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Die Meyer Werft in Norddeutschland steckt in Finanznöten. Ihre Zukunft ist ungewiss. Bild: Meyer Werft

Meyer Werft in Schieflage: Welche Folgen eine Pleite hätte

Die Meyer Werft in Deutschland gehört zu den führenden Schiffbauunternehmen Europas – und steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Ein Aus könnte gravierende Folgen für die Kreuzfahrtindustrie und die Entwicklung nachhaltiger Technologien haben.

Die Meyer Werft im norddeutschen Papenburg kämpft mit einem Finanzloch von rund 2,8 Milliarden Euro. Geholfen werden muss bis September, sonst droht die Zahlungsunfähigkeit.

Nachdem das Land Niedersachsen bereits Unterstützung zugesagt hat, ist beim Überbrücken mit Bürgerschaften auch der Bund gefragt. Die Verhandlungen laufen. Noch ist die Zukunft des renommierten Unternehmens jedoch nicht gesichert. Es stellt sich die Frage, wie sich die Kreuzfahrtindustrie weiter entwickeln würde, wenn die Meyer Werft tatsächlich dicht machen müsste.

In Europa würde viel Know-how verloren gehen

Die «Neue Osnarbrücker Zeitung» Abo hat sich mit Branchenkenner Thomas P. Illes unterhalten. Der Schweizer ist seit gut 30 Jahren mit der Hochsee-Schifffahrt verbunden und gilt als einer der international profiliertesten Schifffahrtsanalysten und Kreuzfahrtexperten.

«Sicher gäbe es viele Menschen und Gruppen, die es begrüssen würden, wenn ein Standort zum Bau von Kreuzfahrtschiffen wegfallen würde», sagt der Wirtschafts- und Kommunikationsberater. «Dabei sollte man aber nicht ausser Acht lassen, dass die Kreuzfahrt Innovationstreiberin in Richtung dringender Themen wie Dekarbonisierung, Zero Emission, etc. für die gesamte Schifffahrt ist.»

Thomas P. Illes gilt als einer der international profiliertesten Schifffahrtsanalysten und Kreuzfahrtexperten. Bild: Rita Röösli / thilles consulting GmbH

Viele dieser innovativen Technologien seien in den letzten Jahren von der Meyer Werft gekommen, so Illes. «Mit Meyer würde man sehr viel Know-how für Deutschland und Europa verlieren.» Der Bau von Kreuzfahrtschiffen ist laut dem Experten immer noch eine europäische Domäne. «In China baut man zwar Highspeed-Züge, Passagierjets und fliegt ins All, aber grosse Kreuzfahrtschiffe zu bauen, ist in vielerlei Hinsicht komplexer.»

Gleichwohl betont er: «Sollte die Meyer Werft wegfallen, haben asiatische Werften eine ganz andere Motivation, noch aggressiver und schneller in den Markt zu drängen. Das würde den europäischen Schiffbau dann weiter drastisch schwächen.»

In Europa sind die italienischen Fincantieri-Werften mit Standorten in Marghera bei Venedig, Sestri Ponente bei Genua, Ancona und Monfalcone bei Triest und die französische Werft Chantiers d l‘Atlantique in Saint-Nazaire die Mitbewerber der Meyer-Werft-Gruppe.

Durch Staatsanteile können beide Anbieter gegenüber Meyer jedoch andere, günstigere Preise für ihre Neubauten aufrufen. So gehört mit der Reederei MSC Cruises die Kreuzfahrtreederei mit dem derzeit stärksten Wachstum zu den Stammkunden beider Meyer-Konkurrenten.

(TN)