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Kommentar Hüte dich vor dem schlechten Ruf
Gregor WaserMit dem Dauerregen kam die Pleite. Gleichzeitig mit den Pegeln der Donau und Isar stieg bei FTI Touristik in München in den letzten Tagen das Wasser hoch bis zum Hals – und darüber hinaus. Dass der Reisekonzern angeschlagen ist und ein grosses Finanzloch zu stopfen hatte, war bekannt. Doch mit der im April vorgestellten Investorenlösung aus den USA schienen die Münchner die Kurve noch zu kriegen. So weit kam es nicht, der erhoffte Schuldenerlass des Finanzministeriums blieb aus.
Jetzt hat der Insolvenzverwalter die Geschicke übernommen. Ob es noch eine Zukunft und einen Ausweg gibt, auch für die Schweizer Tochter FTI Touristik AG, ist mehr als fraglich. Kurz vor den Sommerferien schauen Tausende FTI-Gäste, die bald schon ihre Reise antreten wollten, in die Röhre. Immerhin dürfte sich der finanzielle Verlust in Grenzen halten, ausser bei Direktbuchern und gebuchten Einzelleistungen.
Die Sommerferien erneut zu buchen, nun bei einem anderen Veranstalter, geht aber ins Geld. FTI-Arrangements, bekannt für sehr tiefe Preise, sind kaum anderswo 1:1 buchbar. Gleichzeitig gilt es, auf die Rückerstattung von den Sicherungsfonds zu warten.
Unaufhaltsamer Vertrauensverlust
Nun beginnt das Augenreiben – aus Schweizer Sicht gibt es dabei ein Déja-vu. Wie schon bei der too-big-to-fail-Bank Credit Suisse hierzulande, begann bei FTI Touristik die nicht mehr zu stoppende Talfahrt mit einem Vertrauensverlust. Konnten andere Veranstalter in den ersten drei Monaten des Jahres fette Buchungen einstreichen, litt FTI darunter, über eine fragile Finanzierung und unsichere Zukunft zu verfügen.
Viele Reisebüros drosselten aus Sicherheitsüberlegungen die FTI-Buchungen und shifteten diese anderswo hin. Hoteliers und wohl auch Airlines erhöhten für FTI die Zahlungskonditionen. Erschwerend kommt hinzu: FTI punktete bei den Reisebüro-Agenten traditionell mit einem kulanten Zahlungsprozedere, die Gelder wurden relativ spät eingezogen. Fordern Hoteliers aber eine Vorauskasse und gleichzeitig ist aber von den Reisebüros das Geld noch nicht eingegangen, so steigt das finanzielle Risiko für den Reiseveranstalter rapide an.
Das verlorene Vertrauen mit einem vermeintlich bereitstehenden Investoren zurückzugewinnen, mag am 15. April nach einem Befreiungsschlag ausgesehen haben. Doch besiegelt war da noch nichts, und die Hoffnung auf ein wohlwollendes Finanzministerium, das die geforderten 595 Millionen Euro nur höchstens zur Hälfte zurückhaben wollte, zerschlug sich.
Die Rolle der Mitbewerber
Nach Lesart deutscher Medien schien das Finanzministerium gewillt, FTI zu helfen und die total 11'000 Jobs zu retten. Doch so lustig fanden die Mitbewerber einen Schuldennachlass verständlicherweise nicht. Sie selber mussten ihre Pandemie-Schulden zu vollen oder deutlich höheren Konditionen zurückzahlen und so intervenierten sie beim Bund – was läuft da hier? Wieso soll gerade dem Mitbewerber FTI – der ohnehin schon als ewiger Preistreiber missmutig betrachtet wurde – geholfen werden? Die Intervention der FTI-Mitbewerber schien das Finanzministerium zum Umdenken gedrängt zu haben, was nun zum Ende der FTI Group führen dürfte.
Leicht stossend mutet jetzt vor diesem Lichte betrachtet natürlich an, dass etliche Reiseveranstalter unter dem Label «Unterstützung für FTI-Kunden» sich mit Angeboten ins Zeug legen. Primär dürfte für diese «Hilfsangebote» nicht Selbstlosigkeit im Vordergrund stehen.
Dass die FTI-Konkurrenz in der aktuellen Situation ihre eigenen Buchungseingänge erhöhen möchte – das Sommergeschäft läuft nicht auf Niveau des Vorjahres – und nun ein wenig aufatmen dürfte, ist aber schon verständlich. Passenderweise sprang die Aktie von Europas Branchenleader TUI am Montag gleich um 7,3 Prozent an.
Die Learnings
Der Niedergang von FTI dürfte nun einige Learnings für die Reisebranche mit sich bringen. Das erarbeitete Vertrauen bei Partnern wie Reisebüros, Hotelketten und Airlines ist für Reiseveranstalter das höchste Gut, das es mit anhaltender Verlässlichkeit zu pflegen gilt. Verzögerte Zahlungen, nicht eingehaltene Zusagen sowie abgebrochene Reisen nagen am Vertrauen, schüren die Verunsicherung und können eine Abwärtsspirale auslösen.
Der Imageschaden bei Kunden dürfte aus Sicht der Reisebranche leider höher ausfallen, als erwartet. Bereits machen zahlreiche Artikel und Bilder in den internationalen Medien die Runde, wie FTI-Gäste verunsichert in der Hotellobby stehen oder für ihren Aufenthalt vor Ort nochmals zur Kasse gebeten werden. Die Bilder aus dem Jahr 2019 von Thomas-Cook-Kunden, die physisch am Verlassen des Hotelgeländes gehindert wurden, sind da noch präsent.
Der Appell von SRV-Präsident Martin Wittwer, dass die Reisebranche jetzt noch stärker aufzeigen soll, dass sie einen solchen Fall auch lösen könne und dass es eine Sicherheit für die Kunden ist, beim Reisebüro zu buchen, gilt es jedenfalls mit Nachdruck umzusetzen. Denn auch beim Endkunden löst ein Fall wie der von FTI neben Ärger, Wut und verpfuschtem Ferienglück vor allem eines aus: Vertrauensverlust.