On The Move

Martin Nydegger, der Direktor von Schweiz Tourismus, stellt die neue Markenwelt vor. Bild: TN

«Wir werden die Tourismusmarke deines Vertrauens»

Gregor Waser

Nach bald 30 Jahren beendet Schweiz Tourismus die Ära der Goldblume. Doch was bezweckt Schweiz Tourismus mit dem neuen Logo und Auftritt? ST-Direktor Martin Nydegger verrät im Interview die Überlegungen und künftigen Spielarten.

Herr Nydegger, welche Überlegungen haben zur neuen Markenwelt geführt?

Martin Nydegger: Die Anforderungen an eine Marke ist heute total anders als vor 30 Jahren. Wir kreieren kein neues Logo, sondern eine gesamte Markenwelt, lautete unsere Devise. Dazu verwenden wir eine eigene Schrift, die nennt sich ST Allegra und einen eigenen Farbklang, abgeleitet aus dem Alpenglühen. Wir haben einen Effizienz- und Aufmerksamkeitsgewinn in der Online-Welt angestrebt. Es gibt uns in Zukunft nur in einer Sprache, nur in einer Variante, aber die Vielfalt wird deutlich grösser dank dem Farbklang, den Spielereien und allen möglichen Anwendungen, vor allem auch digital.

Funktioniert das englischsprachige «Switzerland» in Deutschland oder Brasilien?

Wir haben von Anfang an das Prinzip «One Brand – one Name» angestrebt. Wir haben darum abgefragt, ob wir uns das leisten können, und zwar in Deutschland, Frankreich und China, in drei Ländern, wo die lokale Sprache eine grosse Rolle spielt. Wir sind überzeugt davon, dass es so funktioniert. Weltmarken haben nur einen Namen und die touristische Schweiz ist eine Weltmarke, deswegen benötigen wir einen starken Namen.

Und in der Schweiz?

Unser Fokus liegt auf den Auslandsmärkten. Aber auch hierzulande – mit Swisscom, Skyguide, Swiss International Airlines – sind die Zeiten vorbei, wo man zu hören bekommen, ihr ignoriert unsere Sprache. Zudem machen wir das ja nicht. Wenn wir nun etwa mit der Coopzeitung im Tessin etwas machen, stehen Sloglan, Claims und Texte in Italienisch, bloss die Marke selber nicht.

Welche Spielarten eröffnet die neue Markenwelt?

Die Möglichkeiten sind unglaublich vielfältig. Wir haben mit den Werbemitteln und der Webseite angefangen. Doch wir haben schnell gemerkt, dass es viel weiter geht. Wir lancieren am Ferientag zum Beispiel als erste NTO eine Apple Vision Pro App, die ein Virtual Reality Erlebnis ermöglicht, das jetzt voll mit unserer neuen Markenwelt spielt. Der Farbklang eröffnet Alternativen. Bisher mussten wir die Goldblume irgendwo platzieren. Jetzt können wir wählen: wollen wir «Switzerland» betonen oder wollen wir dezenter fahren und den Farbklang nach vorne stellen. Auch im Bewegtbild und vor allem im digitalen Auftritt haben wir viel mehr Möglichkeiten, selbst bei den Plakaten, die heute sehr oft auch digital sind. Diese Optionen können wir jetzt ausnutzen.

Und diese fünf Rottöne – für was stehen die?

Für das Alpenglühen. Die Farbabstufung tragen wir aus den Bergen hinein in unsere Markenwelt. Die Marke ist peppig, modern, aber die Wurzeln kommen aus unserer Bergwelt.

Wie erfolgt die Umsetzung konkret – vom Briefbogen bis zum digitalen Auftritt weltweit?

Dadurch, dass wir heute schon sehr digital sind und Print an Bedeutung verloren hat, ist der Prozess viel schneller. Ab heute Montag ist schon vieles umgesetzt, etwa die Webseite. Bis Ende Jahr dürfte die Umsetzung abgeschlossen sein. Wir sind ja nicht Sunrise und müssen in einer Nacht- und Nebel-Aktion tausende Geschäftsstellen neu beschriften.

«In einer Welt, in der jeder Blogger, Influencer und Dahergelaufene irgendwas über die Schweiz hinausposaunen kann, braucht es einen Vertrauensanker.»

Auf welche Versprechen setzt Schweiz Tourismus künftig verstärkt?

Die neue Markenwelt ist ein Kosmos, wir haben sie für die Zukunft gebaut. Wir werden grooviger, lebendiger und können spannender, fröhlicher kommunzieren. Das heisst nicht, dass wir uns von der traditionellen Schweiz abwenden. Aber wir spüren, wie die Märkte funktionieren, nun sind wir moderner, frischer und dynamischer. Zudem ist uns das Vertrauen sehr wichtig. Das Schweizer Kreuz ist klar erkennbar, das Wort «Switzerland» ist unverkennbar. In einer Welt, in der jeder Blogger, Influencer und Dahergelaufene irgendwas über die Schweiz hinausposaunen kann, braucht es einen Vertrauensanker. Alle hatten die Goldblume sehr gerne, ich inklusive, sie war ein Love-Brand. Aber jetzt wandeln wir uns von einem Love-Brand zu einem Trust-Brand. Wir werden die Tourismusmarke deines Vertrauens.

War das alles mit der Goldblume nicht mehr möglich?

Die Goldblume war statisch, sie bewegte sich nicht. Unsere Marke ist jetzt immersiv, sehr dynamisch. Die Goldblume ist in ihrem Lebenszyklus ans Ende gekommen.

Was sagen Sie Partnern wie GlacierExpress, Fribourg oder Gstaad, die die Goldblume verwenden?

GlacierExpress kann die Goldblume weiterhin behalten, sie ist rechtlich geschützt noch auf Jahre hinaus. Die Partner sind nicht unter Druck. Gstaad und Fribourg haben die Goldblume bereits abgelöst. Sie fanden selber, die Blume passe nicht mehr, was auch für uns ein Nachweis ist, dass sie langsam aus der Zeit gefallen ist.

Mit welchen Reaktionen rechnen Sie?

Ich sehe es bisher bei uns intern, der neue Auftritt spricht die Jüngeren an, sie sind unbefangener, wir holen sie mit dieser Welt ab. Ich bin vom Erfolg der neuen Markenwelt überzeugt, es ist kein Schnellschuss. Wir haben einen langen Prozess zusammen mit unserer Agentur durchgemacht, uns intensiv auseinandergesetzt. Wir werden aber sicherlich Reaktionen von jemandem haben, der sagt, mir gefällt das nicht. Es wird sicher auch heissen, es könne nicht sein, dass eine Organisation, die vom Bund mitfinanziert ist, eine Marke auf Englisch präsentiert. Und es wird wohl Stimmen geben, die sagen, es sei das Dümmste, eine bekannte Marke abzuschaffen. Aber, seien wir ehrlich: Die Goldblume war vor allem in den Herzen von uns Touristikern tief drin, die Gäste aus aller Welt sind ihr weniger verbunden.