On The Move

Die Utopia of the Seas, neu das zweitgrösste Kreuzfahrtschiff der Welt, will bei den Passagieren mit Kurzkreuzfahrten punkten. Bild: Royal Caribbean

So bewerten Schweizer Kreuzfahrt-Profis das neuste Mega-Schiff

Die Utopia of the Seas, das zweitgrösste Kreuzfahrtschiff der Welt, hat ihre Jungfernfahrt hinter sich. Das neuste Flaggschiff von Royal Caribbean will mit actiongeladenen Kurzreisen den Kreuzfahrtmarkt revolutionieren. Travelnews hat bei Experten nachgefragt, was dieses Konzept für den Schweizer Markt taugt.

Die Premierenfahrt der Utopia of the Seas war eine einzige Party. Mit fast 5700 Passagieren und 2200 Besatzungsmitgliedern an Bord legte das neu zweitgrösste Kreuzfahrtschiff der Welt am vergangenen Freitag von seinem Heimathafen in Port Canaveral im US-Bundesstaat Florida ab.

Der Wochenend-Trip führte die Gäste nach Nassau in die Hauptstadt der Bahamas und nach Coco Cay, die preisgekrönte Privatinsel der Reederei Royal Caribbean. Die Jungfernfahrt stand exakt für das, was die Utopia of the Seas auch in Zukunft sein soll: ein Schiff, das mit seinen drei- und viertägigen Kurzkreuzfahrten den Markt aufmischen will (Travelnews berichtete).

Die Utopia of the Seas ist bereits das zweite Schiff, das Royal Caribbean dieses Jahr vom Stapel gelassen hat – nach der Icon of the Seas, die Ende Januar auf Jungfernfahrt war und seither das grösste Kreuzfahrtschiff der Welt ist.

Was ist vom neusten Wurf in der Kreuzfahrtindustrie zu halten? Hat die Utopia of the Seas auch im Schweizer Markt Potenzial? Travelnews hat bei Kreuzfahrt-Profis nachgefragt.

Joel Lendenmann, Inhaber und Chef von Cruise Expert

Wie bewerten Sie die Utopia of the Seas anhand von Videos und Bildern?

Die Utopia of the Seas ist bereits das sechste Schiff der Oasis-Klasse, die schon seit 2009 unterwegs ist. Von daher ist es nicht mehr ein ganz ungewohnter Anblick. Mich persönlich faszinieren solche Kolosse auf den Weltmeeren. Ich war schon auf zwei der Schwesterschiffe, die mich beide begeisterten. Royal Caribbean hat das Schiff so geschickt gestaltet, dass trotz der grossen Zahl von Passagieren nie das Gefühl entsteht, es sei überfüllt.

Mit seinen vielen Wasserrutschen, bunten Farben und funkelnden Elementen wirkt das Schiff aber auch wie ein Vergnügungspark und ist deshalb nicht mit traditionellen Kreuzfahrten vergleichbar.

Wie nehmen die Schweizer Kreuzfahrt-Fans solche Mega-Schiffe an?

Hier sehe ich Trends in zwei ganz unterschiedliche Richtungen. Sehr viele Reisende bevorzugen inzwischen kleinere Schiffe oder haben sich bei den grösseren eine Limite von 4000 Passagieren gesetzt. Es gibt aber durchaus auch Fans der ganz grossen Megaliner, die teils Jahre im Voraus buchen, um als erste an Bord zu sein. Der grosse und seit 2009 anhaltende Erfolg mit der Oasis-Klasse gibt Royal Caribbean recht. Mit keiner anderen Schiffsklasse verdient die Reederei so viel Geld wie mit der Oasis-Klasse.

Royal Caribbean setzt mit dem neuen Flaggschiff auf Kurzkreuzfahrten. Wie attraktiv ist dieses Konzept für den Schweizer Markt?

Kurzkreuzfahrten in der Karibik sind für Schweizer Gäste nicht wirklich gefragt. Höchstens einmal, um eine Reise entlang der Ostküste mit einer Mini-Kreuzfahrt zu verlängern oder als Vor- oder Nachprogramm von Badeferien in Miami. Im Mittelmeerraum sind Kurzreisen aber durchaus beliebt. Nicht nur als Alternative zu einem Städtetrip, sondern auch als ideale Möglichkeit für Firmenausflüge, Familienfeiern oder Seminare.

Noemi Noser, Geschäftsführerin von Delphi Reisen

Wie bewerten Sie die Utopia of the Seas anhand von Videos und Bildern?

Sie ist gigantisch – und beeindruckend. Insbesondere die Verpflegungsmöglichkeiten mit dutzenden Restaurants und Bars sind ein Highlight. Die Utopia of the Seas ist ein Ferienresort für sich und für die Passagiere darum wichtiger als die angefahrenen Destinationen. Für mich ist das Schiff jedoch primär für die Karibik geeignet. Es braucht eine grosszügige Hafeninfrastruktur.

An Orten wie etwa Santorini, Mykonos oder Dubrovnik kann ich es mir – auch aufgrund der anhaltenden Diskussionen rund um den Massentourismus – weniger vorstellen.

Wie nehmen die Schweizer Kreuzfahrt-Fans solche Mega-Schiffe an?

Ein grosser Teil unserer Kundschaft bevorzugt grundsätzlich kleinere, intimere Schiffe.

Royal Caribbean setzt mit dem neuen Flaggschiff auf Kurzkreuzfahrten. Wie attraktiv ist dieses Konzept für den Schweizer Markt?

Für Karibik-Kreuzfahrten wird das Schiff auf dem amerikanischen Markt sicher ein grosser Erfolg. Unsere Kundinnen und Kunden buchen in der Karibik allerdings nur ganz selten Kurzkreuzfahrten. In der Regel handelt es sich um sieben- oder zehntägige Reisen in Kombination mit einem längeren USA-Trip.

Dario Cremona, Product Manager Knecht Schiffsreisen

Wie bewerten Sie die Utopia of the Seas anhand von Videos und Bildern?

Die Oasis-Klasse wurde bereits 2009 eingeführt; darum überrascht mich dieses neue Schiff nur wenig. Besonders positiv bewerte ich die Strategie von Royal Caribbean, mit der Utopia of the Seas lediglich Wochenendkreuzfahrten (drei oder vier Nächte dauernde Cruises) anzubieten. Damit wird sich die Reederei sehr wahrscheinlich ein neues Kundensegment erschliessen können.

Ebenfalls positiv werte ich die Tatsache, dass das Schiff mit LNG sowie Bio-Treibstoffen betrieben werden kann. Die Nutzung von KI zur Optimierung und Effizienz-Steigerung der Routen erachte ich zudem als eine weitere spannende Entwicklung.

Wie nehmen die Schweizer Kreuzfahrt-Fans solche Mega-Schiffe an?

Seit ihrer Markteinführung im Jahr 2009 sorgt die Oasis-Klasse für Begeisterung, gleichzeitig aber auch für Kontroversen. Es ist schwierig abzuschätzen, ob die Utopia of the Seas in der Schweiz für Furore sorgen wird oder nicht. Das wird stark von der Art der Berichterstattung abhängen. Rund um die Einführung der Icon of the Seas im Januar habe ich in zahlreichen Medien viel Negatives gelesen.

Royal Caribbean setzt mit dem neuen Flaggschiff auf Kurzkreuzfahrten. Wie attraktiv ist dieses Konzept für den Schweizer Markt?

Das wird sehr spannend. Vor der Pandemie war die Kombination aus einer Rundreise in Florida und einer anschliessenden Kreuzfahrt Richtung Bahamas hoch im Kurs. An diesem Trend respektive dieser Entwicklung arbeiten wir bei Knecht Reisen gezielt, damit unsere Vertriebspartner die Kombination von Landurlaub und Kreuzfahrt wieder aktiver verkaufen. Hierbei hilft ein Produkt wie die Kurzkreuzfahrten von Royal Caribbean. Entsprechend sehe ich daher gutes Potenzial für den Schweizer Markt.

Marcel Meek, Geschäftsführer E-hoi

Wie bewerten Sie die Utopia of the Seas anhand von Videos und Bildern?

Die Bilder sind durchaus eindrücklich. Auch wenn ich persönlich eher kleinere Schiffe bevorzuge, ist die Versuchung da, die Utopia einmal auszuprobieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch eine Konstruktion jemanden komplett kalt lässt. Was mich jedoch besonders freut an diesem Konzept, ist die klare Ausrichtung an ein jüngeres Publikum. Hier liegt in der Schweiz noch viel Potenzial brach.

Wie nehmen die Schweizer Kreuzfahrt-Fans solche Mega-Schiffe an?

Ich denke, es geht allen ähnlich: Man muss fasziniert sein von so einem Schiff. Das zeigt sich auch daran, dass wir effektiv bereits Buchungseingänge für die Utopia of the Seas hatten. Die Gäste reisen nur für ein paar wenige Tage nach Florida, um das Schiff kennenzulernen.

Royal Caribbean setzt mit dem neuen Flaggschiff auf Kurzkreuzfahrten. Wie attraktiv ist dieses Konzept für den Schweizer Markt?

Die Kurzkreuzfahrten sind wenig attraktiv für den Schweizer Markt. Nur wegen drei oder vier Tagen fliegt fast niemand nach Florida. Das Konzept ist aktuell zu 100 Prozent auf den amerikanischen Markt ausgerichtet. Und wenn man das Preisniveau betrachtet, das für die Utopia gilt, scheint dies für Royal Caribbean auch aufzugehen.

(RSU)