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«Wir waren blauäugig genug, das Projekt anzugehen»
Reto SuterEs ist Frühling 1994: Kurt Zürcher und Kurt Eberhard sitzen mit ihren Frauen auf Zürchers Veranda in der kenianischen Stadt Mombasa. Dort stossen sie gemeinsam auf die Gründung des Reiseveranstalters Let's go Tours an. Mit Angeboten in Ostafrika und im Indischen Ozean wollen sie den Schweizer Reisemarkt aufmischen – und schaffen es.
30 Jahre später gehört Let's go Tours, unter anderem auch mit einem starken Portfolio in Arabien, zu den etabliertesten Reisemarken der Schweiz. Am Donnerstag feiert das Unternehmen seinen runden Geburtstag mit einer Party – Anlass genug, um mit den beiden Gründern auf die erfolgreiche Firmengeschichte zurückblicken.
«Die Zeit ist wie im Flug vergangen», sagt Kurt Zürcher im Gespräch mit Travelnews. «Ich habe nicht das Gefühl, dass die Gründung schon 30 Jahre her ist.» Kurt Eberhard geht es ähnlich. «Mich erfüllt es vor allem mit Stolz und Genugtuung, dass es Let’s go Tours immer noch gibt und prächtig gedeiht», erklärt er. Auch wenn das nur zum Teil sein Verdienst sei. «Hier muss ich dem ganzen Team ein grosses Kränzchen winden.»
In Afrika reift der Plan, eine Firma zu gründen
Kurt Zürcher und Kurt Eberhard begegnen sich – obwohl beide schon länger in der Reisebranche tätig sind – nur selten. Anfang der 90er-Jahre lernen sie sich besser kennen. Zürcher arbeitet für Hotelplan als Resident Manager in Kenia, Eberhard ist bei einer kenianischen Incoming-Agentur angestellt. Dabei kreuzen sich ihre Wege. Es entsteht eine Freundschaft, und es reift der Plan, gemeinsam einen Reise-Veranstalter zu gründen.
Zürcher sieht in einem Branchenblatt ein Inserat, hinter dem Rolf Meier steht. Der bekannte Reiseunternehmer sucht für ein leer gewordenes Büro in Schaffhausen einen «Unternehmertyp», der dort ein Nischenprodukt bearbeiten und weiterentwickeln will. Zürcher fühlt sich angesprochen, spannt mit Eberhard zusammen und bringt den Deal nach mehreren Gesprächen über die Bühne.
«Wir waren blauäugig genug, das Projekt anzugehen», sagt Zürcher. «Scheitern war für uns keine Option.» In Ostafrika und im Indischen Ozean habe niemand auf sie gewartet, so Eberhard. «Natürlich hörten wir auch kritische Stimmen, als wir von unseren Plänen erzählten. Aber wir waren verwegen genug, um das durchzuziehen.»
In Mombasa blättern die beiden Firmengründer in einem Ikea-Katalog, um die Möbel fürs Büro auszusuchen. Zürcher schmunzelt, als er sich an diese Zeit zurück erinnert: «Rolf Meiers Schwiegersohn war Schreiner und unterbreitete uns Offerten für die Schreibtische.» Eberhard und er hätten allerdings dankend abgelehnt. «Die Tische waren für ein junges Start-up schlicht zu teuer, sie hätten gleich einen guten Teil unseres Aktienkapitals aufgefressen.»
Am 8. Juni 1994 betreten sie erstmals ihr neues Büro in Schaffhausen. Dort stehen Schreibtische und Computer – und sonst nichts. «Wir hatten keine Kugelschreiber, keine Bleistifte und auch keinen Schreibblock», erzählt Zürcher. Sofort schicken die Firmengründer die Auszubildene los, die Rolf Meier für sie eingestellt hat. Sie kauft Büromaterial und Taschenrechner. Jetzt kann das Abenteurer losgehen.
Mauritius ist zu Beginn der Goldesel
Der Start verläuft vielversprechend. «Am Anfang war Mauritius für uns überlebenswichtig», sagt Eberhard. «Damit verdienten wir hauptsächlich unser Geld.» Zürchers Netzwerk sei hier Gold wert gewesen. Er hatte Ende der 80er-Jahre auf Mauritius gearbeitet und viele Kontakte geknüpft, die sich nun auszahlen. Let's go Tours schreibt ab dem ersten Jahr immer schwarze Zahlen.
Die Anfangszeit sei äusserst intensiv gewesen», erinnert sich Eberhard. Er und sein Geschäftspartner erreichen die eigentliche Wochenarbeitszeit jeweils schon am Mittwochmittag. «Kaffee hielt uns wach», erzählt Eberhard. «Wir hatten eine Filter-Kaffeemaschine, die ständig lief. Am Abend war der Kaffee derart schwarz und dick, dass es einen aus den Socken haute.»
Zürcher und Eberhard funktionieren als Team hervorragend. Sie haben einige Gemeinsamkeiten. Beide sind viel gereist, haben in der Branche ein grosses Netzwerk und sind rhetorisch beschlagen. Gegenseitig bezeichnen sie sich als «äusserst zuverlässig».
Und doch sind sie in vielen Punkten auch verschieden. Zürcher ist ein Visionär und die treibende Kraft, wenn es darum geht, neue Destinationen ins Portfolio aufzunehmen. Sein Umgang ist hemdsärmlig, zwischendurch auch mal cholerisch, aber nie böse. «Aber das brachte Leben in die Bude. Und meist waren die Wogen schnell wieder geglättet», berichtet Eberhard.
Eberhard ist sehr interessiert an Neuem. Was Technik und IT betrifft, macht ihm in der Reisebranche zu jener Zeit niemand etwas vor. Gleichwohl nimmt er sich selbst nie zu wichtig, bleibt immer demütig. «Wir konnten streiten, ohne dass jemand beleidigt oder nachtragend war», erzählt Zürcher.
Die Firmengründer sehen zwei Hauptgründe für ihren Erfolg mit Let's go Tours. Einerseits sei die Mitgliedschaft bei der Kooperation TTS entscheidend gewesen, erklärt Zürcher. «Wir durften den anderen Mitgliedern betreffend Destinationen nicht zu sehr in die Quere kommen. Aber von da an ging's steil bergauf.» Andererseits konzentrierten sich die Reiseprofis von Anfang an auf ihr Kerngeschäft. «Buchhaltung, Versicherungswesen, AHV-Abrechnungen – das alles haben wir ausgelagert.»
Nach 14 Jahren steigt Eberhard aus
«Wir haben uns deutlich mehr gesehen als unsere Frauen», erzählt Eberhard. 14 Jahre lang isst er fast täglich mit Zürcher zu Mittag. Dann ist Schluss. Nicht Knall auf Fall, sondern nach reiflicher Überlegung. Kurt Eberhard verlässt Let's go Tours 2008 und verkauft sein Aktienpaket.
«Ich war kurz vor 50, und mein Lebensmittelpunkt war immer in Zürich. Zudem bin ich ein Typ, der immer wieder neue Reize braucht. Deshalb entschied ich mich weiter zu ziehen.» Das Unternehmen sei sehr solid unterwegs gewesen, aber eigentlich zu wenig gross für zwei Chefs. Eberhard übernimmt später Führungsfunktionen bei Hotelplan Suisse, vier Jahre lang als CEO. Heute amtet er als Co-Präsident von TPS.
Kurt Zürcher stellt klar: «Wir gingen im Frieden auseinander. Das war uns sehr wichtig.» Inzwischen ist auch er auf dem Absprung. Je weniger ich mit dem Unternehmen zu tun habe, desto besser geht es mir», sagt Zürcher mit einem Augenzwinkern.
2020 gibt er die operative Leitung an den aktuellen CEO Marcel Gehring ab. Voraussichtlich im kommenden Jahr will er sich auch als Aktionär und Verwaltungsratspräsident zurückziehen. Durchaus mit einem gewissen Stolz, wenn er auf die Geschichte der Firma zurückblickt. Überhöhen will er seine Zeit bei Let's go Tours aber nicht. «Mein Lebenswerk ist meine Familie mit vier tollen Kindern, nicht meine Firma.»
Seinem Nachfolger hinterlässt er nicht nur ein prosperierendes Unternehmen, sondern auch einen der teuren Schreibtische aus der Schreinerei von Rolf Meiers Schwiegersohn. Ganz Geschäftsmann bezahlt Zürcher allerdings keinen Rappen dafür. «Irgendwann einmal bekamen wir ein solches Pult geschenkt», sagt er und lacht.