On The Move

«Bei uns im Haus ist nicht alles mit Swiss-Plakaten volltapeziert»
Reto SuterFinanzchef Markus Binkert ist der dienstälteste Mitarbeiter im Management der Swiss. Fast 19 Jahre blieb er der Schweizer Airline treu. Jetzt ist Schluss. Binkert zieht weiter in die Gastro-Branche, wo er bei der SV Group den CEO-Posten übernimmt. Heute Freitag ist sein letzter Arbeitstag bei der Swiss. Den Abschieds-Apéro konnte er gemeinsam mit CEO Dieter Vranckx organisieren, der per 1. Juli 2024 in den Vorstand der Lufthansa Group aufsteigt.
Herr Binkert, Sie verlassen die Swiss nach beinahe 19 Jahren und wechseln als CEO zur SV Group in die Gastronomie. Warum?
Markus Binkert: Ich habe über all die Jahre immer mal wieder Jobangebote erhalten. Und obwohl ich bei der Swiss immer und bis zuletzt sehr glücklich war, hat es diesmal einfach gepasst. Die Firmenkultur ist für mich sehr wichtig. Da hatte ich auch bei der SV Group ab dem ersten Gespräch ein ausgezeichnetes Gefühl. Zudem finde ich die Gastronomie ein sehr interessantes Geschäftsfeld, das viele Parallelen zur Airline-Industrie aufweist. Das alles in Kombination mit einem äusserst spannenden Jobprofil in der CEO-Rolle hat mich dazu bewogen, jetzt diesen Schritt zu machen.
Blicken wir zurück: Sie stiegen im August 2005 bei der Swiss ein, kurz nach der Übernahme durch die Lufthansa. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Anfänge?
Meine Situation war etwas speziell. Ich kannte die Swiss schon, bevor ich bei ihr angestellt war – als Unternehmensberater bei Bain & Company hatte ich über ein Jahr lang ein Restrukturierungsprogramm bei der Swiss begleitet. Die Airline war damals nah an einem zweiten Grounding. Wir waren damit beauftragt, die Swiss neu aufzustellen, um sie auf den Erfolgsweg zu bringen. Ich wusste also, worauf ich mich einliess. Der damals dafür zuständige Projektleiter bei der Swiss war übrigens unser heutige CEO Dieter Vranckx (schmunzelt).
Hätten Sie sich damals vorstellen können, dass Sie 19 Jahre im Unternehmen bleiben?
Absolut nicht. Im Gegenteil: Es hätte auch ein sehr kurzes Abenteuer werden können. Die Swiss hatte das Tal der Tränen zwar verlassen, dennoch war die Situation noch von Unsicherheiten geprägt. Vom heutigen Stolz auf unsere Airline war da noch keine Spur. Der damalige CEO Christoph Franz fragte mich an, weil er bewusst Leute ins Management holen wollte, die keinen Swissair-, Crossair- oder Lufthansa-Background hatten. Ich empfand diese Aufgabe als sehr spannend und sagte mit grosser Vorfreude zu.
Hatten Sie den Airline-Virus schon vorher in sich drin, oder entwickelte er sich erst im Lauf ihrer Tätigkeit bei der Swiss?
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich als Kind zum Beispiel Pilot werden wollte. Es gab in meiner Familie auch sonst niemanden, der in der Airline-Branche tätig war. Von daher hatte ich erst Kerosin im Blut, als ich für die Swiss arbeitete (lacht).
«Es hat immer noch etwas Märchenhaftes, wenn ein Flugzeug abhebt»
Was macht das Airline-Business spannend?
Es ist ein Mix aus verschiedenen Faktoren. Was für mich persönlich immer sehr wichtig war: Ich sehe die Airline-Industrie als extrem vielseitiges Business, in dem ich über all die Jahre immer mit grosser Freude gearbeitet habe. Die Fliegerei ist etwas sehr Emotionales. Sie führt Menschen aus aller Welt zusammen. Zudem hat es bis heute etwas Märchenhaftes, wenn ein Flugzeug abhebt – auch wenn physikalisch alles erklärbar ist. Das spürt man bei allen Menschen, die in der Airline-Industrie arbeiten. Sie sind tagtäglich mit Herzblut bei der Sache. Das ist sicherlich nicht überall so und hat einen entscheidenden Einfluss auf die DNA einer Fluggesellschaft. Hinzu kommt, dass der Markt und das Umfeld sehr komplex sind. Mit vielen Monopolisten und Playern, die vom Staat finanziert und gesteuert werden. Das macht es als Manager herausfordernd und sehr interessant zugleich. Umso mehr, wenn man wie ich die Möglichkeit hatte, mehrere völlig unterschiedliche Positionen innezuhaben – sowohl bei der Swiss als auch innerhalb der Lufthansa Group.

Welches waren in Ihrer Zeit die grössten Höhen und Tiefen der Swiss?
Auf Ebene des Managements sind Höhen und Tiefen häufig eng miteinander verbunden. In den grössten Krisen ist man mit den grösstmöglichen Herausforderungen konfrontiert. Wenn man diese erfolgreich gemeistert hat, hinterlässt das einen bleibenden Eindruck – ganz am Ende sogar oft einen sehr positiven. Solche gemeinsamen Erlebnisse schweissen auch das Team zusammen.
Haben Sie Beispiele?
Ganz zu Beginn war es sicherlich sehr prägend, als wir die Kulturen von Swiss und Lufthansa zusammengeführt haben. Ganz entscheidend für den weiteren Weg unserer Airline war, wie wir die Finanzkrise 2008 gemeistert haben. Das hat der Swiss den Weg für eine erfolgreiche Zukunft geebnet. Später war ich mit dabei, als einerseits das Erscheinungsbild unserer Lounges und andererseits dasjenige der First und Business Class modernisiert wurde. Und dann durfte ich als Marketingverantwortlicher auch den neuen Markenauftritt der Swiss und unser heutiges Logo einführen. Mein letzter grosser Schritt war dann die Beförderung zum CFO. Ich übernahm die Rolle ausgerechnet am ersten Tag des Schweizer Lockdowns im März 2020. Die Corona-Pandemie war für mich die prägendste Zeit bei der Swiss.
Sie sprechen die vielen verschiedenen Positionen an, in denen Sie tätig waren. Der CEO-Posten ist nicht darunter. Weshalb?
Das war vielleicht ein Thema, bevor Dieter Vranckx CEO der Swiss wurde. Ich hätte mir die Aufgabe damals vorstellen können. Es ist dann aber anders gekommen, und die Zusammenarbeit mit Dieter in den letzten Jahren war ausgezeichnet und hat bestens gepasst. Bei der aktuellen Vakanz war eine Kandidatur aber schlicht kein Thema. Ich hatte meine berufliche Zukunft schon geregelt, bevor sein Abgang bekannt wurde und freue mich riesig auf die neue Aufgabe.
«Die Swiss weckt allenthalben Emotionen, ähnlich wie zum Beispiel die Fussball-Nationalmannschaft»
Was sehen Sie als Ihre grösste Hinterlassenschaft nach 19 Jahren bei der Swiss?
Ich habe in all meinen Positionen stets versucht, das Maximum herauszuholen. Am wichtigsten waren mir rückblickend nicht nur einzelne Erfolge oder Meilensteine, sondern auch dass ich die Kultur des Unternehmens mitprägen durfte: Wie geht man miteinander um? Wie trifft man Entscheidungen? Ich hoffe, dass ich hierzu etwas hinterlassen konnte. Die Swiss weckt allenthalben Emotionen, ähnlich wie zum Beispiel die Fussball-Nationalmannschaft. Deshalb kann sie sich auch nicht nur an Finanzkennzahlen messen lassen. Das Gesamtbild muss stimmen.
Gibt es Dinge, die Sie als Andenken mit nach Hause genommen haben?
Neben vielen schönen Erfahrungen, die ich in fast zwei Jahrzehnten machen durfte, habe ich auch hie und da mal ein Souvenir erhalten. Es ist aber nicht so, dass bei uns im Haus alles mit Swiss-Plakaten volltapeziert ist (lacht). Ich habe einen Swiss-Trolley und ein Modell eines Swiss-Flugzeugs zu Hause. Das reicht vollends. Viel wichtiger sind die tollen Erinnerungen, die ich mitnehmen darf.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie am letzten Arbeitstag zur Türe heraus?
Selbstverständlich mit etwas Wehmut, aber gleichzeitig mit sehr viel Stolz, Zufriedenheit und Vorfreude auf das, was kommt. Heute Freitagabend wird man einen äusserst entspannten Markus Binkert sehen. Für mich ist es ein grosses Geschenk, dass ich die Swiss nach so langer Zeit zufrieden und glücklich verlassen darf. Das habe ich mir immer so gewünscht.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Dass ich nicht mehr so leicht die Welt bereisen kann, wird mir am meisten fehlen (lacht herzhaft). Spass beiseite: Natürlich gibt es zahlreiche tolle Menschen, mit denen ich kürzer oder länger zusammengearbeitet habe, und die ich vermisse werde. Ich weiss aber schon jetzt, dass ich auch bei der SV Group wieder vielen einzigartigen Menschen begegnen werde – was mir den Abgang bei der Swiss zweifellos erleichtert.
Sie beginnen bei der SV Group im Herbst. Was machen Sie in der Zwischenzeit?
Es ist eine Mischung aus verschiedenen Dingen. Ich werde ein bisschen reisen. Aber vor allem werde ich ein paar kleinere Projekte angehen, für die ich in den vergangenen Jahren schlicht keine Zeit hatte. Darauf freue ich mich sehr.