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Aufgrund des bevorstehenden Stopps der Aktivitäten der FTI Touristik GmbH sind erhebliche Beeinträchtigungen für Reisende zu erwarten. Bild: TN

Hilfe von Veranstaltern – Empörung über Hoteliers – Certares, ein Luftschloss

Die jüngsten Neuigkeiten zur FTI-Pleite: Das müssen Reisende und Reisebüros wissen, so reagieren Hoteliers und Reiseveranstalter.

«Tendenziöse Berichterstattung» – SRV interveniert beim SRF

«Mit Befremden haben wir den Beitrag über die Schweizer Reisebranche im Rahmen der FTI-Thematik vom SRF - Schweizer Radio und Fernsehen in der Sendung  «10vor10» vom 4. Juni 2024 (ab 16:57) zur Kenntnis genommen», informiert der Schweizer Reise-Verband seine Mitglieder. Aufgrund der tendenziösen Berichterstattung habe der SRV beim SRF schriftlich interveniert. «Im Bericht wurde nicht einmal im Ansatz seriös recherchiert und absolut tendenziös berichtet. Die Aussage in der Anmoderation von Frau Goutziomitros («Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Ferien in einem Reisebüro gebucht? Es dürfte länger her sein») war völlig deplatziert.»

«Die Kernaussagen, dass kaum mehr in den Reiseagenturen gebucht wird und diese quasi vom Aussterben bedroht sind, entsprechen schlicht nicht den Tatsachen und wurden ohne fundierte Begründung vorgebracht. Von einem gebührenfinanzierten Unternehmen wie SRF dürfen die Zuschauerinnen und Zuschauer eine sachliche Berichterstattung erwarten und kein schlecht recherchierter, spekulativer und beliebiger Boulevard-Journalismus.  Wir haben nichts gegen kritische Berichterstattungen einzuwenden, erwarten jedoch, dass den journalistischen Aussagen – sowohl im Bericht als auch in den Moderationen – konkrete und korrekte Fakten zugrunde liegen. In dieser tendenziösen Form sind sie rufschädigend und gefährden Arbeitsplätze.» Deshalb prüfe der SRV nun, ob bei der entsprechenden Ombudsstelle offiziell eine Beschwerde eingereicht werden soll.

10'000 Schweizer betroffen

Von der Pleite des drittgrössten europäischen Reisekonzerns FTI sind in der Schweiz rund 10'000 Kunden betroffen. Das schätzt der Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), Martin Wittwer. In der Schweiz hätten allerdings Kunden, die bei einem Reisebüro gebucht hätten, eine Sicherheit. Denn der Garantiefonds der Schweizer Reisebranche sichere das Geld der Kunden ab, heisst es in einer SRV-Mitteilung von heute.

Die FTI Touristik AG Schweiz hat – Stand heute – noch keinen Konkurs angemeldet oder einen Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens gestellt. Dazu sagt Wittwer: «Sobald dies aber der Fall ist, sind die bereits überwiesenen Gelder aller Kundinnen und Kunden, die ihre Reise (Pauschalreisen oder auch Einzelleistungen) über eine Schweizer Reiseagentur gebucht haben, vollumfänglich geschützt – dank dem Pauschalreisegesetz sowie der Kundengeldabsicherung, welche für alle Mitglieder des Schweizer Reise-Verbandes obligatorisch ist. Ihr einbezahltes Geld abschreiben müssen nur jene Personen, die im Internet Einzelleistungen von FTI gebucht haben.»   Derzeit hätten die Reiseagenturen alle Hände voll zu tun, um die kurzfristigen FTI-Buchungen zu annullieren und entsprechende Alternativen zu offerieren und zu reservieren. «Alle Reisepakete von FTI bis und mit Abreise am 4. Juli 2024 können kostenlos annulliert werden. Für alle späteren Abreisen bieten die Reiseagenturen Alternativen an und übernehmen unbürokratisch die Vorkasse. Sie sorgen dafür, dass alle Reisewilligen sicher ihre Ferien antreten können», informiert der SRV-Präsident.

Da die insolvente FTI Touristik GmbH der Hauptlieferant für Pauschalreisen von FTI Schweiz ist, sind Beeinträchtigungen für Reisende zu erwarten. Jene Kundinnen und Kunden, die sich bereits mit FTI an einem Ferienziel befinden, müssen damit rechnen, dass gewisse Leistungen ihrer Pauschalreise vor Ort nochmals bezahlt werden müssen, beispielsweise das Hotel. Wurde die FTI-Reise über eine Schweizer Reiseagentur gebucht, so sollten die Reisenden unbedingt sämtliche Belege aufbewahren und sie nach Rückkehr der Reiseagentur übergeben – sie wird dafür sorgen, dass der Kunde eine Rückerstattung für sämtliche entstandenen Zusatzkosten erhält.

«Die Insolvenz der FTI Touristik GmbH ist äusserst bedauerlich und insbesondere für der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragisch», sagt SRV-Präsident Martin Wittwer und betont die Vorteile der Buchung über einen professionellen Reisevermittler: «Gerade in solch herausfordernden Zeiten sind die Mehrwerte einer Buchung über eine Reiseagentur offensichtlich – dies sind sich alle Reisenden bewusst, welche die verheerenden Waldbrände in Rhodos im letzten Sommer, und ähnliche Ereignisse selbst erlebt haben und ohne die Hilfe einer Reiseexpertin bzw. eines Reiseexperten dastanden. Von den ungezählten gestrandeten Touristen während der Pandemie ganz zu schweigen.»

Garantiefonds-Chef Marco Amos über Hoteliers empört

Dass vereinzelte, von der FTI-Pleite betroffene Hotelgäste vor Ort ihre Übernachtungen nochmals bezahlen müssen, darauf hat Garantiefonds-Chef Marco Amos in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» reagiert: «Was sich die Hotels erlauben, ist eine absolute Frechheit. Ein Hotel, das mit dem Reiseveranstalter eine nachträgliche Bezahlung der Leistungen vertraglich vereinbart, ist schlichtweg selber schuld und soll sich bei der Konkursmasse bedienen. Es kann nicht sein, dass man dieses Unvermögen nun auf die Gäste oder die Reisebüros abwälzen will.»

Gleichzeitig beruhigt Amos Schweizer Kundinnen und Kunden: «Sollte FTI Schweiz in Konkurs gehen, können sich betroffene Kunden bei uns auf der Webseite informieren und ihre Forderungen online eingeben. Es wird mit Sicherheit etwas Zeit brauchen, aber alle bekommen ihr Geld zurück.»

Certares-Verfahren nicht angemeldet

Der geplante Einstieg des US-Finanzinvestors Certares beim inzwischen insolventen Reisekonzern FTI ist dem Bundeskartellamt zufolge nicht bei der Behörde fusionskontrollrechtlich angemeldet worden. Das Bundeskartellamt dürfe nur Fusionen genehmigen, die bei der Behörde auch angemeldet wurden, teilten die Wettbewerbshüter mit. «Warum das Fusionsvorhaben nicht beim Bundeskartellamt angemeldet wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.» FTI hatte Mitte April mitgeteilt, ein Konsortium unter Führung von Certares habe eine Vereinbarung über die Übernahme der Gruppe und deren Finanzierung unterzeichnet und werde das Unternehmen künftig steuern.

Insolvenzverwalter Axel Bierbach sucht Lösungen

Aktuell sind um die 60'000 Feriengäste mit dem zahlungsunfähigen Reiseanbieter FTI unterwegs – und ihre Unterstützung hat nach Aussage des vorläufigen Insolvenzverwalters derzeit oberste Priorität. «Wir sind darum bemüht, dafür zu sorgen, dass die Reisenden ihren begonnenen Urlaub zu Ende führen und planmässig und sicher nach Hause zurückreisen können», sagte der Insolvenzexperte Axel Bierbach zu deutschen Medien. Dieser Prozess laufe bisher sehr strukturiert und weitestgehend geordnet ab. Ansprechpartner des Unternehmens seien für die FTI-Kunden bei möglichen Problemen vor Ort erreichbar.

Das sagt FTI Schweiz

Für die FTI Touristik AG sei kein Insolvenzverfahren eingeleitet, unterstreicht das Unternehmen. Zu bestehenden Reserverierungen für ein Abreisedatum zwischen dem 4. Juni und dem 4. Juli 2024 schreibt die FTI-Schweiz-Tochter: «Für die Pakete, die das Reisebüro aufrechterhalten möchte, wird die FTI Touristik AG ihr Bestes tun, um die gebuchten Leistungen sicherzustellen. Aufgrund des bevorstehenden Stopps der Aktivitäten der FTI Touristik GmbH sind jedoch erhebliche Beeinträchtigungen für Reisende zu erwarten, die FTI Touristik AG-Pakete über Ihr Reisebüro erworben haben. Wenn Sie dennoch Ihren Vorgang für eine Abreise zwischen dem 4. Juni und dem 31. Juli jetzt stornieren möchten, bieten wir Ihnen die Möglichkeit, dies kostenlos zu tun. Bitte senden Sie Ihre Stornierungsanfrage per E-Mail mit Ihrer Vorgangsnummer an: servicecenter@fti.ch».

Veranstalter springen in die Bresche

Um den sich in der Schwebe befindenden FTI-Kunden eine Alternative zu bieten, offerieren zahlreiche Reiseveranstalter flexible Angebote. Schliesslich wissen viele Gäste, die von der FTI-Insolvenz betroffen sind, noch nicht, ob ihre Sommerferien stattfinden können.

Bentour Reisen reagiert auf die aktuelle Situation und unterstützt seine Partner durch ein spezielles Angebot: Sollte eine Bentour-Buchung mit identischen Reisedaten wie eine abgesagte FTI-Buchung zum aktuellen Tagespreis teurer sein, wird Bentour sich bemühen, einen vergleichbaren Preis zu ermöglichen. Hierzu wird der Veranstalter direkt mit den Hotels in Kontakt treten, um entsprechende Preisnachlässe zu verhalten.

Im Rahmen der Insolvenz der FTI Touristik GmbH in Deutschland und im Interesse der betroffenen Kundinnen und Kunden hat Belpmoos Reisen entschieden, aus reiner Kulanz und ohne Anerkennung jeglicher Rechtspflicht alle Passagiere auf den Charterflügen von Belpmoos Reisen zu befördern, die ein bis Sonntag, 2. Juni 2024 bestätigtes Arrangement von FTI besitzen und folgende Flüge gebucht haben: Bern-Olbia am 7. und 9. Juni 2024 / Olbia-Bern am 7. und 9. Juni 2024 / Olbia-Bern am 14. und 16. Juni 2024, nur sofern sie in Kombination mit früheren Hinflügen ab Bern gebucht wurden. Diese Kulanzlösung gilt ausschliesslich für die Flugleistung, die die FTI Touristik GmbH bei Belpmoos Reisen als Einzelleistung gebucht hat.

Alle klassischen Pauschalreisen von Alltours mit Abreise bis zum 15. Juli 2024 können bis einschliesslich 15. Juni 2024 auf Option gebucht werden. Die Option kann bis vier Tage vor Abreise verlängert werden. Somit wird in diesem Zeitraum keine Anzahlung fällig und die Buchung kann problemlos storniert werden.

Für abgesagte Buchungen der FTI Group kann eine neue Buchung bei Coral Travel (COS) getätigt werden, ausgenommen dynamische Produkte über XCOS. «Dabei sind wir bestrebt, den ursprünglichen Reisepreis zu bestätigen», verspricht Coral Travel.

Um FTI-Gästen in der aktuellen Situation Planungssicherheit zu geben, bieten die Veranstalter Dertour und ITS für alle Neubuchungen vom 6. bis 17.06.2024 für die Reiseziele Ägypten, Griechenland, Kanaren, Mallorca, Türkei und Tunesien die Möglichkeit einer kostenfreien Stornierung bis drei Tage vor Reiseantritt an, falls die ursprünglich gebuchte FTI-Reise stattfinden sollte. Diese Regelung gilt für Pauschalreisebuchungen mit Abreisetermin bis 31.10.2024. Auf diese Weise müssen FTI-Gäste mit einer Neubuchung nicht warten, bis ihre ursprüngliche Reise storniert wurde.

TUI Suisse verfügt momentan bis zum 11. Juni über einen speziellen Aktionscode (SUN300) für alle Kunden, der für Neubuchungen im Reisezeitraum bis 22. Dezember 2024 gilt und mit dem bis zu 300CHF Rabatt bei Paketbuchungen möglich sind (150CHF Rabatt bei Nur-Hotel-Buchungen).

So viel soll Samih Sawiris verloren haben

Samih Sawiris gehören über seine Beteiligungsfirma SOSTNT 75,1 Prozent von FTI. Doch wie viel Geld verliert er nun mit der FTI-Pleite? Sicher ist, dass SOSTNT die FTI-Anteile schon 2020 um 127 Millionen Franken abschrieb, per Ende 2022 waren sie wert, schreibt die «NZZ». Auch Darlehen in der Höhe von rund 130 Millionen Franken, die Sawiris FTI gewährte, sind komplett abgeschrieben. Somit könnte Sawiris mit dem FTI-Aus rund 252 Millionen Franken verloren haben.

Wirtschaftliche Folgen beherrschbar, sagen Airlines

Die Ferienfluggesellschaften Eurowings und Condor halten die wirtschaftlichen Folgen der Insolvenz des Reiseveranstalters FTI für beherrschbar. Man warte derzeit auf Entscheidungen des Insolvenzverwalters, sagte ein Sprecher der Lufthansa-Tochter Eurowings. Zuletzt sollen die FTI-Kontingente bei beiden Gesellschaften kleiner geworden sein. Das Touristikunternehmen musste bei beiden Airlines dem Vernehmen nach die Tickets spätestens am Tag des Fluges bezahlen. «Wir gehen davon aus, dass die durch die Insolvenz von FTI entstehende Lücke auch kurzfristig vom Markt geschlossen wird», erklärte eine Condor-Sprecherin.

(TN)