das Frühstück, packen unsere Koffer und machen uns schliesslich an den Check-out. Um kurz vor 11.30 Uhr holt uns der Bus ab, für den Transfer an den Flughafen.

Die Fahrt wird zu einer Geduldsprobe. Nicht etwa, weil es übermässig viel Verkehr hätte, sondern weil es der Fahrer gemütlich nimmt. Sehr gemütlich. Immer wieder tippt er auf seinem Handy herum, das er in einer Vorrichtung am Armaturenbrett befestigt hat. Wir kriechen auf der rechten Spur, während links die Autos an uns vorbeirauschen. Auch reihenweise Lastwagen sind schneller unterwegs als wir. Für den Transfer benötigen wir eine Viertelstunde länger als üblich. Das heisst: Um 12.45 Uhr erreichen wir den Flughafen von Antalya, zwei Stunden und zehn Minuten für dem geplanten Abflug.

Der VIP-Schalter vor dem Terminal: Von hier geht's via Gepäckkontrolle, Check-in, Passkontrolle und Security Check in die Lounge. Bild: TN

Um 12.47 Uhr melden wir uns am VIP-Schalter vor dem Terminal 1. Dann geht's durch einen separaten Eingang zur vorgelagerten Sicherheitskontrolle. Gleich daneben befinden sich die Check-in-Schalter für die Passagiere mit Vorzugsbehandlung. Die Laune der Mitarbeitenden? Eher mässig! Gerade auf Händen getragen werden wir nicht. Aber egal. Hauptsache das Tempo stimmt. Und das tut es.

Vom Check-in bringt uns ein Lift ruckzuck in den oberen Stock, wo die Sicherheits- und die Passkontrolle auf uns warten. Immer dabei: ein Mitarbeiter des Flughafens, der uns vordrängeln lässt. Denn für die VIPs gibt es keine separaten Zugänge. Wir gehen durch die Kontrollschleusen, die auch alle anderen Passagiere benützen. Mit dem Unterschied, dass wir uns nicht hinten an der langen Schlange anstellen müssen, sondern gleich zuvorderst reindrücken dürfen. Was die übrigen Passagiere verständlicherweise nicht gerade zu Freudensprüngen animiert.

Um 13.11 Uhr – lediglich 24 Minuten nach unserer Ankunft am VIP-Schalter vor dem Terminal – sind wir in der Lounge. Das ist eindrücklich. Ohne Vorzugsbehandlung hätten wir mindestens doppelt so lange und einen Haufen Nerven gebraucht. Das bedeutet: Teil 1 unseres Upgrades verdient Bestnoten. Es trägt zu Recht das Prädikat «VIP».

Nicht alles sieht nach VIP aus. Einzelne Tische sind bei unserer Ankunft zugemüllt. Bild: TN

Das trifft auf den zweiten Teil nicht mehr vollumfänglich zu. Die Lounge ist eher spartanisch eingerichtet und wirkt auf den ersten Blick etwas schmuddelig. Mehrere Tische sind zugemüllt, unserer ist klebrig. Immerhin haben wir auf Anhieb freie Plätze gefunden. Das scheint nicht selbstverständlich zu sein. Denn die Lounge ist gut gefüllt. Was einwandfrei funktioniert, ist das WLAN. Kein unwesentlicher Faktor, wenn es darum geht, sich die Zeit bis zum Abflug um die Ohren zu schlagen.

Auch die Essensauswahl erfüllt unsere Erwartungen. Als warme Gerichte werden Poulet, Kartoffeln und Gemüse angeboten. Daneben gibt's unter anderem Sandwiches, Früchte, Joghurts, Süssigkeiten wie etwa Muffins und dazu ein grosses Angebot an Getränken. Die Qualität ist durchzogen. Einiges schmeckt gut, anderes weniger. Die Sandwiches beispielsweise sind eher auf der trockenen Seite.

Die Essensauswahl ist ansehnlich. Unter anderem gibt's verschiedene Süssigkeiten. Bild: TN

Nach genau einer Stunde ist unser Aufenthalt in der Lounge zu Ende. Die zwei Frauen am Empfang empfehlen uns, runter ins Terminal zu gehen. Etwas gar früh, wie sich später herausstellt. Denn am Gate müssen wir noch fast eine Stunde aufs Boarding warten, weil der Flieger Verspätung hat.

Sei's drum: Alles in allem ist unsere Zeit am Flughafen Antalya relaxt. Kein Vergleich mit den nervenaufreibenden Stunden im vergangenen Sommer. Deshalb ist für mich klar: Das VIP-Upgrade hat sich im Grundsatz gelohnt. Wobei ich die Preise für die Kinder als zu hoch erachte. Denn die knapp zweistündige Vorzugsbehandlung am Flughafen kostet für sie mehr als ein kompletter Tag im Europa-Park Rust – samt Mittagessen.

Hier wäre eine zusätzliche Abstufung angebracht. Die gibt es nur bei Kindern unter sechs Jahren. Und auch dort sind die Preise noch einigermassen gesalzen: Für Zwei- bis Fünfjährige kostet das Upgrade 45 Euro pro Kind. Gratis sind ausschliesslich Säuglinge bis zum ersten Geburtstag. Fazit: Wer nicht komplett gerädert ins Flugzeug steigen will, soll sich den Luxus wenn irgendwie möglich gönnen. Zumindest solange, bis der Flughafen von Antalya fertig ausgebaut und damit auf dem Level anderer Ferienflughäfen wie etwa demjenigen auf Mallorca ist. Im kommenden Frühling soll es soweit sein.