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Immer mehr Schweizer Reisende wenden sich im Sommer von Strand und Meer ab und verlegen ihre Badeferien in den Hebst. Bild: Adobe Stock

Dieser Herbst-Boom wird zu einer Herkulesaufgabe

Reto Suter

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer verreisen im Herbst in die Badeferien – statt wie über Jahrzehnte üblich im Sommer. Diese Trendwende beschert der Reisebranche mehrere Probleme, die es zu lösen gilt, kommentiert Travelnews-Redaktor Reto Suter.

«Der Herbst ist der neue Sommer» – ein geflügeltes Wort hat die Schweizer Reisebranche erobert. Völlig wertfrei beschreibt es eine Entwicklung, die seit einigen Jahren in der Tourismuswelt Einzug hält: Immer mehr Sonnenhungrige verlegen ihre Badeferien vom Juli in den Oktober – angeheizt durch den Klimawandel und neue Reisegewohnheiten, die Corona mit sich gebracht hat.

Vielen Schweizerinnen und Schweizern ist es am Mittelmeer in den Sommermonaten inzwischen zu heiss. Sie ziehen es vor, Juli und August im eigenen Land zu verbringen oder an ein Ferienziel zu reisen, das eher kühlere Temperaturen verspricht.

Wer sich in der Branche umhört, stellt schnell fest: Der Trend ist unaufhaltsam. Was den Umsatz betrifft, dürfte der Herbst dem Sommer schon sehr bald den Rang ablaufen. Das belegt auch die Buchungssituation in diesem Jahr: Zurückhaltung hinsichtlich des Sommers, hohe Nachfrage für den Herbst.

Das alles mag für die Schweizer Reisebranche auf den ersten Blick wenig beunruhigend klingen. Hauptsache der Jahresumsatz stimmt! Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich allerdings einige Schwierigkeiten, die sich nicht einfach im Handumdrehen lösen lassen.

Mehr Reisende, weniger Destinationen

Im Sommer erstreckt sich die Hochsaison der Schweizer Reisebranche auf rund sieben Wochen. Sie beginnt Anfang Juli, wenn in den meisten der bevölkerungsreichsten Kantone wie etwa Bern, Aargau und St. Gallen die Schulferien starten. Schluss ist spätestens Mitte August, mit dem Ende der Sommerferien in Zürich, Waadt und Genf.

Ganz anders im Herbst: Dort konzentriert sich die Ferienzeit auf lediglich drei Wochen, zwischen Ende September und Mitte Oktober – mit unangenehmen Folgen für die Reisenden. Das Gedränge ist im Herbst inzwischen grösser als im Sommer. Das belegen die Zahlen des Zürcher Flughafens aus dem vergangenen Jahr: Mit 110’148 Passagieren erzielte er am Sonntag, 8. Oktober, einen neuen Tagesrekord seit Ausbruch der Corona-Pandemie.

Für die Reisebranche bedeutet das: Sie muss für eine sehr begrenzte Zeitspanne hohe Flugkapazitäten garantieren können. Dass der Oktober in anderen Reisemärkten ebenfalls immer wichtiger wird und die Nachfrage auch dort markant steigt, erschwert diese Aufgabe zusätzlich und dürfte das Fliegen im Herbst weiter verteuern.

Ein zweites grosses Problem ist die Auswahl an passenden Reisezielen. Sie ist deutlich kleiner als im Sommer. Einige Destinationen in Italien und Spanien fallen aufgrund der tieferen Temperaturen komplett weg. Griechenland und die Baleareninseln sind für viele Reisende ebenfalls keine Option im Oktober – zu gross das Risiko, an regnerischen Tagen leicht fröstelnd in einem Strassencafé zu sitzen.

Vorbehalte gibt es auch andernorts. Ägypten leidet touristisch nach wie vor unter der angespannten geopolitischen Lage. Die Kanarischen Inseln sind für etliche Sonnenhungrige schlicht zu teuer geworden.

Und dann bleiben irgendwann gar nicht mehr so viele beliebte Badeorte übrig – sofern der Flug nicht länger als vier Stunden dauern soll. Eine gute Wahl im Oktober sind sicherlich noch Zypern, Malta, die Türkei sowie der Süden Spaniens und Portugals.

Die höhere Nachfrage und das begrenzte Angebot (noch grössere Hotelbauten dürften hinsichtlich der Nachhaltigkeit keine Option sein) werden die Preise in die Höhe treiben. Hier ist die Reisebranche gefragt: Sie muss dem Wandel mit neuen Rezepten begegnen. Sonst enden die vermeintlich verlockenden Herbstferien für viele Reisende schon beim Buchen in Frust und Ärger.