On The Move

Das Schweizer Parlament setzt sich neu zusammen – doch mit welchen Auswirkungen auf den Tourismus? Bild: Adobe Stock

Das sagen die Touristiker zu den Wahlen 2023

Die Eidgenössischen Wahlen vom Sonntag haben der Schweiz einen Rechtsrutsch beschert. Was heisst das für den Tourismus? Wir haben Reaktionen vom Schweizer Tourismus-Verband (STV), Schweizer Reise-Verband (SRV), der Genossenschaft TPS sowie von Fairunterwegs eingefangen.

Die Eidgenössischen Wahlen von gestern Sonntag, dem 22. Oktober 2023, haben mit der SVP (+3%) eine klare Gewinnerin und mit den Grünen (-3,8%) deutliche Verlierer hervorgebracht. Doch was bedeuten die Wahlen 2023 für die Schweizer Tourismusbranche und die Schweizer Outgoing-Reisebranche in den nächsten vier Jahren?

Wir wollten wissen, wie der Wahlausgang von den Tourismusexponenten bewertet wird und haben hierzu einige Stimmen eingefangen.

Philipp Niederberger, Direktor Schweizer Tourismus-Verband

«Der Schweizer Tourismus-Verband (STV) ist sehr erfreut darüber, dass unser Präsident Nicolò Paganini und unser Vorstandsmitglied Jacqueline de Quattro mit sehr guten Resultaten wiedergewählt wurden. Ihr grosses Engagement für den Tourismussektor und seine zahlreichen Mitarbeiter:innen hat zweifellos zum positiven Ergebnis beigetragen. Diese Wiederwahl ist eine verdiente Anerkennung für ihre hervorragende Arbeit sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Parlaments.

Von den rund 60 Mitgliedern der Parlamentarischen Gruppe Tourismus (PGT) wurde im Nationalrat niemand abgewählt, was für sich spricht. Im Ständerat müssen einige Mitglieder der PGT noch in den zweiten Wahlgang.

Generell lässt sich festhalten, dass der Tourismussektor in allen politischen Parteien Unterstützung findet. Abhängig vom Thema bilden wir Mehrheiten mit verschiedenen Fraktionen. Die Verschiebungen im Parlament haben daher nicht die gleichen Auswirkungen auf den Tourismus wie auf andere Verbände und Wirtschaftssektoren. Unsere Erwartungen ans neue Parlament sind, dass die Bedeutung des Tourismussektors für die Schweiz erkannt und anerkannt wird. Mit rund CHF 15 Milliarden Bruttowertschöpfung und über 160'000 Vollzeitäquivalenten trägt der Tourismus massgeblich zum Erfolg der Schweiz bei. Wir sind überzeugt, dass auch das neu gewählte Parlament diesem wichtigen Wirtschaftszweig die gebührende Aufmerksamkeit schenkt. Für Fragen und Anliegen zum Tourismus steht der STV dem Parlament sehr gerne zur Verfügung.»

Martin Wittwer, Präsident Schweizer Reise-Verband

«Wie in unserem Leitbild festgelegt, ist der SRV politisch ungebunden und nimmt zu den Parteien und zur neuen Zusammenstellung des Parlaments keine Stellung. Für uns ist es aber relevant, Politikerinnen und Politiker von links bis rechts für die Anliegen und Bedürfnisse der Schweizer Reisebranche zu gewinnen, quer durch die Parteienlandschaft. Aus diesem Grund gaben wir auch keine Wahlempfehlung ab.»

Koni Kölbl, Travel Professionals Switzerland – TPS, Leiter Politik

«TPS steht politisch neutral. Es liegt in der Hand jedes einzelnen Players in unserer Branche, das Netzwerk zu PolitikerInnen von Bund und Kantone auszubauen und zu pflegen. Unsere Branche hat die Aufgabe, sich auch in guten Zeiten und abhängig von Politcouleur für einen offenen Dialog zu engagieren. Am Wochenende sind nun die Würfel gefallen. Packen wir die Arbeit an. Als erstes wird TPS mit dem SRV i.S. Politik austauschen.

Die politische Orientierung hat zwar vor allem mit Kultur, Wohlstand sowie mit den so verschiedenen Situationen zwischen der Stadt- und Landesbevölkerung zu tun. Wo Freude & Zufriedenheit herrschen, herrscht auch Angst ums Erworbene sowie Bestehende und Themen werden stets durch die aktuelle Wirtschafts- oder/und Sicherheitslage beeinflusst.

Hingegen wo Sorge, Existenzängste und sogar Armut den Alltag prägen, da wurden am letzten Wochenende andere Farben in die Urne geworfen. Schon fast traditionell erscheint ein klarer Strich durch die politische Landschaft der Schweiz.

Ob links oder rechts entscheidet sich an der Haltung zu Law & Order, zu Polizei und Landesverteidigung, zum Klimaschutz oder zur Zuwanderung und Asylwesen. Konservativ bedeutet eine Skepsis oder Angst gegenüber Öffnung und Veränderung, während Progressive für gesellschaftliche Reformen stehen.

Wir erwarten aber mit Spannung, wie solidarisch sich die Wieder- & Neugewählten in unserem föderalistischen Puzzle in der nächsten Legislaturperiode verhalten werden. Wie sie soziale Ungleichheiten und Krisen jeder Art meistern, wie sie unser Land mit der restlichen Welt positionieren,  wie sie sich am Weltgeschehen beteiligen werden. Es stehen jedenfalls immense Herausforderungen bevor. Auch wir aus der Outgoing-Reisebranche sind direkt von Wohlstand der Bevölkerung sowie von der Weltsicherheitslage abhängig.

Das Wahlresultat des Wochenendes ist jedoch mal das Eine. Was immer wieder erstaunt, ist die mit schweizweit 46.6% relativ tiefe Wahlbeteiligung (am Schlusslicht Appenzell Innerhoden mit beschämenden 24,5%). Wäre wohl besser, den 53,4% NichtwählerInnen in den nächsten 4 Jahren einen politischen Maulkorb mittels Initiativen-, Referendum- und Demoverbot aufzulegen.

Desinteresse, Frust, Resignation? TPS ermuntert jedenfalls seine Mitglieder zum Politinteresse. Dies ist aber auch die Aufgabe der Politik selbst, sich attraktiver, fairer und weniger polarisierend zu gestalten. Das heutige System gehört zwar zu den besten weltweit, es hat jedoch auch seine Macken. Vielleicht sollte man Wahlverfahren, Föderalismus, Zauberformeln usw. überarbeiten, um die Qualität der Volksvertretung zu steigern...»

Jon Andrea Florin, Geschäftsführer fairunterwegs

«Diese Wahlen verstärken ein tourismuspolitisches Paradox. Die Rechtsbürgerlichen werden weiterhin staatliche Gelder in den Tourismus investieren.  Dadurch kommen noch mehr Menschen aus dem (fernen) Ausland in die Schweiz, wohnen in Hotels, die im ausländischen Besitz sind, und wo ausländische Mitarbeitende zu schlechten Bedingungen arbeiten. Das verstärkt den Wohnungsmangel, führt zu noch volleren Zügen und es schwindet auch in abgelegenen Gebieten die in der Schweiz so geschätzte einsame Ruhe. Die Entfremdung mit dem eigenen Land wächst. Und die Wählenden entscheiden sich für rechtsbürgerliche Parteien und Politiker und Politikerinnen, die scheinbar etwas gegen zu viele Ausländerinnen und Ausländer tun.

Dass das neue Parlament sich weniger für Klimaschutz und konsequente Raumplanung einsetzen wird, bedroht langfristig die Lebensgrundlagen des Tourismus. Das ist fast allen klar -  aber ein rechtsbürgerliches Parlament hat halt andere Prioritäten. Auch das ist paradox.»

(TN)