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Trotz hoher Flugtarife war die Nachfrage nach Flugreisen im letzten Jahr sehr gross. Bild: Adobe Stock / Generiert mit KI

Kommentar Die Flugtarife bröckeln – ohne Not

Gregor Waser

Dass die frühere Normalität in der Reisewelt Einzug hält, lässt sich spätestens an den wieder fallenden Flugpreisen ablesen. Mit Fernflügen um 500 Franken ist der alte Irrsinn zurück.

Nach der Pandemie werde die Reisewelt eine andere sein, eine vernünftigere, eine umweltbewusstere. Schliesslich könne es mit dem Overtourism so nicht weitergehen und es gelte ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Ja, es wurde in den letzten Jahren viel nachgedacht und in die Zukunft projiziert und von einer neuen, verträglicheren Reisewelt gesprochen.

Es machte beinahe den Anschein, unrealistische Tiefpreise würden der Vergangenheit angehören. In den 2010er-Jahren tauchten angesichts von Überkapazitäten nämlich Flugtarife auf, wie man sie kaum je zuvor gesehen hatte: 390 Franken nach New York, 550 Franken nach Bangkok, 990 Franken nach Sydney ... Tarife, die es so eigentlich gar nicht geben dürfte. Die effektiven Kosten sind dabei sicherlich nicht im Ansatz gedeckt.

Nach der Pandemie stabilisierten sich 2022 und 2023 dann die Flugtarife auf einem hohen Niveau, das es zuletzt in den 1990er-Jahren gab – von Zürich nach Bangkok und zurück kostete nun wieder über 1500 Franken, ein Australien-Ticket über 2500 oder 3000 Franken.

Wie es dazu kam? Nein, es war nicht die Vernunft der Airlines. Es war die überaus hohe Nachfrage bei gleichzeitig geringen Flugfrequenzen, plus ein noch nicht abgetragener Schuldenberg aus den Pandemiejahren. Dies brachte die Airlines dazu, deutlich höher zu kalkulieren – und trotzdem volle Flieger zu haben.

Dass es nicht ewig so bleiben würde, war aber zu befürchten. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen: die Flugtarife vieler Airlines beginnen zu bröckeln. Wir nähern uns wieder dem aggressiven Preisgehabe aus dem Jahr 2019. Denn die Airlines haben ihre Maschinen wieder alle in der Luft, der Konkurrenzdruck wächst, in der Tiefsaison die Flieger zu füllen wird wieder schwieriger.

Für 359 Franken nach New York ...

Reisen soll seinen Wert haben, Shopping-Kurztrips nach New York seien passé. Diese hehre Vorstellung scheint vom Tisch. Spätestens beim Blick auf die aktuellen Economy-Preisaktionen der Airlines für Return-Tickets wird klar, die alte, preislich verrückte Reisewelt ist wieder da. Einige Beispiele:

  • Zürich - Lissabon - New York mit TAP für 359 Franken
  • Zürich - Riad - Bangkok mit Saudia für 450 Franken
  • Zürich - Abu Dhabi - Malé mit Etihad für 570 Franken
  • Zürich - Singapur - Bali mit Singapore Airlines für 910 Franken
  • Zürich - London - Sydney mit British Airways für 1099 Franken

Und «Pling», schon wieder klingelts im E-Mail-Postfach: noch bis am 22. Januar lassen sich Air-France-Preise buchen wie etwa Zürich - Paris - Los Angeles für 419 Franken. Noch hält sich löblicherweise die Swiss zurück, doch der nächste «Swiss 48h Sale» mit Tarifen in ähnlichen Tiefen dürfte bald schon aufploppen.

Ja, klar, es sind nur vereinzelte Plätze in der tiefsten Buchungsklasse und in der Tiefsaison, die zum Aktionspreis auf die Online-Wühltische geworfen werden. Trotzdem: ein Pricing in diesen Dimensionen geschieht völlig ohne Not, nachdem sich in den Köpfen der Endkunden wieder ein normales Preisbild manifestiert hat.

Denn es nicht so, dass bei einem 1200 oder 1500 Franken teuren Economy-Ticket von Zürich nach Los Angeles, die Leute nicht mehr reisen würden. Die Zahlen des vergangenen Jahres zeigen dies eindrücklich.

Trotz teilweise sehr hohen Flugpreisen verzeichnete der Flughafen Zürich 28,9 Millionen Passagiere im letzten Jahr, das sind 92 Prozent des Rekordjahres 2019, das geprägt war von sehr tiefen Flugtarifen. An vielen anderen europäischen Flughäfen, etwa in Frankfurt, verläuft die Erholung schleppender – die Passagierzahl in Frankfurt beläuft sich im letzten Jahr auf 84 Prozent des 2019er-Levels.

Fazit: Schweizerinnen und Schweizer reisen oft und gern und immer wieder – fast bei jedem Preis. Die immensen Umsatzzuwächse bei Schweizer Fernreise-Spezialisten im Jahr 2023 – zum Teil bis 40 Prozent –, zeigen: an der Preisschraube so stark nach unten zu drehen wie jetzt, macht wenig Sinn und basiert bloss auf der Panik von Yield-Managern oder falsch eingesetzter Künstlicher Intelligenz, die für Mai oder Juni erst eine Auslastung von 20 Prozent ausmacht und nun schon früh im Jahr überreagiert.