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Wer nimmt Platz auf dem Chefsessel der Swiss? Das Warten dauert an. Bild: Adobe Stock

Kommentar Fehlender Swiss-CEO, fehlende Wertschätzung

Gregor Waser

Dieter Vranckx verlässt in diesen Tagen die Swiss Richtung Frankfurt. Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger ist noch immer nicht bekannt.

Erstaunlich, wie lange sich die Suche nach einem CEO bei der Swiss hinzieht. Am 23. Februar wurde bekannt, dass Dieter Vranckx die Swiss per 1. Juli Richtung Vorstand der Lufthansa Group verlassen wird. Heute, 116 Tage nach der Bekanntgabe, ist noch kein Nachfolger in Sicht.

In diesen vom Fussball geprägten Tagen kommt schnell die Analogie zur peinlichen Trainersuche bei Bayern München auf. Der Bundesliga-Krösus schaffte es in diesem Frühling während 98 Tagen nicht, einen neuen Trainer zu präsentieren – trotz sehr prominenten Vorgängern und einem bereitliegenden Millionensälär. Es hagelte Absage um Absage und die Wahl fiel zuletzt aus der Not heraus auf ein eher unbeschriebenes Blatt.

Dass der Swiss-Chefsessel am Verwaisen ist, kann verschieden gedeutet werden. Valable Kandidatinnen und Kandidaten sind aktuell nicht verfügbar. Der bisherige Finanzchef Markus Binkert, der sich früher schon Chancen auf den CEO-Posten ausrechnete, arbeitet künftig bei der SV Group. Dorothea von Boxberg (Brussels Airlines) und Annette Mann (Austrian Airlines) haben ihre aktuellen CEO-Posten noch nicht lange inne. Heike Birlenbach ist erst seit anfangs Jahr CCO bei Swiss, Bernd Bauer mit Edelweiss und Discover Airlines doppelt beschäftigt.

Und wo ist der zu erwartende, jüngere CEO-Kandidat aus der Frankurter Zentrale? Denn damit konnte gerechnet werden, dass LH-Group-CEO Carsten Spohr einen künftigen Swiss-CEO aus der eigenen Kaderschmiede zaubert, um ihn oder sie bei der Schweizer Tochterairline an noch grössere Aufgaben heranzuführen. Doch Stand jetzt ist dies noch nicht der Fall. Denn die LH Group hat noch andere Baustellen, etwa die sich abzeichnende Integration von ITA Airways, die erhebliche Managment-Ressourcen absorbieren wird.

Nächste Turbulenzen kommen bestimmt

So bleibt der Chefsessel an der Klotener Obstgartenstrasse noch immer leer. Was, so eine andere Lesart, gar nicht so schlimm sei. Die «NZZ am Sonntag» schreibt, Sorgen müsse man sich keine machen, «die Swiss ist mittlerweile so eng mit dem Lufthansa-Konzern verflochten, dass der Betrieb auch reibungslos weiterläuft.» Zudem sollen Kompetenzbereiche wie Netzwerkplanung und Revenue-Management in diesem Sommer an den Konzern abgetreten werden.

Im letzten Jahr flog die Swiss einen Rekordgewinn von 718 Millionen Franken ein, fast die Hälfte des Konzerngewinns. Die Einflottung neuer A350-Maschinen ist aufgeschient. Der Betrieb läuft gerade wie am Schnürchen. Ein vakanter Chefposten scheint wohl aus Frankfurter Sicht ein überschauberes Problem.

Doch wie lange? Wie das Amen in der Kirche drohen in der Fliegerei die nächsten Turbulenzen eher früher als später. Dann benötigt die Swiss einen CEO vor Ort und nicht boss eine 0049er-Telefonnummer nach Frankfurt.

Trotz deutscher Eigentümerschaft, die Swiss bleibt ein emotionales Unternehmen, mit dem sich viele Schweizer Reisende und viele der 8600 Swiss-Angestellten identifizieren. Ein Gesicht an oberster Stelle gehört einfach dazu – ob Belgierin, Deutscher oder Schweizerin. Den Chefsessel verwaisen zu lassen hat auch mit fehlender Wertschätzung zu tun.