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Venedig lässt keinen grossen Kreuzfahrtschiffe mehr in die Innenstadt fahren. Bild: Adobe Stock

Das sollen die neuen Trend-Reiseziele auf Kreuzfahrten werden

Reto Suter

Durch Verbote und Einschränkungen verschwinden Touristen-Hotspots wie Venedig, Palma und Amsterdam zunehmend aus den Fahrplänen der Reedereien. Travelnews hat bei Schweizer Kreuzfahrt-Experten nachgefragt, welches die spannendsten Alternativen sind.

Die Zeit, in der Kreuzfahrt-Passagiere gern gesehene Gäste waren, ist in Europa vielerorts vorbei. In den Touristen-Hochburgen regt sich zunehmend Widerstand gegen Reisende, die kurz Halt machen und in Scharen durch die Stadt ziehen – aber kaum Geld liegen lassen. Für viele Menschen sind Kreuzfahrten der Inbegriff von Overtourism.

Immer mehr Hotspots verbannen deshalb grosse Schiffe aus der Innenstadt oder setzen eine täglich erlaubte Höchstzahl von Passagieren fest. So etwa Venedig, Amsterdam, Palma de Mallorca und Dubrovnik. Als Folge davon müssen die Reedereien an andere Häfen ausweichen.

Kürzlich gab die Kreuzfahrtgesellschaft Norwegian Cruise Line bekannt, dass sie Venedig für 2024 und 2025 aus ihren Routen gestrichen habe. Sie hatte ihre Passagiere zuletzt mit Tenderbooten in die Stadt gebracht. Nach Ansicht von Norwegian Cruise Line entspricht dieser Kompromiss aber nicht dem Standard, den es seinen Gästen bieten möchte.

Andere Reedereien sind schon früher umgeschwenkt. MSC Cruises beispielsweise legt in Marghera an, das direkt gegenüber von Venedig liegt. Princess Cruises und Holland America Line stoppen in Triest, an der Grenze zu Slowenien. Royal Caribbean und Celebrity Cruises halten beide in Ravenna, etwa zweieinhalb Stunden von Venedig entfernt. Diese Möglichkeit zieht auch Norwegian Cruise Line in Betracht, wie «Euronews» schreibt.

Anforderungen an Alternativen sind hoch

«Die Lenkung von Touristenströmen durch die Destinationen ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz», sagt Cornelia Gemperle, General Manager von Kuoni Cruises, zu Travelnews. Diese Entwicklung führe zur Anpassung von Fahrplänen.

«Das kann zur Folge haben, dass die Kreuzfahrten nicht mehr einfach immer nur am Samstag oder Sonntag starten, weil so gefördert wird, dass sich dann alle wieder am gleichen Tag im gleichen Hafen treffen», erklärt die Kreuzfahrt-Expertin. Laut Gemperle gibt es Reedereien, die dies bereits vor Jahren erkannt haben und deshalb unter der Woche starten, um die Touristenströme zu lenken.

Handelt es sich bei den Destinationen, die gar nicht mehr oder nur noch beschränkt angefahren werden dürfen, um Start- und Endhäfen wie bei Amsterdam und Venedig häufig der Fall, ist es für die Kreuzfahrtgesellschaften besonders schwierig, eine passende Alternative zu finden. Denn die Ersatzhäfen sind aufgrund der hohen Anforderungen rar gesät.

Die Kathedrale von Ravenna. Bild: Adobe Stock

«Zahlreiche Häfen, die nun als Alternativen fungieren, verfügen noch nicht über die Infrastruktur, die grosse Kreuzfahrtschiffe für die Abwicklung von Gästen benötigen», sagt Dario Cremona, Product Manager bei Knecht Schiffreisen, auf Anfrage. Als Beispiel nennt er Ravenna. «Dort haben wir im Vergleich zu Venedig eine eher schlecht Anbindung.»

Der Transfer von den Flughäfen Bologna oder Venedig dauert zwischen einer und zwei Stunden. «Bustransfers zwischen der Schweiz und Ravenna bieten die dort operierenden Reedereien noch nicht an», so Cremona. «Wenn sich die Anbindung nicht verbessert, wird es für die Reedereien schwierig, sich mit diesen Routen im Schweizer Markt zu etablieren.»

Noemi Noser, Geschäftsführerin von Delphi Reisen in Richterswil und Kreuzfahrt-Expertin, bringt zwei weitere Häfen für Ein- und Ausschiffungen ins Spiel – als Alternative zu Venedig. «Der Hafen von Maghera, den beispielsweise MSC benutzt, liegt nur rund zehn Kilometer von Venedig entfernt», sagt sie. Triest sei als Alternative sehr attraktiv, habe aber nur eine begrenzte Anzahl von Liegeplätzen.

Bei Triest gerät – trotz der Hürden punkto Infrastruktur – auch Dario Cremona von Knecht Schiffsreisen ins Schwärmen. «Bei einer Buchung ab Triest empfehlen wir ein bis zwei Tage vorher anzureisen, um diese wunderbare Stadt zu entdecken.» Im Fall von Ravenna lohne sich ein Abstecher nach Bologna.

Rotterdam und Split sind hoch im Kurs

Cornelia Gemperle, Geschäftsführerin bei Kuoni Cruises, sieht in mehreren Ersatzstandorten grosses Potenzial, beispielsweise in Rotterdam als Alternative zu Amsterdam. Die Anreise vom Flughafen sei relativ kurz, sagt sie. «Zudem ist die Stadt topmodern und hat in Sachen Kunst und Architektur sehr viel zu bieten.»

Schon durchgesetzt habe sich Kiel in Norddeutschland. Die Stadt ist per Bus bequem in zwei Stunden ab Hamburg erreichbar», so Gemperle. Bremerhaven sei für Schweizerinnen und Schweizer dagegen oftmals keine Option – aufgrund der schlechten Anbindung.

In Kroatien rät Gemperle davon ab, sich ausschliesslich auf Dubrovnik zu fokussieren. «Jede Stadt entlang der Küste hat ein romantisches Flair und bietet meist auch eine alte venezianische Stadt umgeben von Stadtmauern», sagt sie und nennt als Beispiele Zadar, Split und Korcula. Split sei auch als Start- und Endhafen interessant, weil es über gute Fluganbindungen verfüge.

Eine interessante Destination für Kreuzfahrten – mit viel Potenzial: die kroatische Hafenstadt Split. Bild: Adobe Stock

Auch in Griechenland und Spanien suchen die Reedereien nach Alternativen. «Je grösser ein Schiff, desto wichtiger ist natürlich die Infrastruktur vor Ort», gibt Cornelia Gemperle von Kuoni Cruises zu bedenken. Die eine oder andere Destination sei an diesem Geschäftsmodell interessiert und bereite sich entsprechend darauf vor. «Das ist auf dem Festland natürlich einfacher umzusetzen, als etwa auf einer griechischen Insel.»

Fehlen von Hotspots soll kein Bremsklotz sein

Der Wegfall von beliebten Reisezielen wie Venedig und Amsterdam könnte potenzielle Passagiere vergraulen und dazu führen, dass sich Reisende vermehrt von Kreuzfahrten abwenden und die Städte-Trips auf eigene Faust buchen. Davon will die Branche allerdings nichts wissen.

«Damit ist nicht zu rechnen», sagt Noemi Noser, Geschäftsführerin von Delphi Reisen. Venedig und Amsterdam blieben auch mit den Ersatzstandorten Marghera und Rotterdam gut erreichbar für Kreuzfahrt-Gäste.

«Nur wegen den genannten Städten buchen Kundinnen und Kunden keine Kreuzfahrt», findet Dario Cremona von Knecht Schiffreisen. Es sei die gesamte Reise, die im Vordergrund stehe. «Dazu zählt das Erlebnis, auf dem Meer unterwegs zu sein, das Angebot des Schiffes zu nutzen und die Möglichkeit, innert relativ kurzer Zeit, viele verschiedene Orte zu entdecken.»

Dem pflichtet Cornelia Gemperle von Kuoni Cruises bei. «Die Gäste organisieren sich neu», sagt sie. «Im Fall von Venedig heisst das: Wenn ich in Triest ein- und ausschiffe und noch nie in Venedig war, dann hänge ich eben vor oder nach der Kreuzfahrt noch ein paar Tage in der Stadt an.»

Gemperle unterstützt die Bemühungen der Reedereien, sich ständig neu zu orientieren und nach Alternativen Ausschau zu halten. Das sei auch im Sinn von Kuoni Cruises. «Kreuzfahrt-Stammgäste wollen immer wieder neue Häfen anlaufen, Neues entdecken.» Also sei es auch für die Reedereien wichtig, sich für neue Fahrpläne stark zu machen. «Sonst können sie Stammkundinnen und Stammkunden irgendwann nicht mehr zufrieden stellen», so die Expertin.