On The Move
«Er ist impulsiver und haut auch mal auf den Tisch»
Reto Suter«Klein, aber fein»: Wenn es die Redewendung noch nicht gäbe, müsste man sie für Rolf Meier Reisen erfinden. Der Inselspezialist ist seit über 50 Jahren erfolgreich im Schweizer Reisemarkt unterwegs – seit sechs Jahren mit Christian Sigg und Walter Fink an der Spitze. Zum Portfolio von Rolf Meier Reisen gehören Irland, Nordirland, England, Wales, die Kanalinseln, Malta und Zypern. Travelnews hat Christian Sigg und Walter Fink in Neuhausen am Rheinfall besucht.
Ihr leitet Rolf Meier Reisen seit 2018 im Rahmen einer Co-Geschäftsführung gemeinsam. Wie gut funktioniert dieses Modell, das in der Schweizer Firmenlandschaft immer noch eher untypisch ist?
Christian Sigg: Überraschend gut (lacht). Wir sind zwar grundverschieden, harmonieren aber ausgezeichnet. Dafür war nicht zuletzt die Corona-Zeit ein guter Beweis. Sie war eine Bewährungsprobe für uns, in der wir ausgezeichnet funktionierten. Es ging darum, unangenehme Entscheidungen zu fällen und schnell auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Das haben wir geschafft.
Walter Fink: Die grössten Diskussionen haben wir, wenn es um eine Satzstellung oder um die Bilder in unseren Katalogen geht (schmunzelt). Bei weitreichenden Entscheidungen sind wir uns dagegen meist schnell einig. Wir haben gerne kurze Wege. Das zeichnet ein kleines Unternehmen, wie wir es sind, auch aus.
Christian, inwiefern unterscheidet sich Walter von dir?
Christian Sigg: Äusserlich oder punkto Persönlichkeit? Wir sind quasi die Neuverfilmung von «Dick und Doof» (lacht herzhaft). Nein, im Ernst: Walter ist sicherlich impulsiver als ich und haut zwischendurch auch mal auf den Tisch, wenn etwas nicht wie gewünscht läuft. Zudem ist er innovativer. Ich stehe Änderungen eher skeptisch gegenüber. Auch punkto Nachhaltigkeit ist er beispielsweise fortschrittlicher als ich. Als es darum ging, neue Tragtaschen zu besorgen, machte ich mich für Plastiksäcke stark, weil sie mir immer gut gefielen und ich deshalb nicht von ihnen abrücken wollte. Am Ende einigten wir uns auf Stofftaschen, weil bei ihm der Umweltgedanke stärker mitschwang als bei mir.
Und umgekehrt, Walter?
Walter Fink: Was ich an Christian sehr schätze: Er ist ein ausgesprochen akribischer Arbeiter. Und das meine ich explizit positiv. Ich bin nicht besonders detailversessen. Deshalb ergänzen wir uns hier sehr gut. Eine weitere Stärke von ihm sind seine GDS-Kenntnisse. Beim Reservierungssystem kennt er sich so gut aus wie sonst wohl kaum jemand.
«Im Tour Operating liegen wir neun Prozent über Vorjahr»
Ihr habt 2018 die Aktienmehrheit von Rolf Meier Reisen übernommen. Wie ist es soweit gekommen?
Christian Sigg: Aus meiner Sicht war es eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Der Vorbesitzer, Thomas Bolliger, konnte uns beide an das Unternehmen binden, und wir hatten die Aussicht, die Firma zu übernehmen. Das alles passierte nicht von einem Tag auf den anderen, sondern war ein langer Prozess. Von der ersten Beteiligung unsererseits bis zur Übernahme dauerte es elf Jahre.
Walter Fink: Thomas Bolliger wusste, er hatte mit uns zwei Nachfolger gefunden, die das Unternehmen in seinem Sinn weiterführen, und wir wussten, wir hatten eine gemeinsame geschäftliche Zukunft vor uns. Die Konstellation hat von Anfang an perfekt gepasst. Mir war klar, ich musste mich nicht um den Retail-Bereich kümmern, der mich nicht interessiert. Christian hatte gleichzeitig die Gewissheit, dass er mit dem Tour Operating nichts zu tun haben wird.
Rolf Meier Reisen feierte im vergangenen Jahr sein 50-Jahr-Jubiläum, begleitet von mehreren Veranstaltungen und verstärkten Marketing-Aktivitäten. Hat sich das positiv auf euer Geschäft ausgewirkt?
Christian Sigg: Wenn ich ganz ehrlich bin: nein (lacht). Aber wir haben das auch nicht erwartet. Mit unseren Aktivitäten verfolgten wir zwei Ziele: Einerseits ging es darum, unseren Kundinnen und Kunden Danke zu sagen. Andererseits wollten wir der breiten Bevölkerung zeigen, dass Rolf Meier Reisen schon ein halbes Jahrhundert existiert. Vielleicht hat der eine oder andere Lust darauf bekommen, mit uns in die Ferien zu verreisen. Zahlenmässig gibt es aber keinen Beleg dafür.
Walter Fink: Einen Nutzen hat es womöglich im B2B-Bereich. Mit unserer Werbeoffensive und unserer Medienpräsenz konnten wir uns vielleicht da und dort wieder in Erinnerung rufen.
Ein Viertel des Jahres 2024 ist bereits vorbei. Wie läuft das Geschäft?
Christian Sigg: Sehr gut. Im Retail-Bereich sind wir praktisch gleichauf mit dem vergangenen Jahr, das sehr erfolgreich war.
Walter Fink: Im Tour Operating liegen wir neun Prozent über Vorjahr. Unsere Destinationen werden meist eher früh im Jahr gebucht. Deshalb können wir in der Regel schon Ende April ziemlich gut abschätzen, wie das Jahr für uns läuft. Die aktuellen Zahlen stimmen uns sehr zuversichtlich.
Was ist dieses Jahr besonders gefragt?
Walter Fink: Im Tour Operating schwingt Irland oben aus. England und die Kanalinseln verkaufen wir ebenfalls sehr gut. Generell lässt sich sagen: Unsere nördlichen Destinationen laufen im Tour Operating am besten. Das sind natürlich auch die Reiseziele, die wir am stärksten pushen und die weniger austauschbar sind.
Christian Sigg: Sehr erfreulich ist das grosse Interesse an Reisen nach England und Wales – Destinationen, die während Corona neu hinzugekommen sind. Es war rückblickend der absolut richtige Entscheid, unser Portfolio entsprechend zu erweitern.
Weshalb hattet ihr England und Wales vorher noch nicht im Angebot?
Christian Sigg: Eine neue Destination ins Portfolio aufzunehmen, bedeutet zuerst einmal viel Aufwand. Wir benötigen rund ein Jahr Vorlaufzeit, um ein solches Angebot aufzugleisen. Das bedingt auch, dass wir genügend personelle Ressourcen haben. Bei England und Wales hat das gut geklappt, und die Reiseziele passen perfekt in unsere Produktpalette. Hinzu kommt: Bei unseren südlichen Destinationen, Malta und Zypern, läuft sehr viel über den Preis. Hier haben wir als Spezialist womöglich nicht mehr die gleich grosse Bedeutung wie früher. Deshalb sind wir bestrebt, dort zu wachsen, wo wir uns von der Konkurrenz abheben können – durch viel Know-how und jahrelange Erfahrung. Und das sind nun mal Grossbritannien und Irland.
Wird demzufolge auch Schottland bald zu einem Thema?
Walter Fink: Es ist klar, Schottland fehlt noch auf unserer Karte. Aber wir haben immer gesagt: Wir machen nur das, was wir personell bewältigen können. Wenn wir ein Produkt auf den Markt bringen, muss es funktionieren. Bei Schottland sind wir noch nicht soweit. Dafür bräuchten wir mehr Personal. Und gutes Personal zu finden, ist derzeit nicht ganz einfach.
«Die heissen Sommer sind für uns sicher kein Nachteil»
Es gibt immer mehr Menschen, die ihre Sommerferien nicht bei 40 Grad irgendwo am Mittelmeer verbringen möchten. Inwiefern spielt Rolf Meier Reisen der Klimawandel in die Karten?
Christian Sigg: Es ist sicher so, dass die heissen Sommer für uns als Unternehmen kein Nachteil sind. Hier punkten wir beispielsweise mit den Kanalinseln. Dort können unsere Kundinnen und Kunden ihre Ferien am Meer verbringen, ohne dass sie sich brütender Hitze aussetzen müssen. Viele Schweizerinnen und Schweizer wollen in den Ferien etwas unternehmen, wie etwa wandern oder Velo fahren. Dafür eignen sich unsere nördlichen Destinationen sehr gut.
Walter Fink: Der Klimawandel ist das eine. Die Corona-Krise hat aber sicherlich auch ihren Anteil an dieser Entwicklung. Viele Menschen wollen individueller unterwegs sein, als das vor der Pandemie der Fall war. Sie haben dem Massentourismus in grossen Hotelkomplexen abgeschworen und möchten neue Pfade entdecken. Zudem profitieren wir wohl auch etwas von der geopolitischen Lage. Sowohl die Ukraine als auch der Nahe Osten stehen derzeit im Zeichen von kriegerischen Auseinandersetzungen. Deshalb suchen die Reisenden nach Alternativen. Und die finden sie häufig bei uns.
Ist es denkbar, dass die südlichen Destinationen, Malta und Zypern, schon bald nicht mehr in den Katalogen von Rolf Meier Reisen auftauchen?
Walter Fink: Derzeit nicht. Natürlich ist das Volumen nicht mehr ganz so gross wie bei anderen Destinationen. Aber das Geschäft läuft sehr gut nebenher. Aktuell sind all unsere Destinationen profitabel.
«Wir sparen dadurch mehrere zehntausend Franken pro Jahr»
Rolf Meier Reisen ist per Anfang 2024 aus der TPS-Spezialistengruppe ausgetreten. Weshalb?
Walter Fink: Kurz zusammengefasst: Es hat sich für uns nicht gerechnet. Wir waren – nebst höheren Mitgliedskosten – dazu verpflichtet, uns unter anderem an Marketing-Aktivitäten und an der TPS-Academy zu beteiligen. Mit dem Austritt aus der Spezialistengruppe sparen wir mehrere zehntausend Franken pro Jahr. Das ist für ein kleines Unternehmen, wie wir es sind, viel Geld. Kommt hinzu: Im Gegensatz zu anderen Anbietern haben wir keine eigene Marketing-Abteilung. Das heisst: Es haben nicht nur finanzielle, sondern auch personelle Aspekte eine Rolle gespielt.
Christian Sigg: Es soll nicht arrogant klingen, aber: Wir sind in der komfortablen Lage, dass wir nach wie vor ein Nischenprodukt verkaufen, das nicht so einfach austauschbar ist. Klar, das kann sich eines Tages auch wieder ändern. Aber momentan profitieren wir sicherlich davon, wenn es darum geht, im Markt bestehen zu können.
Gab es negative Reaktionen auf den Austritt?
Walter Fink: Einige, aber nicht viele. Wir hatten im Vorfeld mit mehr kritischen Feedbacks gerechnet. Vielleicht spielt hier mit, dass wir ein eher kleines Unternehmen sind. Deshalb war der Aufschrei wohl nicht so gross, wie wenn ein grösserer Tour Operator aus der Gruppe ausgetreten wäre.
Momentan ist die Hauptbuchungszeit für die Sommerferien. Wo verbringt ihr eure freien Tage?
Christian Sigg: Für die Sommerferien verreise ich dieses Jahr an eine Destination aus unserem Portfolio. Wir haben eine Rundreise durch den Norden Englands gebucht. Ansonsten bin ich aber auch sehr offen für andere Reiseziele. Die Frühlingsferien verbringen wir in Albanien, und im Herbst geht’s nach Namibia.
Walter Fink: Was meine eigenen Reisen betrifft, bin ich ausnahmsweise sehr konservativ. Ich verbringe meine Ferien fast ausschliesslich an Orten aus unseren eigenen Katalogen. Das hat aber auch mit meiner Frau und meinen Kindern zu tun, die das Reiseziel meist vorgeben – ohne, dass ich dazu noch viel zu sagen hätte (lacht). Im Frühling gehe ich mit meinem Sohn auf ein Hausboot in Irland. Den Sommer verbringen wir – auf grossen Wunsch von Frau und Tochter – zum dritten Mal hintereinander auf den Kanalinseln. Ich habe mir aber ausbedungen, dass wir im kommenden Jahr wieder einmal etwas anderes machen. Dann verreisen wir nach Wales.